Das Image vom Altwerden ist entstaubt. Senioren bleiben körperlich und geistig beweglich, sie besuchen Feldenkraisund Yoga-Kurse, und helfen auch aktiv an der Ausbildung der Jugend mit.
Für Pensionierte, die ihre neue Freiheit geniessen und sinnvoll gestalten wollen, bietet Pro Senectute ein bemerkenswert vielfältiges Kurs- und Veranstaltungsangebot. Ruth Schindler, Geschäftsführerin Pro Senectute Region Bern, kennt die Bedürfnisse, die Sorgen und auch die einzigartigen Anliegen der Generation 60+.
Frau Schindler, Wie lebenswert ist Bern für die ältere Bevölkerung? ?
Ruth Schindler: Die Stadt engagiert sich im schweizweiten Vergleich überdurchschnittlich für die ältere Bevölkerung. Das städtische Kompetenzzentrum Alter setzt viele gute Massnahmen zur Verbesserung der Alters-Freundlichkeit um. Wir haben in Bern ein gut funktionierendes Netzwerk für Pensionäre. Die entsprechenden Organisationen tauschen sich regelmässig in Arbeitsgruppen aus und koordinieren ihre Tätigkeiten. Alle haben das Ziel, den Menschen in Bern ein bedürfnisgerechtes, selbstbestimmtes Altern in Würde zu ermöglichen.
Pro Senectute bietet in Bern zwei Beratungsstellen. Eine im Liebefeld, im Generationenpark Steinhölzli, die andere zentral am Bahnhof im Berner Generationenhaus. Was unterscheidet die beiden Anlaufstellen?
Die Leute können immer im Berner Generationenhaus vorbeikommen. Hier befindet sich die Anlaufstelle für unser freizeitorientiertes Angebot Bildung und Sport. Viele unserer Kurse und Veranstaltungen finden hier statt. Im Steinhölzli arbeiten unsere Sozialarbeiterinnen und -arbeiter und alle, die sich mit Freiwilligenarbeit beschäftigen.
Sie bieten eine breite Palette von Kursen und Veranstaltungen an. Können sich diese auch Pensionierte leisten, die auf ein kleines Budget bauen?
Die Freizeitangebote stehen allen Menschen ab 60 Jahren offen und sie sind ganz bewusst so gestaltet, dass auch Seniorinnen und Senioren mit bescheidenen finanziellen Mitteln teilnehmen können. Alle, die körperlich und geistig beweglich bleiben wollen und ihre Freizeit gerne mit Gleichgesinnten verbringen, sind bei uns herzlich willkommen. Aktuell sind unsere Feldenkrais- und Yoga-Kurse sehr gefragt. Beliebt sind auch die zahlreichen Sprachkurse und die Angebote rund um Computer und Multimedia. Auch wer Lust auf einen Ausflug hat, gerne spielt und tanzt, ist bei uns am richtigen Ort.
Viele ältere Menschen haben Respekt davor, eine neue Sprache zu erlernen oder sich für einen Bauchtanzkurs anzumelden. Warum haben sie trotzdem so viele Anmeldungen?
Bei uns steht die Freude und das Zusammen-Erleben immer vor dem Leistungsgedanken. Alle Teilnehmenden schätzen, dass in den Lektionen viel gelacht, das Gesellige bewusst gepflegt wird. Als ich vor acht Jahren zu Pro Senectute kam, beauftragte mich der Stiftungsrat, das verstaubte Image aufzufrischen und die Pro Senectute Region Bern «sexyer» zu machen (lacht).
Die Sozialberatung ist das Kerngeschäft der Pro Senectute. Was bieten sie in diesem Bereich konkret an?
Wir sind für alle Menschen ab 60 Jahren da, die ein Problem haben, das sie nicht alleine lösen können. Wir beraten und unterstützen bei Fragen zur Gesundheit, rund ums Wohnen oder in finanziellen Dingen wie AHV, Krankenversicherung oder Steuern. Unsere Sozialberaterinnen und Sozialberater stehen eigentlich für alle Fragen zum Thema Alter mit Rat und Tat zur Seite. Die Sozialberatungen sind immer vertraulich und unentgeltlich.
Die dritte Säule der Pro Senectute ist die Freiwilligenarbeit. Wer leistet diese Arbeit und wer profitiert davon?
Pensionierte, die selbst gerne Senioren im Alltag unterstützen möchten, können sich bei uns zum Einführungskurs für Freiwillige anmelden. Danach helfen sie zum Beispiel bei administrativen Arbeiten, besuchen einsame Menschen zu Hause, begleiten sie beim Einkaufen, auf einem Spaziergang oder hören ihnen einfach zu. Es gibt viele Einsatzmöglichkeiten. Grossen Erfolg haben wir mit dem Generationenprojekt win3. Seniorinnen und Senioren helfen freiwillig in Kindergärten und Schulklassen mit. Viele Lehrkräfte rufen bei uns an, weil sie sich Unterstützung wünschen und vom Projekt win3 überzeugt sind.
Was liegt ihnen als Geschäftsführerin Pro Senectute Region Bern speziell am Herzen?
Es ist mir persönlich wichtig, in was für einer Gesellschaft ich alt werde. Mit meiner Arbeit kann ich mithelfen, dass in unserer Gesellschaft möglichst wenig alte Menschen einsam sein müssen. Pro Senectute ist für Menschen da, die sich in einer neuen Lebensphase befinden. Einerseits fühlt man sich nach der Pensionierung weniger gebraucht, andererseits bieten sich aber auch ganz neue Chancen, im Alter seine neu gewonnenen Freiräume ganz selbst individuell zu gestalten.
Jürg Morf