Er war einer der sechs Freunde, die 1977 das Folkfestival auf den «Güsche» brachten. Fredi Hallauer lässt 40 Festivaljahre Revue passieren, gemeinsam mit Kathrin, mit der er ebenso lange liiert ist. Von den Weltverbesserern mit verrückten Ideen damals – bis zum Heimkommen auf dem Hügel heute.
40 Jahre Gurtenfestival: Was geht Ihnen durch Kopf und Herz, wenn Sie diese Zahl auf sich wirken lassen?
Fredi Hallauer: … lange ist es her! Wenn ich junge Musikschaffende, zum Beispiel auf der Waldbühne, interviewe und sie frage, was ihnen das Jahr 1977 sage, antworten sie oftmals: «Ich weiss es nicht, da war ich noch gar nicht auf der Welt!»
Kathrin Hallauer: Es erfüllt mich auch mit Stolz, dass wir das Festival mitgegründet haben und es bis heute besteht – wenngleich anders als damals. Wir waren Weltverbesserer ohne kommerzielle Interessen, die ihre bescheidenen Festivalerträge dem WWF und anderen Non-Profit-Organisationen spendeten.
Was hat Sie dazu bewegt, das Festival auf die Beine zu stellen?
Fredi Hallauer: In Deutschland fand das Freiluft-Festival «Burg Waldeck» statt, wo linke, politisch engagierte Liedermacher auftraten, teils aus der Schweiz. Darauf folgte das Festival Lenzburg, wo wir als Musikbetreuende engagiert waren. Der Event wurde regelrecht überrannt vom Publikum, weshalb der Ruf nach weiteren Festivals in der Schweiz laut wurde. Wir erkannten die Zeichen der Zeit und sahen uns nach einem geeigneten Veranstaltungsort um …
Kathrin Hallauer: Die Musik hat Fredi und mich stets verbunden. Seit wir uns 1975 in der «Mahogany Hall» kennengelernt haben, teilen wir diese Leidenschaft und tingeln, gerade während des Sommers, von Konzert zu Konzert.
Welche Hürde mussten Sie überwinden, damit das erste Festival stattfinden konnte?
Fredi Hallauer: Der Golfrasen auf dem Gurten galt als heiliges Terrain. Doch mithilfe des damaligen Stadtpräsidenten Reynold Tschäppät, der unsere Vision mittrug, gelang es, die Genehmigung einzuholen – inklusive 1000 Franken Defizitgarantie seitens der Stadt Bern.
Was charakterisierte das Festival damals?
Fredi Hallauer: Die vier Bühnen lagen weit auseinander, sodass die Gäste lange Fusswege zurücklegen mussten. Die gesamte Organisation erfolgte via Funkgerät – sechs an der Zahl, mehr konnten wir uns nicht leisten.
Kathrin Hallauer: Damals war das Festival auch auf Familien ausgerichtet, mit Attraktionen wie einem Karussell, Kaspertheater oder Kunstinstallationen. Einmal liessen wir 10 000 Ballone mit Wunderkerzen in den Berner Nachthimmel steigen. Es bestand Freiraum für verrückte Ideen, sogar spontane Musiksessions mitten auf der grünen Wiese. Manche Künstler:innen musizierten eine Stunde lang für ein Eintrittsticket als Gage. Und: es gab keinen Tropfen Alkohol! Aus den Zapfhähnen floss alkoholfreies Bier, das die Gurtenbrauerei eigens für das Festival produzierte.
Wie haben Sie in der damaligen Zeit ohne Mail und Mobiltelefon die Acts aufgespürt?
Fredi Hallauer: Oftmals hielten wir uns im Plattenladen «Bebop» auf, wo sich Berns Musikszene traf, um die neusten Schallplatten zu hören und sich auszutauschen. Auch lieferten uns abonnierte Musikzeitschriften oder andere Festival-Line-ups Impulse. Dann liessen wir unser Netzwerk spielen, telefonierten herum und verhandelten mit den verschiedenen Akteur:innen, bis die Deals zustande kamen.
Wie stand es um die Nachhaltigkeit zu einer Zeit, als der Begriff noch nicht populär war?
Fredi Hallauer: Wir waren schon damals erschrocken und der Ansicht, dass wir viel zu viel Abfall verursachten. Deshalb forderten wir beim zweiten Festival die Leute dazu auf, ihr eigenes Geschirr mitzubringen, das sie in Militärwassertrögen selbst abwaschen konnten – eigentlich ein Vorläufer des heute praktizierten Mehrwegkonzepts.
Die beiden ersten Ausgaben zählen als Erfolge – wie setzte sich die Geschichte fort?
Fredi Hallauer: Wir organisierten noch ein zweites und drittes Festival – und das nebenbei – als bunter Haufen von Freunden, die ihren Jobs nachgingen. Ich arbeitete damals 100 Prozent als Laborant. Danach pausierten wir für ein Jahr, weil wir uns Zeit nehmen wollten, um uns neu zu erfinden: Innovation war uns wichtig. Nach der vierten Durchführung konnten Kathrin und ich das Festival guten Gewissens in andere Hände übergeben, da sich in unserem Leben die Prioritäten verschoben.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf das Festival in heutiger Form?
Kathrin Hallauer: Wir sind angetrieben von Entdeckungsfreude und Neugierde, sodass wir jedes Jahr auf dem Hügel sind – und jedes Jahr neue Bands entdecken, die uns begeistern. Man muss mit der Zeit gehen, wobei ich das familiäre Gemeinschaftsgefühl immer noch wahrnehme. Wir empfinden es als Heimkommen.
Fredi Hallauer: Wir bleiben dem Gurtenfestival treu und haben in all der Zeit nur eine einzige Ausgabe verpasst, weil wir auf Reisen waren. Heute realisiere ich während des Festivals rund zwanzig Interviews mit Musikerinnen und Musikern für meinen eigenen Blog.
Wir freuen uns auf fünf Festivaltage, an denen zeitweise auch unsere Enkel mit dabei sind.
Daniela Dambach
PERSÖNLICH
Fredi Hallauer, am 27. März 1951 in Basel geboren, war schon in jungen Jahren als Musiker aktiv. 1972 zog er um nach Bern, wo er als Laborant arbeitete und sich im «Folkclub Mahogany Hall» engagiert. Gemeinsam mit fünf anderen Personen aus diesem Umfeld begründete er 1977 das «Folkfestival Gurten». Seine Leidenschaft für Musik teilt er heute auf seinem Blog. musikch.com