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«Der virologische Nutzen von Masken ist kaum belegt»

So viel Normalität wie möglich, der psychologische Trick der Schutzmasken. «Mr. Corona» Daniel Koch (65) erklärt, wie das Coronavirus uns verändert und wie wir mit ihm umgehen.

Ist die Corona-Epidemie in der Schweiz unter Kontrolle?
Die Anzahl Neuinfektionen pro Tag hat sich in den letzten Wochen meist zwischen 100 und 200 eingependelt. Das bedeutet zwar ein erhöhtes Level, mit dem wir derzeit allerdings gut leben können. Die Frage lautet eher, was diese Entwicklung für den Herbst und für den Winter bedeutet, wenn wieder die üblichen Erkältungs- und Grippeviren zirkulieren.

Wie lautet Ihre Antwort?
Es wird in dieser Jahreszeit etliche Menschen mit Covid-19-Symptomen geben, die sich jedoch kaum von anderen Grippesymptomen unterscheiden. Wenn sich betroffene Personen dann nicht testen lassen, besteht das Risiko, dass Corona-Fälle unentdeckt bleiben und es tatsächlich zu einer zweiten Welle kommt, weil sich die Infektionsketten kaum mehr nachverfolgen lassen. Diese Gefahr ist real.

Wann kommt der Impfstoff?
Es wäre falsch, darauf zu vertrauen, die Situation vor dem übernächsten Winter völlig im Griff zu haben. Selbst wenn der Impfstoff jetzt vorhanden wäre, müsste man die Bevölkerung ja zuerst impfen. Das wird alles nicht so schnell gehen. Realistischer erscheint mir ein Impfstoff im kommenden Jahr, der dann im Winter 2021/22 zum Einsatz kommen könnte.

Was ist für den bevorstehenden Winter zu tun?
Personen mit Symptomen sind unbedingt früh und mit einer möglichst einfachen Methode zu testen, damit die Übertragungsketten zurückverfolgt und mögliche Infizierte rasch in Quarantäne gesetzt werden können.

Am Mittwoch hat der Bundesrat beschlossen, die Obergrenze von 1000 Personen bei Grossanlässen ab 1. Oktober zu lockern.
Das halte ich für sinnvoll. Es sollte keine starre Quote geben. Denn: Ein effektives Contact Tracing bei 10 000 Personen die während einer Veranstaltung sitzen, macht mehr Sinn als bei 300 Personen, von denen niemand weiss, wer mit wem im Kontakt war. Daher plädiere ich dafür, all jene Dinge zu erlauben, die mit vertretbarem Risiko möglich sind. Nochmals: Das Wichtigste dabei ist das Contact Tracing.

Bei einer Veranstaltung mit 8000 Personen ist eine Rückverfolgung doch schier unmöglich. Gerade, weil es bis zu zehn Tage dauert, bis das Virus ausbricht.
Erstens: Das Problem des Contact Tracings ist, dass Menschen mit Symptomen zu spät entdeckt werden. Ärzte dürfen bei einem Verdacht keinesfalls zuwarten mit Testen. Zu den Grossevents: Hier existieren bezüglich Schutzmassnahmen zahlreiche Möglichkeiten, die noch nicht ausgeschöpft wurden. Bei den Sicherheits-Checks an Flughäfen sind wir es uns seit Jahren gewohnt, in Reih und Glied anzustehen. Das wäre in Sportstadien auch möglich.

Sie plädieren also für eine neue Normalität bei Grossanlässen.
Sehen Sie: Die Haltung, wonach Personen mit Masken im öffentlichen Verkehr, wo es keine totale Kontrolle gibt, in Ordnung sind, im Freizeitbereich hingegen nicht, finde ich widersprüchlich. Der Mensch besteht nicht nur aus Arbeit, andere Aspekte sind für eine Gesellschaft ebenfalls sehr wichtig.

