Ii Vg 9141opt

Ein Integrationsproblem hat sie nur beim Käsefondue

Seit August 2016 leitet die Bayerin Nina Zimmer das Berner Kunstmuseum sowie das Zentrum Paul Klee und ist damit als erste Direktorin verantwortlich für beide Museen. Wir treffen die Frohnatur im Zentrum Paul Klee (ZPK).

Was ist Kunst und was bedeutet sie für Sie?
Etwas, dem wir die symbolische Kraft von Kunst beimessen. In herausragenden Kunstwerken verdichtet sich viel mehr als ein künstlerischer Ausdruck, sondern es wird eine ganze Zeit eingefangen, stellvertretend für die Auseinandersetzung mit einem Thema, mit einer Epoche, einer Haltung. Solche Kunstwerke können deshalb über Generationen, Menschen und Länder hinweg kommunizieren und vermögen zu begeistern, zu bewegen. Diese grosse Kraft von Kunstwerken ist es, die mich motiviert, mit Kunst zu arbeiten.

Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?
Die schier unendliche Vielseitigkeit. Ich komme gerade zurück aus Jerusalem, wo wir die Gurlitt-Ausstellung eröffnen durften, das sind einmalige Erlebnisse. Da fühle ich mich schon privilegiert, dass ich an solchen Momenten teilhaben darf.

Sie waren elf Jahre am Kunstmuseum in Basel und sind seit drei Jahren in Bern. Sehen Sie einen Unterschied in der Mentalität der Besuchenden?
Als ich in Basel begann, wollte ich als Ausländerin Basel verstehen und dachte: «So ist die Schweiz!» In Bern merkte ich dann, dass ich bloss Basel verstanden hatte. Basel ist ein Stadtkanton, während Bern ein grosser Landkanton ist, das sind schon mal fundamentale Unterschiede. Diese prägen auch die Mentalität. Die Zweisprachigkeit im Kanton Bern ist zudem ein wichtiges Element für unsere Arbeit im Museum. Die Stadtbasler identifizieren sich sehr stark mit der öffentlichen Kunstsammlung ihrer Stadt. Das ist in Bern weniger der Fall. Wenn ich in Gesprächen mit Bernern sage, wo ich arbeite, antwortet man mir nicht selten: «Das Zentrum Paul Klee, das kenne ich gut, da fahre ich immer dran vorbei!» Deshalb sehe ich es als meine Aufgabe, dass möglichst jedermann im Kanton Bern eine Ahnung von unseren beiden Häusern hat. Da gibts noch Luft nach oben…

Bei Ihrem Amtsantritt 2016 wurden Sie gefragt, wo Sie Ihr Büro haben werden. Sie waren sich damals noch nicht ganz sicher. Haben Sie Ihr Büro nun gefunden?
Ja, ich habe in beiden Häusern ein Büro und wechsle täglich, und zwar in der Absicht, mit beiden Teams einen Alltag zu verbringen. Donnerstags bin ich immer im Zentrum Paul Klee, deshalb treffen wir uns heute hier.

Kunsthistorikern, die ein Museum leiten, wird oft nachgesagt, dass sie zwar eifrig forschten, aber nicht «verkaufen» könnten, das Marketing aussen vor liessen. Wie haben Sies damit?
Ich war vor meinem Berner Engagement Vizedirektorin des Kunstmuseums Basel. Ich war also mit Themen wie Administration, Finanzen, Change-Management, Neubau-Projekte, Personalführung und Marketing schon sehr vertraut. Wenn Kunsthistoriker Museumsdirektoren werden, besteht tatsächlich die Gefahr, dass sie nicht loslassen, sich nicht von der Forschung trennen können. Wir haben uns im Stiftungsrat geeinigt, dass ich eine Ausstellung pro Jahr kuratieren darf. Wenn ich eine Ausstellung selber umsetze, lerne ich sehr viel, sehe, wo bei den Abläufen noch etwas zu optimieren ist, wo wir Ressourcenmängel haben. Die eigenen Ausstellungen sind auch immer Testfälle. Letztlich geht es doch darum, die inhaltlichen Programme zu den Menschen zu bringen und sie zum Museumsbesuch zu motivieren, zu «verkaufen», wie Sie sagen. Deshalb gibt es uns, wir wollen Freude bereiten können, die Leute sollen mit einem Lächeln im Gesicht unsere Museen verlassen! Marketing erachte ich als zentrale Aufgabe.

Sie sind die erste Direktorin, die für beide Häuser – Kunstmuseum und Zentrum Paul Klee – zuständig ist. Eine erste Bilanz nach drei Jahren?
Wir haben durch diese Zusammenführung der beiden Häuser grosse Chancen, auf dem Kunstplatz Bern, national und international gestärkt aufzutreten. Wir können ganz anders verhandeln. Zum Beispiel bei Versicherungsverträgen: Wo gibt es beispielsweise Synergie-Potenzial? Wir können inhaltlich, aber auch finanziell viel erreichen für die Kunst in Bern. Gewiss, es ist auch anspruchsvoll, mit zwei unterschiedlichen Teams in zwei unterschiedlichen Institutionen an zwei Standorten zu arbeiten. Da sind wir immer noch am Evaluieren, ob wir überall die richtigen organisatorischen Lösungen haben. Durch die ähnlichen Arbeitsbiografien der Mitarbeitenden sind wir aber schon sehr weit miteinander verbunden, denn so völlig verschieden sind die Mitarbeitenden der beiden Museen denn auch wieder nicht!

Wie viel Freiraum haben Sie als Direktorin?
Ich habe die inhaltliche Gestaltungsfreiheit für beide Häuser. Das ist eine wichtige, notwendige und mich stärkende Vereinbarung, die von der Dachstiftung sehr klug konstruiert worden ist. Nur wenn ich die Inhalte mit meinen Teams gestalten und umsetzen kann, kann ich die beiden Museen kraftvoll in die Zukunft führen.

Was ist in Ihrer Funktion zurzeit die grösste Herausforderung?
Die bauliche Zukunft des Kunstmuseums auf die Schiene zu bringen.

Wissen Sie alles?
(lacht) Wie ich ja gezeigt habe, am Ende doch nicht!

Wie kam es zu Ihrer Teilnahme an dieser Quizshow?
Die Casting-Agentur war auf der Suche nach einer Schweizer Museumsdirektorin. Mich haben dann die hohe Einschaltquote der Sendung und die Ausstrahlung in drei Ländern überzeugt. Den Einspieler von eineinhalb Minuten durften wir selber mitgestalten. So erhielt das Kunstmuseum und das ZPK eine einmalige Werbeplattform. Es hat übrigens Spass gemacht!

Wie war die Resonanz nach der Sendung?
Überraschend gross. Eine Weile wurde ich auf Schritt und Tritt darauf angesprochen; jetzt ist der «Hype» allmählich am Abklingen.

Wie fühlen Sie sich in Bern?
Ich wohne in der wunderschönen Berner Altstadt und habe die Aare praktisch vor der Haustür. Ich wandere und schwimme sehr gern. Ich bin berühmt und berüchtigt, dass ich eine kleine Pause für einen spontanen Sprung in die Aare nutze. Ich habe meine Wander- und Skigebiete angepasst und schaue, was von Bern aus erreichbar ist. Allerdings fürchte ich mich etwas vor der kommenden Fondue-Saison. Ich mag zwar Käse, aber nur, wenn er nicht geschmolzen ist! Beim Fondue habe ich ein Integrationsproblem, aber sonst bin ich rundum zufrieden.

Peter Widmer

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge