Bern soll Energie sparen. So sieht es der entsprechende Richtplan vor, der seit 2014 gilt. Was hat sich in der Zwischenzeit getan? Viel. Vor allem Private treiben Projekte voran.
Wir befinden uns am Zentweg, ganz in der Nähe der Kleinen Allmend an der Grenze zu Ostermundigen. Hier hat die Bidag AG als Teilbesitzerin dieses Areals in Zusammenarbeit mit der Firma Badertscher+Co vor einigen Monaten eine der grössten Photovoltaik-Anlagen im Grossraum Bern in Betrieb genommen. 3500 Solarpanel auf insgesamt 27 Dächern mit einer Gesamtfläche von 6000 Quadratmetern wurden installiert. Sie produzieren pro Jahr 1,1 Gigawattstunden, was 70 Prozent der benötigten Energie der ansässigen Firmen entspricht. Die Anlage steht sinnbildlich für die von privater Seite initiierten Anstrengungen, um in Bern eine Energiewende herbeizuführen. Wir treffen uns mit Umwelt- und Energiedirektor Reto Nause (CVP) sowie Adrian Stiefel, dem Leiter des Amts für Umweltschutz und Lebensmittelkontrolle. Ganz zuoberst auf dem Dach der Firma Badertscher+Co. Mit guter Fernsicht auf Bern, den Gurten – und 3500 Solarpanels.
Bis 2035 soll der Strom zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen stammen. So steht es im Richtplan, den die Stadt Bern 2014 verabschiedet hat. Gelingt dieses Vorhaben?
Reto Nause: Den Atomstrom aus dem französischen Fessenheim haben wir komplett substituiert. Zudem kamen neue Solaranlagen hinzu, teils in Bern, teils im Ausland. Ausserdem wurde die Energiezentrale im Forsthaus in Betrieb genommen, wo, etwas salopp ausgedrückt, aus Kehricht Strom gewonnen wird. Deswegen sind wir optimistisch, diese Ziele erreichen zu können.
Adrian Stiefel: Die von Ihnen angesprochenen 80 Prozent wird Bern schaffen. Hier wurden die Weichen schon 2009 in einer Volksabstimmung gestellt. Unsere Herausforderung liegt woanders, nämlich bei der Wärme: Geheizt wird heutzutage noch immer vor allem mit Erdöl und Erdgas, doch in Zukunft sollen 70 Prozent der Wärme aus erneuerbaren Energien stammen. Beschlossen haben wir das, wie Sie richtig sagen, bereits 2014. Also lange vor den grossen Klimademos.
Werden wir konkret: Wie sieht es beispielsweise bei den Ölheizungen aus?
Nause: Im Gebäudebereich wurde der CO2 -Ausstoss in den letzten zehn Jahren um 28 Prozent reduziert. Eine sehr markante Zahl, die zeigt, dass die beschlossenen Massnahmen wirken. Das kantonale Recht verunmöglicht es uns aber, in der Stadt Bern Ölheizungen zu verbieten. Würden alle Ölheizungen der Stadt, welche älter als 20 Jahre sind, heute durch erneuerbare Heizsysteme ersetzt, hätten wir das Zwischenziel 2025 im Bereich Wärme bereits erreicht. Ich finde dies eine bemerkenswerte Überlegung, die auch zeigt, in welchem Handlungsrahmen wir uns bewegen.
Bümpliz ist sehr weit fortgeschritten, was Gebäudesanierungen anbetrifft.
Nause: Der Westen Berns hat im Bereich CO2 -Reduktionen das grösste Zukunftspotenzial. Dort befinden sich die grössten Liegenschaften mit sehr viel Wohnungen, die derzeit mit Öl beheizt werden. Diese Region ist beim Ausbau des Fernwärmenetzes ein Hauptzielgebiet.
