Privat mögen sie sich gut. Ideologisch ticken Erich Hess und Aline Trede hingegen komplett anders. Der Bärnerbär hat die beiden zu einer politischen Konfettischlacht geladen.
Erich Hess, zum Einstieg eine zugegeben etwas ketzerische Frage: Der Zibelemärit ist ein Volksfest, bei dem sich Menschen unterschiedlichster Herkunft treffen. Stört Sie das?
Glücklicherweise mögen andere Kulturen nicht so früh aufstehen – deswegen habe ich am Montagmorgen fast nur Schweizer in der Stadt gesehen.
Ist das so?
Ja, ich habe extra darauf geachtet.
Mag sein. Grundsätzlich kommen aber an diesem Anlass Leute verschiedenster Ethnie und Religion zusammen, die friedlich feiern.
Am wohlsten fühle ich mich an Schwingfesten, dort hat es kaum Ausländer!
Deswegen mögen Sie Schwingfeste so gerne? Weil es fast keine Fremde hat?
Nein, sicher nicht. Wegen der Stimmung (lacht).
Aline Trede, auch an Sie eine ketzerische Frage: Der Zibelemärit ist ein Ort des Konsums und des Kapitalismus. Das müssten Sie als Grüne doch kritisieren.
Ist das alles so kommerziell? Es wird halt Alkohol verkauft, und da bin ich sicher nicht dagegen (lacht). Im Ernst: In der Stadt wird viel zu selten gefestet und der November ist ja ein eher trister Monat. Ich habe übrigens vorhin ein paar Teenies getroffen und dachte kurz, dass ich schon froh bin, mir das nicht mehr antun und einen Mann suchen zu müssen.
Macht man das, am Zibelemärit auf Brautschau gehen?
Hess: Ich hatte bis vor ein paar Jahren nie Zeit, an den Zibelemärit zu gehen, da ich jeweils arbeiten musste. Zum ersten Mal war ich wohl vor vier Jahren da.
Trede: Einige nehmen ja absichtlich frei. Und diejenigen, die ich getroffen habe, waren doch einigermassen dicht, obwohl erst Mittag ist. Fast wie heute im Parlament (lacht).
Was mögen Sie am Zibelemärit eigentlich besonders, Frau Trede?
Die Geschichte mit den Zwiebelzöpfen ist doch etwas Schönes. Die haben wir stets unseren Verwandten im Ausland geschickt. Und dann natürlich die Konfettis, auch wenn sie unökologisch sind (lacht).
Ein guter Punkt! Und wahrscheinlich stammen auch nicht alle Zwiebeln in den Kuchen sowie der Rahm aus Bioproduktion.
Trede: Nein, aber daran arbeiten wir. Irgendwann wird der gesamte Zibelemärit Bio sein!
Herr Hess, wenn Sie das hören, stehen Ihnen doch Ihre sowieso schon aufgestellten Haare zu Berge.
Das ist der Vorteil meiner Politik. Ich kann leben, wie es mir passt und muss mich wegen meiner Ideologie nicht einschränken lassen. Abgesehen davon soll dem Konsumenten freigestellt sein, was er kaufen will: Bio-Zwiebeln oder die konventionellen.
Trede: Ich habe dafür den Stress nicht, mich achten zu müssen, ob es am frühen Morgen weniger Ausländer in den Gassen hat.
Zurück zu den unökologischen Konfettis: Das ist typisch grün, Aline Trede, Sie sind schlicht nicht in allen Bereichen wirklich konsequent.
Ich bin so konsequent, wie ich das von allen anderen ebenfalls erwarte. Kurz gesagt: Dieses Spassbefreite entspricht mir nicht so.
Zynisch bemerkt: Dann sind Sie in der falschen Partei! Der deutsche Satiriker Dieter Nuhr findet, die Linken seien sowieso die neuen konservativen Spiessbürger unserer Zeit.
Hess: Das war doch schon immer so! Aline, du warst sicherlich mal an einem unserer Fraktionsabende. Vergleiche den mal mit einem der eurigen.
Trede: Es ist schon viel besser als früher (lacht laut). Unsere Nationalratsfraktion ist top!
Hess: Aber immer noch kein Vergleich zur SVP!
Trede: Es gibt auch in der SVP solche, die überhaupt nicht lustig sind. Abgesehen davon seid ihr im Nationalrat einfach viel mehr: Die Chance, bei der SVP jemanden zu finden, der gut drauf ist, ist statistisch gesehen viel grösser! Deswegen stimmt das bei uns proportional ganz gut.
Hess: Einer griesgrämiger als der andere.
Werden Sie beide an einem Tag wie diesem eigentlich häufig erkannt und angesprochen?
Hess: Vom Schweizerhof bis ins Rathaus hatte ich über eine Stunde.
Trede: Manche wissen, wer ich bin, sagen aber nichts andere sprechen mich direkt an. Insbesondere jetzt, wenn so viele Leute in der Stadt sind, klar.
Erich Hess, Sie müssen sich sicher noch häufiger dumme Sprüche anhören als sonst.
Ich habe wohl gezielter Konfettis abbekommen als andere, das stimmt, macht mir aber nichts aus.
Es wurde gesagt, dass in Bern generell zu wenig gefeiert wird. Ist der Zibelemärit nicht eine Art Vorbild für die Politik, dass es wunderbar miteinander funktionieren kann, selbst wenn man völlig unterschiedliche Weltanschauungen hat?
Hess: Wir zwei können das gut: einander politisch auf den «Gring» geben und dann zusammen ein Bier trinken. Kein Problem.
Das können aber nicht alle.
Trede: Es hat auch mit dem Charakter zu tun.
Wer verträgt sich denn im Bundeshaus überhaupt nicht, politisch wie persönlich?
Hess: Ich bin mir sicher: Ein paar Emanzen hassen mich aufs Blut.
«Emanzen», schwieriges Wort. Wäre «emanzipierte Frau» nicht der bessere Ausdruck? Und meinen Sie damit eine überdrehte Feministin?
Männer und Frauen sind heute gleichberechtigt, deswegen braucht es Feministinnen gar nicht mehr. Diese sind vor dreissig Jahren irgendwo stehengeblieben.
Sind Sie keine Feministin, Aline Trede?
Doch, klar.
Dann sind Sie also eine übersteigerte, überdrehte Frau?
Trede: Überhaupt nicht. Das hätte Erich gerne, das macht es für ihn einfacher, dann kann er in Schubladen denken.
Hess: Wir von der SVP haben eine viel zu offene Haltung, da passt dieser Vorwurf des Schubladendenkens gar nicht rein (lacht).
Themawechsel. Wem würden Sie gerne mal Konfettis anwerfen respektive mit dem Hämmerli eins auf den Kopf hauen?
Hess: Dafür gibt es gar nicht genug Konfettis (lacht laut).
Trede: Jemandem, der sonst nie aus sich rauskommt…Simonetta Sommaruga. Es wäre aber mehr im Sinne von: Komm, lass uns tanzen gehen.
Ist sie eine eher, sagen wir mal, besonnene Person?
Trede: Sie hat natürlich eine entsprechende Position inne.
Hess: Komm jetzt, sie war doch früher nicht anders (lacht). Man sieht es ihr ja auch ein bisschen an.
Yves Schott