Im öffentlichen Verkehr besteht Maskenpflicht, möglicherweise bald auch in Shops und Läden. Herr Koch, Sie sagten zu Beginn der Krise, dass Masken kaum etwas bringen.
Stimmt. Der rein virologische Nutzen von Masken ist tatsächlich kaum belegt.

Wieso tragen dann Spital- und Pflegepersonal Masken?
Weil wir durchaus wissen, dass Masken die Weiterverbreitung von Vi-ren vermindern. Dort geht es also hauptsächlich darum, Patienten zu schützen. Vor allem aber spielen in diesem Zusammenhang weitere Faktoren wie die Händedesinfektion eine noch viel wichtigere Rolle. Sowieso halte ich diese Diskussion derzeit für müssig: Die Bevölkerung möchte Masken bis zu einem gewissen Grad tragen, weil sie als Nebeneffekt dafür sorgen, uns stets an die Thematik zu erinnern. Diesen psychologischen Aspekt darf man nicht unterschätzen.

Ein mentaler Trick also?
Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Zu Beginn wollten die Menschen im ÖV keine Maske, obwohl wir das seitens BAG empfohlen hatten. Als die Maske obligatorisch wurde, trugen plötzlich alle eine. Aber nicht, weil die Leute von heute auf morgen dachten, dass sie das müssten, sondern weil sie sich zuvor genierten. Masken sind allenfalls ein zusätzliches Hilfsmittel, doch bei weitem nicht die Lösung des Problems. Sonst bräuchte es ja keine Händedesinfektion und kein Social Distancing.

Sie beraten unter anderem den SCB. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Solange die Krise nicht vorüber ist, stelle ich mein Wissen all jenen zur Verfügung, die mich anfragen. Im Übrigen habe ich mit dem SCB keinen Vertrag abgeschlossen, sondern verrechne einen Stundenansatz.

Trotzdem scheinen Sie dem Rampenlicht nicht abgeneigt zu sein. In Kürze erscheint auch noch ein Buch über Sie mit einem Vorwort von Bundesrat Alain Berset. Die «Berner Zeitung» warf Ihnen deshalb einen Ego-Trip vor.
Es geht nicht um meine Person. Wir haben ein Problem, mit dem ich mich weiterhin intensiv befasse und zu dessen Lösung ich mein Wissen gerne weiter zur Verfügung stelle. Das Buchprojekt hat damit nichts zu tun. Hierzu wurde ich schon vor längerer Zeit angefragt – es handelt sich dabei übrigens nicht um eine Biografie. Wer also denkt, dort grosse Geheimnisse über mein Leben zu erfahren, wird enttäuscht sein. (lacht) Zur Website: Da ging es mir schlicht darum, geplante Beratungen korrekt abrechnen zu können.

Sie bestreiten also, aus der Situation Profit ziehen zu wollen?
Ich verrate Ihnen etwas: Den SCB hat meine Beratung bisher 700 Franken gekostet. Würde ich wirklich von dem Ganzen profitieren wollen, gäbe es sicherlich andere Möglichkeiten.

Sie wurden als «Held der Nation» oder «Mr. Corona» betitelt – fühlten Sie sich geschmeichelt oder wurde Ihnen alles ein bisschen zu viel?
Am Anfang war die Popularität gewöhnungsbedürftig, ich hatte etwas Mühe, damit umzugehen. Die meisten Leute sind zu mir, das möchte ich schon betonen, äusserst nett. Ich habe nie negative Erfahrungen mit der Bevölkerung gemacht.

Wenn Sie zu Fuss unterwegs sind – wie oft werden Sie angesprochen?
Sehr häufig. (schmunzelt)

Wie häufig waren Sie seit Ihrem medienwirksamen Instagram-Sprung noch in der Aare?
Einmal. Erstens hatte ich keine Zeit, zweitens würde ich mich bei all dem Rummel momentan kaum einfach so ins Marzili wagen.

Wird Bern eine Fasnacht feiern dürfen?
Wenn es so aussieht wie heute, wird es schwierig. Der Zibelemärit wurde ja bereits abgesagt.

Yves Schott

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