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Die sieben Berner Weltwunder: Darum beneiden uns Touristen

Seit 1983 gehört die Stadt Bern zur Liste der Weltkulturgüter der Unesco. Jean-Daniel Gross, Leiter der Stadtberner Denkmalpflege, erzählt für den Bärnerbär Geschichten zu bekannten Gebäuden und Orten und verrät dabei einige Geheimtipps.

Text: Yves Schott, Fotos: Christoph Ammann

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Bundesterrasse

«Bern wurde 1848 zur Bundeshauptstadt gewählt. Nach dem Einmarsch Napoleons 1798 und dem gleichzeitigen Verlust des Aargaus und der Waadt war diese Entscheidung Balsam auf die gebeutelte Berner Seele. Doch damit ging eine Verpflichtung einher: Die Stadt musste auf eigene Kosten ein Bundeshaus zur Verfügung stellen. Bern baute zunächst das Bundeshaus West, in dessen Flügeln sich damals die beiden Parlamentskammern befanden. 1885 wurde schliesslich ein Wettbewerb lanciert, den Hans Wilhelm Auer gewann. Er verdoppelte das Bundeshaus scheinbar symmetrisch zur Ostseite hin, in der Mitte kam das neue Parlamentsgebäude zu stehen. Auer wagte es, das Gebäude in seinen Plänen mit einer Kuppel zu versehen, womit er die Jury überzeugen konnte. Das Bundeshaus West ist somit rund fünfzig Jahre älter als der Parlamentspalast, der 1902 fertiggestellt wurde.»

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Weltpostdenkmal Kleine Schanze

«Die Kleine Schanze war ursprünglich Teil der grossen Verteidigungsanlagen, die um 1630 errichtet wurden, um sich gegen die neue Waffentechnik der Kanonen zu schützen. Sie wurde im 19. Jahrhundert zu einem Park mit künstlichem Hügel, auf dessen Kuppe der Musikpavillon steht, umgestaltet. Das Weltpostdenkmal wurde zwischen 1902 und 1909 vom französischen Bildhauer René de Saint-Marceaux errichtet. Die Gründung des Weltpostvereins hatte zur Folge, dass die Menschen dank vereinheitlichter Standards weltweit Postsendungen aufgeben konnten. Mir gefällt das Denkmal persönlich sehr gut: Rings um eine Weltkugel halten sich die fünf Kontinente an den Händen und überreichen sich Briefe. Auf expliziten Wunsch der Stadt Bern musste Saint-Marceaux noch eine zusätzliche Figur einführen: Es handelt sich um Berna, die hier in den Felsen liegt und somit bernische Geburtshelferin für den Weltpostverein gespielt haben soll.»

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Innenhof Burgerspital

«Ein architektonisch bedeutender, öffentlich zugänglicher Ort, der dennoch vielen wenig bekannt sein dürfte. Das Burgerspital wurde nach langen Diskussionen in den 1730er-Jahren erstellt, nachdem endlich sein heutiger Platz direkt zwischen der barocken Schanzenanlage westlich und dem mittelalterlichen Christoffelturm auf der Ostseite gefunden werden konnte. Der zuständige Architekt hiess Joseph Abeille. Im Burgerspittel liessen sich nicht nur physisch, sondern auch psychisch kranke Menschen sowie Betagte behandeln. Heute steht das Generationenhaus 35 Menschen mit Pflegebedarf zur Verfügung, zudem sind verschiedene Institutionen eingemietet, die sich mit Jugendarbeit und Altersfragen auseinandersetzen.»

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Fricktreppe

«Sie stellt eine von mehreren Verbindungen von der Matte in die Altstadt dar. Solche Treppen waren ungemein wichtig, denn die Matte war seit jeher ein Gewerbegebiet, hier wurde produziert und Handel betrieben, viele Schiffe kamen hier an. Die Fricktreppe ist deshalb besonders hervorzuheben, weil sie ihre alte Substanz wie etwa die handgehobelten Balken bewahren konnte. Diese Verbindungen bargen aber auch gewisse Risiken, weil sie ein Einfallstor in die Oberstadt darstellten.»

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Gerechtigkeitsgasse und -brunnen

«Hier lässt sich der Geist des alten Berns erkennen. Einheit in der Vielfalt respektive Vielfalt in der Einheit: Bern wirkt insgesamt zwar äusserst kompakt, dennoch hat jedes Haus seine eigene Geschichte, insbesondere, was die Architektur anbetrifft. Manche Häuser sind reich ausgestaltet, mit viel Bauschmuck, mit vier oder noch mehr Fensterachsen – andere haben viel weniger oder gar keinen Bauschmuck. Und dennoch ist jedes Haus Teil dieser Gasse, alle haben gleich viele Stockwerke und den Dachrand am gleichen Ort. Patrizier wie Handwerker sind gleichberechtigt, was den republikanischen Geist des alten Berns sehr schön darstellt.»

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Zytglogge-Turm

«Er ist das älteste Hauptstadttor Berns. Die Stadt ist bereits von Anfang an bis hierher geplant und gebaut worden. Sie wuchs kurze Zeit später in zwei Schritten bis zum heutigen Bahnhof und zwar auf jenem Grundriss, der noch heute erkennbar ist: entlang der parallelen Gassen, die sich immer von Ost nach West ziehen. Klar ersichtlich ist, dass an den Gassen stets die grossen Häuser errichtet wurden, dazwischen liegen die Innen- oder Hinterhöfe. Die Hofbereiche waren damals grösser, man hielt sich hier Schweine und Hühner oder sie wurden gewerblich genutzt. Nach dem grossen Stadtbrand 1405 schrieb die Regierung vor, dass die neuen Fassaden aus Sandstein erstellt und die Dächer mit Ziegel eingedeckt werden mussten. In dieser Zeit entstanden auch die Lauben; die alten Fassaden befanden sich vor dem Stadtbrand auf Höhe der heutigen Schaufenster. Die Unesco ernannte Bern also nicht zuletzt deshalb zum Welterbe, weil die Stadt trotz stetiger Transformation ihren mittelalterlichen Grundriss bewahrt hat. Die intakte Dachlandschaft existiert übrigens auch dank der Berner Denkmalpflege, die bei Umbauten stets ihren Erhalt im Auge hat.»

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