Baererbaer Barbara Geiser 3467

«Für das Feuer­werksverbot haben wir kräftig lobbyiert»

Leistpräsidentin Barbara Geiser ist mit Leib und Seele Bewohnerin der Unteren Altstadt. Mit Begeisterung und Beharrlichkeit setzt sie sich mit ihrem Vorstand für eine lebendige Altstadt ein. Dass keine Raketen mehr steigen dürfen, findet sie richtig.

Sie sind seit 2017 Präsidentin des Leists der Untern Stadt Bern. Was reizt Sie an dieser Aufgabe?
Es ist die Nähe zu den konkreten Problemen, die sich in einem Quartier bieten. Reizvoll ist auch der unkomplizierte, direkte und regelmässige Kontakt zu den Stadtbehörden. Im Vorstand suchte man eine junge Frau. Mit Jahrgang 1948 kann ich allerdings nur ein Kriterium erfüllen! Wir sind zurzeit bloss zwei Frauen im siebenköpfigen Vorstand. Es ist nicht ein beliebtes Amt, um das man sich reisst, denn es ist aufwändig.

Welche Anliegen Ihrer Mitglieder konnten Sie durchsetzen?
Ich denke spontan an zwei: Das Feuerwerkreglement, welches zum Schutz der Altstadt ein Feuerwerksverbot beinhaltet. 2015 hatte der Stadtrat das Geschäft abgelehnt. Es gab Leute, die uns Festfeindlichkeit vorwarfen. Da wurde unser Leist sehr aktiv und hat kräftig bei Stadträtinnen und Stadträten lobbyiert. Wir lancierten eine Sensibilisierungskampagne mit einer Petition, die uns vorwärtsbrachte. 2021 genehmigte das Stadtparlament mit grosser Mehrheit das Reglement. Ein anderes gewichtiges Beispiel ist der UNESCO-Managementplan. Die Berner Altstadt ist seit 1983 in der Liste der Weltkulturgüter der UNESCO eingetragen. Dafür muss die Denkmalpflege einen Managementplan erstellen, der Voraussetzung zur Sicherung des UNESCO-Labels ist. Der Plan liefert die heute fehlende Grundlage zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der Altstadt und tangiert alle fünf Direktionen der Stadtverwaltung. Aber der Plan ist kein Nullsummenspiel und bei der derzeitigen finanziellen Situation der Stadt herrschte diesbezüglich Zurückhaltung in der Regierung. Da hat unser Leist kurzfristig ein Schreiben an alle Stadträtinnen und Stadträte verschickt und auf die Dringlichkeit und Notwendigkeit dieses Planes hingewiesen. Das Parlament liess sich überzeugen und befürwortete das Vorhaben.

Wo hats noch Baustellen?
Wir setzen uns aus aktuellem Anlass ernsthaft mit dem Heizen in der Altstadt auseinander. Die Denkmalpflege verbietet beispielsweise die Sonnenenergie in der Altstadt. Aber ich denke, dass hinter den Fassaden weit grössere Sünden zum Vorschein kämen als Sonnenkollektoren. Wir scheuen uns nicht, dieses heisse Thema im November an einer Veranstaltung anzupacken. Eine weitere Baustelle, die zwar beschlossen, aber noch nicht umgesetzt ist, ist die neue Parkordnung. Es geht darum, dass private Parkkarten nur noch für das Rathaus-Parking ausgestellt werden, so entsteht an der Oberfläche Platz und Flexibilität für Gewerbetreibende für Anlieferungen und Dienstleistungen. Die Umsetzung der Kompromisslösung wäre nach dem Willen des Stadtrates für den Frühling 2023 vorgesehen, aber es gibt noch einige hängige Beschwerden von Anwohnenden.

Ihr Leist zählt rund 25 Restaurants und Bars. Lärmklagen von Anwohnenden häufen sich. Ein Restaurant in der Münstergasse musste kapitulieren. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?
Meine Wahrnehmung ist durchaus positiv, die meisten Leute, die hier leben, wünschen eine lebendige Altstadt. Klagen sind partikular, bei Konflikten liegen echte Kommunikationsstörungen zugrunde. Die Wirtinnen und Wirte in unserem Leistgebiet machen einen tollen Job. Konfliktpotenzial bot während der Pandemie die freie Szene, als sich die Jugend lautstark im Freien aufhielt, weil die Restaurants geschlossen waren. Aber im Grossen und Ganzen sind Lärmklagen kein virulentes Problem.

Dem städtischen Kinosterben ist auch das Kino Capitol an der Kramgasse zum Opfer gefallen. Heute beherbergt das Gebäude Luxuswohnungen. Ist die Untere Altstadt nur noch für Betuchte bewohnbar?
Ich stelle beides fest. Klar, es gibt Luxussanierungen wie überall. Bei vielen Altstadthäusern wurde halt jahrzehntelang nichts gemacht. Dann gibt es einen Investitionsstau und der grösste Teil der Kosten geht in die Sanierung von Leitungen und in zeitgemässe Einrichtungen. Erst am Schluss entsteht das, was wir Mietende als schön erleben. Beim Capitol ist die Rückführung in die ursprüngliche Substanz meines Erachtens brillant gelungen, aber teuer! Ein noch grösseres Problem sind nach meiner Auffassung die fehlenden Möglichkeiten, Lebensmittel in der Unteren Altstadt einzukaufen. Früher hatten wir mehrere Metzgereien und Bäckereien. Es ist heute kaum mehr machbar, einen Laden zu führen, ohne dass er in einer Handelskette eingebunden ist. Glücklicherweise haben wir in der Münstergasse noch den Samstags-Märit.

Die drohende Energiekrise zwingt zum Stromsparen. Werden wir dieses Jahr auf die Adventsbeleuchtung mit den Tannenbäumen an den Fenstern der Unteren Altstadt verzichten müssen?
Nach meinem letzten Wissensstand gibts eine Weihnachtsbeleuchtung, doch nur noch bis 22 Uhr. Aber bei diesem Thema ist unser Leist nicht mehr so aktiv. Die Weihnachtsbeleuchtung liegt nun in der Kompetenz der Stadt, nachdem wir erreichen konnten, dass die Stadt die ganze Finanzierung übernimmt, weil es ja auch ihre Aufgabe ist. Das ist für unseren kleinen Verein eine grosse finanzielle Entlastung.

Sie wohnen seit bald 50 Jahren selber in der Altstadt. Wie hat sich das Umfeld verändert?
Ganz zentral ist sicher die Aussenbestuhlung der Restaurants. Das belebt die Gassen. Auch das Rauchverbot hat seine Wirkung, die Leute treffen sich draussen. Die Postgasse hat sich in den letzten Jahren klar verjüngt, obwohl die Wohnsituation für Familien mit Kleinkindern wegen des Verkehrs nicht ganz ideal ist. Auch stellen die Anwohnenden an der Postgasse vermehrt Tische mit Pflanzen nach draussen, was der Gasse eine persönliche Note verleiht – und niemand beschwert sich!

Peter Widmer

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge