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«Gerade auf der Zieglerstrasse staut es häufig»

Er gilt als glühender Velo-Fan. Ein Autofeind sei er zwar nicht, sagt Berns Verkehrsplaner Karl Vogel. Wieso der 51-Jährige PWs dennoch möglichst aus der Stadt raushaben will.

Wie sind Sie heute zur Arbeit gekommen?
Grundsätzlich bin ich mit dem Velo, zu Fuss und mit dem Tram unterwegs. Ab und zu auch mit dem Zug.

Und die Bernerinnen und Berner?
Bezogen auf das Hauptverkehrs-mittel, das benutzt wird, lauten die Zahlen so: 22 Prozent kommen mit dem Auto, 32 mit dem öffentlichen Verkehr, 15 mit dem Velo und 30 Prozent zu Fuss. Die Daten stammen aus dem Jahr 2015, die Erhebung wird alle fünf Jahre durchgeführt.

Mehr als ein Fünftel benutzt also das Auto. Ein Wert, der Sie als Velofan beunruhigt?
Entscheidend ist, genügend Raum für ÖV und Velos zu haben. Stichwort: flächeneffiziente Mobilität. Bei gewissen Projekten geht das dann zulasten des motorisierten Individualverkehrs. Das entspricht auch den Vorgaben, die uns der Stadtrat und der Gemeinderat seit langem geben.

Wie sieht der Vergleich zu 2010 aus?
Der Autoanteil ist gleichgeblieben, daneben stellen wir eine leichte Stei-gerung beim ÖV fest und eine signi-fikante beim Veloverkehr von 11 auf 15 Prozent.

Was sind die Gründe dafür?
Ein gutes Angebot führt zu einer stärkeren Nachfrage. In vielen europäischen Städten ist ausserdem ganz generell ein Velotrend feststellbar. Und man weiss, dass E-Bikes in Zentren das schnellste Verkehrsmittel sind.

Die Veränderung der Verkehrsmittelwahl lässt sich natürlich steuern.
Das tun wir mittels Push- und Pull-Massnahmen auch. Wir wollen ÖV-, Fuss- und Veloverkehr attraktiver machen, gleichzeitig muss es unattraktiv sein, mit dem Auto «einfach so» in die Stadt zu fahren. Davon ausgenommen sind natürlich der Wirtschaftsverkehr oder Anwohnende. Mittelfristig will der Gemeinderat deshalb zum Beispiel die öffentlichen Parkplätze – heute rund 17000 – auf die Hälfte reduzieren oder die Parkplatzgebühren erhöhen.

In gewissen Kreisen gelten Sie als Autofeind.
Da kennt man mich zu wenig. Als Verkehrsplaner habe ich einen Auftrag vom Stadtparlament und vom Gemeinderat, die flächeneffiziente und klimaneutrale Mobiliät zu fördern. Dass sich dadurch das Infrastrukturnetz, auf dem sich der Autoverkehr bewegt, langfristig deutlich verkleinern wird, ist eine geometrische Tatsache. Abgesehen davon fahre ich selbst Auto.

Gerade im Breitsch gibt es doch zu wenige Parkplätze. Dort abends nach 19 Uhr eine Parklücke zu finden, gleicht einer Tortur. Das sieht man anhand der vielen Autos, die neben der weissen oder blauen Zone stehen. Ausserdem entsteht so Mehrverkehr.
Bei den Parkplätzen müssen wir auch die Relationen sehen: Die Zahl der Haushalte mit Auto nimmt seit Jahren stetig ab und liegt derzeit bei rund 50 Prozent. In Bern sind aktuell etwas mehr als 50000 PWs registriert. Dem steht ein Angebot von mehr als 100000 öffentlichen und privaten Parkplätzen gegenüber. Im Breitsch werden wir aber genauer hinschauen müssen, weil dort die öffentlichen Parkplätze tatsächlich stark genutzt sind und wenige Tiefgaragen existieren.

