Der Alt-Bernische Tourismus-Direktor Walter Rösli arbeitete 27 Jahre lang für Bern Tourismus, der Vorgänger-Organisation von Bern Welcome, davon zehn Jahre als Direktor. Er ist bekannt als Mann der offenen Worte. Nach der der Entlassung des Bern-Welcome-Geschäftsführers Martin Bachofner spricht Rösli Klartext.

Was sagen Sie zur Entlassung Ihres bereits vierten Nachfolgers? Bern- Welcome-Geschäftsführer Martin Bachofner war erst etwas mehr als ein Jahr im Amt.
Ich habe Mühe, dies zu verstehen. Ich bin seit über 20 Jahren im Ruhestand und muss feststellen, dass ich der letzte Tourismusdirektor bin, der es bis zum offiziellen Pensionsalter schaffte. Alle meine Nachfolger wurden vorzeitig pensioniert oder abgesetzt. Das gibt mir schon zu denken. Besonders traurig finde ich die Art und Weise, wie Martin Bachofner entlassen wurde.

Weshalb?
Anscheinend wurde Martin Bachofner die Entlassung mitgeteilt, als er wegen einer Operation krankgeschrieben war. Das ist wahrlich kein guter Stil! Zudem wurde bis heute nicht kommuniziert, aus welchen Gründen man ihn entlassen hat.

Gemäss Medienmitteilung waren sich Bachofner und der Verwaltungsrat nicht einig darüber, in welche Richtung man mit diesem neuen Konstrukt namens Bern Welcome gehen will. Man hatte «unterschiedliche Auffassungen über den Aufbau und die Führung des Unternehmens».
Was heisst da «neues Konstrukt»? Die Zusammenlegung von Standortmarketing, Wirtschaftsförderung und Tourismus ist keine Berner Erfindung. Bereits zu meiner Zeit wurde das in Kopenhagen eingeführt. Mit grossem Erfolg übrigens.

Dann sollte das ja auch in Bern funktionieren.
Sollte, ja. Doch dann müsste das Schwergewicht beim Tourismus und den Tourismusprofis liegen. Wenn der Tourismus gut läuft, profitiert auch die Wirtschaft. Mir wurde seinerzeit der Gewerbebär verliehen. Die Berner Gewerbler haben mich ausgezeichnet, weil sie wussten, dass vom Tourismus das ganze Gewerbe profitiert, nicht nur die Gastronomie und die Hotellerie.

Gastronomen und Hoteliers dominieren aber die Themen im Berner Tourismus.
Das ist so. Ich dachte, das ändere sich mit Bern Welcome. Doch als ich dann feststellen musste, wer alles im Bern-Welcome-Verwaltungsrat sitzt, war ich ziemlich ernüchtert.

Sprechen Sie den Gastronomen und Hoteliers die touristische Kompetenz ab?
Sicher nicht, was ihre Arbeit anbetrifft. Doch bei einer professionellen touristischen Organisation ist es von Vorteil, wenn nicht jeder zuerst an sein eigenes Gärtchen denkt.

Wie sind konkret die Nachteile dieses «Gärtchen-Denkens»?
Mein Nachfolger Raymond Gertschen, dessen Nachfolger Markus Lergier und ich haben sich immer für mehr Hotelbetten und damit auch für mehr Hotels stark gemacht. Dieser Wunsch wurde von der Mehrheit der Hoteliers stets bekämpft. Sie fürchteten einen Preiskampf. Heute gibt es glücklicherweise bedeutend mehr Betten, aber es dürften immer noch etliche mehr sein.

Sollen demnach keine Wirte und Hoteliers im Bern-Welcome-Verwaltungsrat mitwirken?
So drastisch würde ich es nicht formulieren. Ich wünschte mir aber mehr professionelle Tourismusfachleute und vor allem einen Verwaltungsratspräsidenten, der nicht in das operative Geschäft reinredet.

Bachofner ist ein Tourismusprofi …
Umso mehr kann ich seine Entlassung nicht verstehen. Es ist noch nicht zwei Jahre her, seit man ihn mit grosser Lobhudelei von Gstaad nach Bern transferierte. Im Saanenland machte Bachofner einen sehr guten Job als Tourismusdirektor. Zudem ist er Präsident der Schweizer Tourismusmanager. Mehr Profi geht kaum mehr.

Möchten Sie heute immer noch Tourismusdirektor der Stadt Bern sein?
Um Gottes willen, nein! Wäre Bern Welcome zu meiner aktiven Zeit konstruiert worden, hätte ich sofort meine Demission eingereicht.

War früher alles besser?
Nein, natürlich nicht. Wie bereits erwähnt, mussten wir oft gegen Widerstände innerhalb der Organisation kämpfen. Und ab und zu hat sich auch der Stadtpräsident eingemischt, das war nicht immer angenehm, aber es zeugte von Interesse und Respekt vor unserer Arbeit. Ich vermisse im Fall Bachofner den Stadtpräsidenten, umso mehr in Anbetracht der Tatsache, dass Alec von Graffenried bis zu seiner Wahl ins Stadtpräsidium Präsident von Bern Tourismus war.

War es früher nicht einfacher, das Produkt «Bern» zu verkaufen?
Das Produkt Bern ist aus touristischer Sicht immer noch das gleiche. Zwar mit Nuancen, es gab schon immer private Gästezimmer, jedoch nicht das heutige Airbnb. Was sich seit meiner aktiven Zeit völlig verändert hat, sind die Verkaufsplattformen. Das Internet hatte noch keinen grossen Stellenwert und soziale Medien gab es nicht. Hingegen hatten wir Auslandvertretungen und Agenturen via Schweiz Tourismus und den legendären Swissair-Büros. Und wir hatten einen der besten Verkäufer weltweit: Unser Marketingchef Raymond Gertschen hat den asiatischen Markt bearbeitet, im gleichen Stil wie das der erfolgreiche Urs Kessler für die Jungfrau-Region macht.

Kann die Stadt Bern mit Interlaken oder der Jungfrau-Region mithalten?
Können vielleicht schon, aber ob das gut wäre? Letztes Jahr war ich an einem Treffen mit dem Tourismusdirektor von Interlaken. Seine Kernaussage war, dass er vor ein paar Jahren angestellt wurde, mit dem Auftrag, mehr Touristen zu holen. Doch heute sei seine Hauptaufgabe, der Bevölkerung beizubringen, wie sie mit den Gästen umgehen sollen. Deshalb finde ich es auch besser, wenn man in Bern nicht den Massentourismus anstrebt.

Alt-Berner Tourismusdirektor Walter Rösli

Persönlich Walter Rösli wurde am 19.8.1935 in Bümpliz geboren. Nach längeren beruflichen Aufenthalten in London und in Zürich –  bei einer Reederei und bei Ringier – zog es ihn zurück in die Heimatstadt, zum Verkehrsbüro, dem späteren Bern Tourismus. Zehn Jahre lang amtete Rösli da als Direktor.
Matthias Mast