Stiefel: Wenn man das Tscharnergut an das Fernwärmenetz von ewb im Forsthaus anschliesst, spart man auf einen Schlag knapp 5000 Tonnen CO2 pro Jahr. Das entspricht ungefähr der Menge, die die Stadtverwaltung – inklusive Mobilität – pro Jahr verbraucht. Deswegen hat der Westen erste Priorität, weil die Wege hier am kürzesten sind. Das Inselspital wird übrigens bereits heute mit Fernwärme beheizt.
Erklären Sie uns doch kurz, was Fernwärme genau bedeutet.
Stiefel: Es ist jene Wärme, die bei der Stromproduktion, die aus Holz, Kehricht sowie einem Gas-Dampf-Kombikraftwerk entsteht, gewonnen wird. Statt diese Wärme aus der KVA in den Bremgartenwald entweichen zu lassen, wird sie zur Beheizung genutzt.
Nause: Technisch gesehen ist es Wasserdampf. Zudem sind in den Liegenschaften dann keine Ölkessel mehr nötig. Das dürfte auch für Hausbesitzer interessant sein.
Wie stark muss sich der Staat in die ganze Sache einbringen?
Nause: Der Staat soll kluge und investitionsfreundliche Rahmenbedingungen setzen. Realisieren müssen es dann jedoch die privaten Anbieter. Die Stadt soll mit ihrem Gebäudepark zudem klar auch ein Vorbild sein.
Stiefel: Es wäre vermessen zu denken, dass der öffentliche Sektor die Energiewende alleine schaffen kann. Er muss aber für Verlässlichkeit und Investitionssicher – heiten sorgen. Es braucht Regulierungen, klar – die Kooperation allerdings ist genauso wichtig. Deswegen arbeiten wir schon länger mit der Klimaplattform der Wirtschaft zusammen, tauschen uns zu diesem Thema regelmässig mit über 60 Firmen aus. Das funktioniert sehr gut und bestärkt uns in unserem Weg.
Nennen Sie uns ein konkretes Beispiel dieser Zusammenarbeit.
Stiefel: Die CSL Behring im Wankdorf-Quartier benötigt sehr viel Alkohol für ihre Blutplasmaproduktion. Dieser Alkohol floss bisher ganz normal durch die Abwasserleitungen in die ARA. Die Bakterien, die unter anderem für die Reinigung des Wassers zuständig sind, haben sich nun fast nur noch auf diesen Alkohol konzentriert und den Rest sozusagen «vergessen». Irgendwann waren die Bakterien tot. Auf kantonaler Ebene wurde dann intensiv darüber diskutiert, ob für die CSL Behring nun ein Produktionsstopp nötig sei. Wir waren dagegen und fanden eine Lösung: Die CSL Behring und die ARA haben es geschafft, für die CSL Behring eine separate Leitung zu erstellen. Nun wird aus dem Alkohol Biogas und somit Wärme produziert. Das ist Energiewende!
Was machen Sie persönlich, um Energie zu sparen?
Nause: Ich probiere, mich in der Stadt mit dem ÖV fortzubewegen. Und ich wäre persönlich ganz froh, wenn der Bund beschliessen würde, dass ab 2025 nur noch Zero-Emmissions-Fahrzeuge zugelassen sind. Dann wäre diese Technologie viel erschwinglicher.
Stiefel: Ich habe mir angewöhnt, mit dem Velo zur Arbeit zu fahren.
Nause: Abgesehen davon setze ich klar auf die technologische Entwicklung. Ich bin überzeugt, dass die Klimawende nicht unbedingt schneller vonstattengeht, wenn man Menschen den Verzicht predigt. Die Technologie soll gepusht werden, das sorgt für einen massiv grösseren Impact, als ein Viertel der Berner Bevölkerung dazu zu ermuntern, vegan zu essen.
Stiefel: Und hier braucht es eben die angesprochenen Rahmenbedingungen. Solange man für 20 Franken nach London fliegen kann, wird sich am Status quo nichts ändern.
Yves Schott