Bernmobil-Direktor René Schmied erklärt, wieso es in Bern nie eine U-Bahn geben wird, warum zivile Kontrollen abgeschafft wurden und was er von Gratis-ÖV hält.
René Schmied, die meisten Corona-Massnahmen sind aufgehoben. Läuft Bernmobil wieder auf Normalbetrieb?
Etwa die Hälfte der Angestellten ist zurück im Büro. In der Technik waren unsere Leute sowieso stets vor Ort, der Fahrplan wurde kaum je ausgedünnt. Was die Fahrgäste anbetrifft, verzeichneten wir «Börsenzahlen» volatiler als beim Bitcoin: Im ersten Lockdown sank die Belegung auf 30 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum im Jahr zuvor. Momentan liegt der Tagesdurchschnitt bei rund 75 Prozent.
Auf Anfang April soll auch im öffentlichen Verkehr die Maskenpflicht fallen. Dürfen die Leute im Bus oder im Tram endlich wieder ganz vorne sitzen?
Solche Entscheidungen fällt unser interner Pandemiestab. Wenn alle Massnahmen aufgehoben werden, ziehen wir nach und damit fällt das Band, das die erste Reihe freihält.
Wie lautet Ihr Corona-Fazit als Direktor von Bernmobil?
Die Erträge gingen massiv zurück, weil die Bevölkerung den ÖV deutlich seltener in Anspruch nahm. Wir hatten andererseits das grosse Glück, auf die Unterstützung der nationalen und kantonalen Politik zählen zu dürfen. Wirtschaftlich wie menschlich eine äusserst anspruchsvolle Zeit.
Und nun überwiegt aber die Zuversicht?
Natürlich, obwohl man wissen muss: Unsere finanziellen Reserven sind weg. Natürlich hoffen wir einerseits, uns bezüglich Fahrgastzahlen bald auf altem Niveau zu befinden. Ein paar Restprozente werden wir wohl hingegen nicht mehr zurückholen können, da viele schlicht im Homeoffice bleiben und weniger unterwegs sind. Andererseits dürften wir aufgrund der steigenden Mobilität und des Bevölkerungswachstums künftig weiter wachsen.
Wenn Sie finanziell auf dem Zahnfleisch gehen, dürften die Ticketpreise bald ansteigen.
Das ist kein Thema. Bernmobil hat abgesehen davon keine Kompetenz, darüber zu befinden, das wird auf nationaler Ebene entschieden.
Sollten die Billette dennoch dereinst teurer werden, nimmt gleichzeitig die Zahl der Schwarzfahrer zu. Eine richtige Folgerung?
Generell sind Schwarzfahrer bei uns kein allzu grosses Thema. Zudem kontrollieren wir in grossem Stil: Bis zu 25 Kontrolldienstmitarbeitende sind täglich während 21 Betriebsstunden auf dem Bernmobilnetz unterwegs. Mit den Kontrollen möchten wir vor allem jenen, die ein Ticket oder ein Abo besitzen, zeigen, dass sie es nicht umsonst gelöst haben.
Vor einigen Jahren wurden Ticketkontrollen häufig anonym durchgeführt. Heute nicht mehr. Gleich verhält es sich bei den Grosskontrollen.
Grosskontrollen waren eine sehr effiziente Methode, ja. Von dieser Form sind wir abgekommen, da wir die Menschen nicht «jagen» möchten. Kontrollen in Zivil führen wir ebenfalls keine mehr durch.
Benedikt Weibel sagte im Bärnerbär letzten September, dass der öffentliche Verkehr etwas kosten müsse. Was sagen sie jenen, die sich für Gratis-ÖV einsetzen?
Ich verstehe die Überlegung, Menschen möglichst vom Individualverkehr hin zum ÖV zu bringen. Andererseits würde uns ein Gratisangebot schlicht überfordern: Die Nachfrage würde explodieren, wir müssten sowohl das Angebot als auch die Fahrzeugflotte ausbauen und den Takt weiter verdichten. Das würde Millionen kosten und uns vor schwierige betriebliche Herausforderungen stellen.
Hinter Ihnen hängt ein BernmobilWerbeplakat mit dem Titel: «Du bisch z spät dranne, mir gäbe dr e Usred.» Wie pünktlich verkehren Ihre Busse und Trams?
Ich schaue ab und zu neidisch zu den Bahnen, die auf einem Eigentrasse ohne weitere Verkehrsteilnehmer fahren. (lacht) Wir werden oft von Faktoren gestört, die wir kaum beeinflussen können, Baustellen oder Stau etwa. In Randzeiten erreichen wir eine Pünktlichkeit von bis zu 95 Prozent. In Spitzenzeiten ist ein solcher Wert unmöglich. Wichtiger ist hier die Regelmässigkeit: so dass das nächste Fahrzeug in Kürze an der Haltestelle einfährt – ob es sich an den Fahrplan hält, spielt hier eine untergeordnete Rolle.
