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«Die Menschen schätzen den Tapetenwechsel enorm»

Gut wäre definitiv anders. Doch die Betreiber des soeben neu er-öffneten Swissôtel Kursaal Bern bleiben zuversichtlich – und haben sich in der Corona-Krise nicht nur einmal neu erfunden.

Seit dem 1. März haben Sie unter dem neuen Namen Swissôtel Kursaal Bern wiedereröffnet. Wie fällt Ihre Mini-Zwischenbilanz aus?
Karin Kunz: Sehr gut! Wir sind alle froh, dass etwas Leben zurückkehrt. Das Team ist motiviert, das neue Hotel macht Freude!

Sie sind bereit – doch wegen der Corona-Situation kommen nur wenige Gäste.
Kevin Kunz
: Es ist enorm schwierig abzuschätzen, wann sich die Lage normalisiert. Unsere Frequenzen hängen unter anderem vom Flugverkehr, von Sportanlässen, Messen und Kongressen ab. Ausserdem herrscht nach wie vor ein Meeting- und Eventverbot. Die Unsicherheit ist gross.

Machte es betriebswirtschaftlich überhaupt Sinn, das Hotel am 1. März zu öffnen?
Kevin Kunz: Rein von diesem Standpunkt aus betrachtet, hätte man den Start verschieben müssen. Um dieses Haus zu bewirtschaften, werden etliche Hände und Füsse benötigt. Das ist abernur die eine Seite. Andererseits bieten wir ein neues Produkt an; unsere Kundinnen, Kunden sowie die Stammgäste möchten es sehen und spüren. Wir wiederumwollen und müssen uns in diese neuen Hotelwelt ja ebenfalls einleben.

Wie fleissig wird denn bei Ihnen gebucht?
Kevin Kunz: Um ehrlich zu sein: eher zurückhaltend. Wir sind ein Stadthotel, bei Betrieben auf dem Land oder in den Bergen sieht es anders aus. Nur als kleine Einordnung: Gesamtschweizerisch liegt die Hotelauslastung in den Städten aktuell bei 10 bis 17 Prozent, vor Corona lag sie bei über 70 Prozent.

Wie geht es Ihrem Haus ganz generell?
Lukas Meier: Die letzten zwölf Monate waren intensiv und spannend. Vor einem Jahr hätten wir kaum gedacht, dass alles so lange dauert. Wir mussten lernen, uns neu auszurichten, sind beweglicher geworden. Wir haben die Phase genutzt, um neue Angebote voranzutreiben; neue Lösungen waren gefragt. Wir wurden von einem physischen zu einem hybriden und einem digitalen Treffpunkt. Um Ihre Frage zu beantworten: Wir sind parat und warten Woche für Woche auf die Entscheidungen des Bundesrats.

Die aktuelle Situation schmerzt sicherlich jedes Hotelier-Herz. Sie tut aber auch finanziell weh.
Meier: Richtig. Wir sind hingegen schon mit kleinen Dingen zufrieden: Seit rund drei Wochen begrüssen wir wieder Gäste. An diese Strohhalme klammern wir uns.

Konnten Sie den Personalbestand halten? Im Casino Bern etwa wurden gleich mehrere Abgänge bekannt.
Kevin Kunz
: Wir verzeichneten einige Abgänge – Angestellte, die von sich aus gekündigt haben, weil sie sich fragten, ob diese Branche die richtige für sie ist. Die Schweiz ist in diesem Bereich kein Hochlohnland. In gegenseitigem Einverständnis kam es zudem zu Entlassungen. Wir legen nun mit kleinerem Bestand als zuvor los und beschäftigen ausserdem mehrere Aushilfen, was allerdings schon zuvor immer teilweise der Fall war.

Das klingt nach teils schwierigen Gesprächen.
Kevin Kunz: Die Wirtschaftlichkeit steht im Vordergrund. Wir müssen das Unternehmen und damit die Arbeitsplätze schützen – denn sie sind gleichzeitig der grösste Kostenpfeiler.

Stichwort hybride Events: Worum handelt es sich da genau?
Meier: Es bedeutet nichts anderes als eine Verbindung von physischer mit digitaler Präsenz. Solche Anlässe gab es bereits vor der Pandemie, doch Covid hat alles enorm beschleunigt. War also zum Beispiel ein Event geplant, an dem 800 Personen teilnehmen wollten, durften beispielsweise 150 vor Ort sein – der Rest schaltete sich online zu. Heute merken wir, dass solche Anlässe Zukunft haben: Ist ein Saal bereits voll, werden viele weitere trotzdem via Bildschirm mit dabei sein können.

Unter anderem deshalb setzen Sie nicht zuletzt auf ein eigenes Streaming-Studio.
Meier: Während des Lockdowns erhielten wir zahlreiche Anfragen von Businesskunden und haben bei uns im Haus für jeden Event ein eigenes, passendes Setup aufgebaut. Das war allerdings mit einem hohen Aufwand für uns und mit entsprechenden Kosten für den Kunden verbunden. Nun stellen wir einen Meeting-Raum, der zuvor eher schwach ausgelastet war, mit drei verschiedenen Settings zur Verfügung. Eines ist den Räumlichkeiten des Swissôtel nachempfunden, das zweite stellt eine Podiumssituation dar, das dritte beinhaltet einen Greenscreen für den Hintergrund nach Wunsch.