Wann ist denn auf Berns Strassen am meisten los?
Ganz klar am Abend. Hauptverkehrsachsen und Kreuzungen sowie das ÖV-Angebot sind auf die Abendspitzen zwischen 17 und 18 Uhr ausgerichtet. Gerade auf der Zieglerstrasse staut oder stockt es häufig. Im Gegensatz beispielsweise zu Zürich hält sich diese Problematik aber in Grenzen.

Wo ereignen sich am meisten Unfälle?
Im Kreisel Burgernziel, bei der Kreuzung am Bollwerk und am Bubenbergplatz Richtung Länggasse. An Kreuzungen passieren deutlich mehr Unfälle als auf geraden Strecken.

In Bern gibt es immer mehr 20er- und 30er-Zonen, die Zahl der 50er-Zonen nimmt ab. Wie lautet das weitere Vorgehen?
Das Städteentwicklungskonzept STEK von 2016 sieht in den Quartieren Tempo 20 und sonst generell Tempo 30 vor, bei Einfallsachsen in der Nähe von Autobahnen wäre Tempo 50 möglich. Diese Massnahmen haben einen positiven Einfluss auf Sicherheit und Lärm. Velo- und Fussgängerunfälle, von Autos verursacht, gestalten sich bei Tempo 50 deutlich folgenschwerer als bei Tempo 30.

Tempo 30 auf der Monbijoubrücke wirkt doch reichlich absurd.
Heute vielleicht schon. Aber stellen Sie sich vor, in der ganzen Stadt gilt Tempo 30 und nur auf der Monbijoubrücke wird 50 gefahren. Zudem haben wir bei jeder Strassensanierung den Auftrag vom Stadtrat, Tempo 30 zu prüfen. Eine isolierte 30er-Strecke auf der Monbijoubrücke würde sicherlich keinen Sinn machen, im Rahmen einer Gesamtplanung hingegen schon.

Welche ist für Sie die schönste Strasse?
Als Verkehrsplaner entwickle ich auch Plätze. (lacht) Am besten gefällt mir der Bundesplatz, vor allem im Sommer, wenn sich Jung und Alt darauf vergnügen. Bei den Strassen sind es diejenigen mit Bäumen, schönen Häusern und wo die Menschen entspannt unterwegs sind und sich auch gerne aufhalten. Ich denke da etwa an die Mittelstrasse, die dann im Sommer zu einem grossen Treffpunkt wird.

Wo besteht am meisten Optimierungspotenzial?
Auf den Strassen im Basisnetz fast überall. Der Nordring ist zu breit, die Effingerstrasse ebenso. Potenzial sehe ich zudem bei der Thunstrasse. Diese Achsen sind für die Hauptverkehrszeiten dimensioniert, sonst braucht es dort nicht so viel Platz. Man könnte den Raum etwa den Fussgängern und Fussgängerinnen zurückgeben. Oder sichere Verhältnisse für den Veloverkehr schaffen.

Der Waisenhausplatz ist optisch ebenfalls kein Vorzeigeobjekt.
Das stimmt, da sind wir dran, ebenso beim Bärenplatz.

Welches sind für Sie die grössten Herausforderungen in den nächsten Jahren?
Drei Dinge: Wir benötigen erstens ein sehr gutes und sicheres Velonetz. Zweitens müssen wir mit der Wirtschaft zusammenspannen und darüber diskutieren, wie wir den Wirtschaftsverkehr bewältigen können. Wie kommt die ständig steigende Menge von Paketen in die Hauseingänge, wie funktioniert eine stadtverträgliche Anlieferung – Stichwort City-Logistik – und wie können wir den notwendigen Wirtschaftsverkehr gegenüber dem Freizeitverkehr priorisieren? Drittens gilt es, Schnittstellenprobleme zwischen Stadt und Agglomeration zu bewältigen, da letztere stärker wächst als das Zentrum.

Was würden Sie sofort umsetzen, wenn Sie wünschen könnten?
Dass der neue Bahnhof Bern (ZBB) spätestens 2027 verwirklicht ist. Es wäre schön, wenn der Raum am Hirschengraben, wo ein neuer Hauptzugang zum Bahnhof entsteht, dereinst so gestaltet ist, damit Bern für ankommende Leute noch einladender wirkt und wir auch stolz darauf sein können.

Yves Schott

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