Stau führt zu Verzögerungen – und auch die Stadt Bern dürfte sie womöglich ausbremsen. Sie möchte die Zahl der Tempo-30-Zonen deutlich erhöhen. Dauert eine Busfahrt in die Elfenau bald zehn Minuten länger?
In der Innenstadt fahren wir sowieso nie schneller als 30 Stundenkilometer, in Spital- und Marktgasse sogar noch langsamer. Auf jenen Strecken, auf denen Tempo 50 teilweise möglich ist, dürfte es tatsächlich zu einer kleinen Verlängerung der Fahrdauer kommen. Wir prüfen nun zusammen mit der Stadt Bern, welche Auswirkungen das auf Bus und Tram haben wird.
Hängt bei Ihnen im Betrieb eigentlich irgendwo eine Karte mit neuralgischen Punkten, wo es besonders gefährlich ist?
Tatsächlich existiert eine solche Karte. Der Raum Hirschengraben bis und mit Zytglogge-Kreuzung ist verkehrstechnisch ein Hotspot. Interessanterweise passieren dort am wenigsten Unfälle, da sowohl unsere Fahrdienstangestellten wie auch Passantinnen und Passanten sensibilisiert sind. Bei Orten mit schweren Unfällen wie etwa beim Kocherpark, wo sich schwere Unfälle ereigneten, ergreifen wir zusammen mit den Strasseneigentümern jeweils rasch Massnahmen.
Generell fahren gerade Berner Trams jedoch schon enorm langsam – in Städten wie Wien oder Berlin sind sie erkennbar zügiger unterwegs.
Ich habe vor zwanzig Jahren in Amsterdam gearbeitet und mag mich gut erinnern, wie dort die Trams am Bahnhofplatz wendeten. Ich war damals überzeugt, dass diese über kurz oder lang neben den Schienen stehen müssten. (lacht) Im Ernst: Das Tempo hat einen Einfluss auf den Fahrkomfort für die Leute. Andererseits belasten wir mit höheren Tempi die Infrastruktur: Starkes Beschleunigen und abruptes Bremsen führt zu stärkerer Abnutzung.
Apropos: Wie umweltfreundlich ist eigentlich Bernmobil?
Unsere Emissions-Kurven zeigen in die richtige Richtung. In zwei bis drei Jahren dürfte auf der Linie 10 nach Schliern ein Doppelgelenk-Trolleybus fahren, das heisst partiell mit einer Stromoberleitung sowie mit Batterie. Das Tram nach Ostermundigen wird ebenfalls viel CO2 einsparen. Auf der Linie 17 fahren in einem Testbetrieb bereits Busse, die komplett batteriebetrieben sind. Ab 2035 wird unsere ganze Flotte vollelektrisch sein.
Und heute?
Heute werden bereits über 70 Prozent der Fahrgäste rein elektrisch und damit umweltfreundlich befördert.
Träumen Sie als Bernmobil Direktor grundsätzlich von einer Metro?
(Lacht) Metros sind ein Gefäss für Grossstädte. Dafür ist Bern schlicht zu klein. Solche Fantasien gab es, ja doch stellen Sie sich vor: all die Aufgänge und behindertengerechten Rolltreppen am Zytglogge! In einem Unesco-Welterbe wie Bern aus meiner Sicht unvorstellbar.
Zwei kurze Fragen zum Schluss: Wieso ist es in den Trams und Bussen manchmal so kalt?
Zu diesem Thema erhalten wir öfters Rückmeldungen. Das Temperaturempfinden der Leute ist sehr unterschiedlich. Wir hoffen, dass unsere Gäste dem Klima entsprechend angezogen sind und wir eine Temperatur finden, bei der sich die meisten wohlfühlen. Abgesehen davon lässt sich mit ein oder zwei Grad weniger in einem Fahrzeug massiv Energie sparen. Und die Zeiten, in denen die Temperatur noch «von Hand» eingestellt werden konnte, sind vorbei. Mittlerweile wird sie vollautomatisch reguliert.
Früher begrüssten Chauffeusen und Chauffeure die Fahrgäste per Lautsprecher. Wieso passiert das heute nicht mehr?
Wir verlangen von unseren Mitarbeitenden nicht, die Leute an jeder Haltestelle zu begrüssen, legen ihnen aber ans Herz, es gelegentlich zu tun. Das machen sie auch immer mal wieder, was übrigens sehr gut ankommt.
Yves Schott