Weiter bieten Sie mit «Chefs@Kursaal» eine kulinarische Eventreihe an, die äusserst beliebt ist.
Kevin Kunz
: Wenn ausgebucht als erfolgreich gilt, lässt sich sagen: Ja, dieses Konzept ist erfolgreich! (lacht)Im Ernst: Wir machen keinen Hehl daraus, dass es hier auch darum geht, Hotelzimmer zu belegen. Fast wichtiger scheint uns hingegen der soziale Aspekt: Wir wollten Berner Küchenchefs, die unter der Coronasituation in der Gastrobranche leiden, an Bord holen – deshalb kocht nun immer freitags und samstags jemand von ihnen. Wir stellen die Infrastruktur zur Verfügung, der Menüpreis von 110 Franken fliesst vollumfänglich an sie. Wir möchten ihnen damit ihre grösste Leidenschaft ermöglichen: kochen und Gäste bewirten!

Diese Reihe ziehen Sie nun weiter?
Kevin Kunz: Wir sind bis Ende Monat ausgebucht. An den Osterfeiertagen steht dann unser Sternekoch Fabian Raffeiner im Giardino hinter dem Herd. So ist eine Auszeit mit 4-Gang-Menü und einer Nacht in unseren neuen Hotelzimmern weiterhin möglich. Im April laden dann Schweizer Winzer zur Weindegustation und Essen ein.
Karin Kunz: Die Menschen schätzen den Tapetenwechsel enorm. Im Garten ein Apéro trinken, hier zu Abend essen, am nächsten Morgen im hauseigenen Fitnessstudio trainieren und anschliessend brunchen – manche Einheimischeübernachten sogar zum allerersten Mal in einem Hotel in Bern. Und schwärmen vom gemütlichen Bett und den flauschigen Bademänteln. (lächelt)

Fehlt eigentlich nur noch das Well-ness-Angebot!
Karin Kunz: Die Stadt Bern ist doch Wellness genug. Und ist ein gutes Glas Wein nicht auch Wellness?
Meier: Der Trend geht ja Richtung Kaltbad – wir haben die Aare direkt vor der Tür. (lacht)

Irgendwann möchten Sie dann aber die Arena wieder füllen und grosse Anlässe durchführen?
Kevin Kunz: Definitiv. Wir rechnen mit Ende Jahr, sprich: viertes Quartal. Wir sind gezwungenermassen fremdgesteuert. Deswegen bleibt uns kaum etwas anderes übrig, als uns dem anzupassen, was die Politik entscheidet.

Sollte die Lockdown-Phase trotz allem länger dauern als erhofft: Haben Sie genügend Schnauf für die kommenden Monate?
Kevin Kunz: Direkt Sorgen um uns machen muss sich niemand. Wir werden alles dafür tun, um gut über die Runden zu kommen. Sollte es allerdings noch zwei Jahre so weitergehen, würde es sicher weniger lustig.

Mit dem Kursaal verbindet man auch rauschende Nächte – ist eine grosse Wiedereröffnungs-Party geplant?
Meier: Sie sprechen die Mykonos Ende August an. Das Datum steht. Wir sind in Gespräch mit Sponsoren und evaluieren, in welcher Form ein solcher Anlass überhaupt möglich wäre.

Wie kurzfristig können Sie entscheiden? Das Stadtfest wurde bereits gestrichen.
Meier: Wir sind ziemlich flexibel, da wir Erfahrung mit diesem Anlass haben. Die Mobilisierung kann kurzfristig via soziale Medien passieren. Bei anderen Events muss sechs Monate vor der Durchführung ein Entscheid getroffen werden. Wir haben gewisse Pläne nun schon zum dritten Mal in die Finger genommen und sie zurück in die Schublade gelegt.

Ihr grösster Wunsch?
Kevin Kunz: Gäste begrüssen zu dürfen, ganz klar. Wir werden im Sommer wie in den vergangenen drei Jahren unseren Rooftop-Grill in Betrieb nehmen. Alles, was wir positiv beeinflussen können, um Menschen zusammenzubringen, setzen wir um.

Wenn die Restaurants wieder offen sind: Welches Menü lassen Sie sich als Erstes servieren?
Karin Kunz: Ein japanisches Sushi. Im eigenen Haus oder bei einem unserer Mitbewerber. (lacht)
Kevin Kunz: Moules et frites und eine gute Flasche Weisswein im Café Postgasse.
Meier: Ein Etli Ispanak – Spinat mit Lammfleisch und Tomaten. Gibt es im Aarbergerhof. Eine türkische Spezialität. Und dazu einen Gin Tonic an der Bar.

Yves Schott

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