Ostern, oder eben: Zeit für Eier. Doch woher kommen sie eigentlich? Zum Beispiel von Erika Bigler, die zusammen mit ihren Eltern auch Milch und Honig produziert.
Er stürmt sofort zur Tür raus, beschnuppert die beiden Gäste etwas ungestüm, bevor er zu einem lauten Gähnen ansetzt und sich hinlegt. «Keine Angst, er hat schon gegessen», flachst Erika Bigler. Er, das ist Jano, ein ausgewachsener Berner Sennenhund mit eindrücklichen 50 Kilo auf den Rippen. Willkommen in 3019 Matzenried. Die 29-jährige, eher grossgewachsene Frau kümmert sich derzeit alleine um das Landgut, ihre Eltern sind in den Ferien. Die Umgebung – ein beschauliches Fleckchen Erde. Mitten auf dem Land, viel weiter vom Bundeshaus entfernt als Ittigen oder Köniz, aber noch auf Stadtgebiet gelegen. Hier sagen sich Fuchs, Hase und wohl auch einige Igel gute Nacht.
Der Gockel-Bachelor – einer für alle
Mehrere Milchkühe gehören zum Gut, Bienen für die eigene Honigproduktion – und fast 100 Hühner. Deren Stall sieht so aus, wie man sich einen solchen Bau eben vorstellt. Und er riecht auch so. Wildes Geflatter, als wir, mit Schutzfolien an unsere Schuhe gepappt, eintreten. Nur einer bleibt, zumindest äusserlich, cool: der Hahn, der einzige hier. Ein Herrenleben. Der Gockel-Bachelor, der alle gleichbehandelt. Hier fliegt niemand raus. Er beschützt die Weibchen, die pro Tag etwa ein Ei legen. Rund 65 verkaufsfähige Eier werden so produziert, macht etwa 1800 pro Monat. «Wir beliefern keine Grossverteiler, sondern betreiben nur Direktverkauf», erklärt Bigler. Am Tag halten sich die Hühner häufig im Freien auf – nachts geht es rein. Die Gefahr, dass sich Herr Reineke sonst ein Tier holt, ist zu gross. Der Aussenbereich: riesig. Dennoch handelt es sich hier nicht um einen Biobetrieb. Dazu müssten Biglers unter anderem Futtermittel aus biologischem Anbau verteilen, statt brauner Erde würde ein begrünter Boden verlangt. Muss nicht sein. Doch diesen Hühnern geht es auch so gut. Das beweist allein die Nachfrage: «Wir haben Kunden, die quer durch die Stadt fahren, weil sie Eier von unserem Hof möchten. Sie sagen, diese hier seien die besten. Ob man bei einer Blinddegustation allerdings den Unterschied merken würde, weiss ich allerdings nicht.» Bigler muss lachen.
«Jedem wird genau auf die Finger geschaut»
Höfe in dieser Dimension existieren auf Stadtberner Boden nicht mehr allzu viele. Dass immer mehr Landwirte hinschmeissen, überrascht die studierte Agronomin, die beim Aviforum, einer Stiftung zur Förderung der Schweizerischen Geflügelproduktion in Zollikofen, Teilzeit unterrichtet, kaum. «Alles ist viel komplexer geworden, jedem wird genau auf die Finger geschaut.» Bis ins Detail müssen Biglers dokumentieren, wann die Kühe Freigang haben, beim Pflanzenbau werden Düngung, Ernte etc. von den zuständigen Behörden exakt kontrolliert. Durch die Technik mag die körperliche Anstrengung abgenommen haben, dafür wurde der Druck stetig grösser. «Vielen Menschen ist das Essen zu teuer, deswegen kaufen sie im Ausland ein. Dabei gibt doch prozentual pro Kopf fast niemand so wenig für Lebensmittel aus wie wir in der Schweiz», sagt Bigler. Für sie oder ihre Eltern kommt Aufhören indes nicht infrage. Die junge Frau hat den Betrieb bereits seit längerem offiziell übernommen – sowieso sei die Nachfrage nach frischen Eiern vom Hof in den letzten Jahren tendenziell gestiegen. «Wir sind mit unserer Kundschaft gewachsen, früher besassen wir weniger Hühner.»
Vegane Konkurrenz? Nicht doch!
Der vegane Lebensstil als Konkurrenz? In Matzenried jedenfalls hat er sich noch nicht bemerkbar gemacht. Das Geschäft läuft. «Solche Trends beeinflussen uns kaum. Tierschützer andererseits beschäftigen sich tendenziell eher mit Grosskonzernen.» Und jetzt also Ostern. Am Karfreitag wird bei Biglers gefärbt – mit den eigenen Eiern selbstverständlich. Die Mutter sammelt Kräuter, die Grossmutter schaut vorbei, die Muster entstehen ganz traditionell im Zwiebelsud. Dann wird getütscht. Wir sitzen in der Küche des Hauses, das etwa Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut wurde. Holzkochherd, selbstgemachter Most steht auf dem Tisch. Unser Besuch neigt sich dem Ende zu. Diese Frage muss noch sein: «Essen Sie eigentlich mehr Eier als andere?» Antwort: «Mehr als der Durchschnitt wahrscheinlich. Zum Beispiel Spiegel- und Rühreier. Dreiminuteneier mag ich überhaupt nicht.» Jano schläft unter dem Tisch und schnarcht. 3019 Matzenried gab es früher noch viel öfter.
Yves Schott