Dass die Stadt Bern das geplante Farbsack-Trennsystem vorläufig sistiert, freut Giorgio Albisetti. Im Bereich Wirtschaft hofft der Liegenschaftsverwalter zudem auf einen ganz bestimmten Namen.
Giorgio Albisetti, das Farbsack-Trennsystem ist quasi gescheitert. Überrascht?
Nicht komplett. Der Hauseigentümerverband der Stadt Bern HEV beantragte bei der Lancierung des Projekts, dieses an einer Teststrasse auszuprobieren. Dieser Vorschlag wurde leider abgelehnt. Seitens Verkehrsplanung wussten wir zudem, dass im Weissenbühl-Quartier, wo das neue System als Erstes hätte zum Einsatz kommen sollen, rund 380 Parkplätze aufgehoben werden müssten.
Namentlich deshalb, weil die neuen Container aus Platzgründen auf der Strasse stehen würden.
Richtig. An manchen Orten waren acht Container, direkt aneinandergereiht, vorgesehen. Aus nachvollziehbaren Gründen regt sich in der Bevölkerung nun Widerstand. Schliesslich bezahlt sie für eine Parkkarte, wobei schon heute deutlich mehr Parkkarten ausgestellt werden als verfügbare Parkplätze vorhanden sind. Wer sich eine solche Karte kauft, hat zwar keinen Anspruch auf einen fixen Parkplatz, sollte aber zumindest davon ausgehen können, in der Nähe seines Wohnorts einen zu finden. Dies wäre bei Einführung des Farbsack-Trennsystems in diesem Quartier nicht mehr der Fall gewesen.
Ein weiterer Kritikpunkt: Ökologisch würde das neue System nur wenig bringen. Sagt sogar das Grüne Bündnis.
Diese Einschätzung teile ich. Vorab ist festzuhalten, dass die getrennte Entsorgung bereits heute einwandfrei funktioniert. Und ein altes Sofa oder die kaputte Stereoanlage müssen auch künftig bei einem Entsorgungshof deponiert werden. Da bringen die farbigen Säcke auch nichts. Glas, Alu und PET lassen sich ausserdem in praktisch jedem Supermarkt abgeben.
Mitte, FDP und SVP verlangen derweil einen Übungsabbruch. Sprich: Das Projekt soll endgültig beerdigt werden.
Wenn ich daran denke, wie viele Leute in dieses Projekt involviert sind, wie viel es bereits gekostet hat, die Ghüderentsorgung in der Vergangenheit zudem reibungslos funktioniert hat – da muss man sich doch überlegen, ob die Not wirklich so gross ist, hier alles umzukrempeln. Es macht schon den Eindruck, dass die frühere Gemeinderätin Ursula Wyss ein administratives Monster geschaffen hat.
Manche stören sich an den blauen Säcken, die auf den Trottoirs stehen. Andere Städte haben diese Herausforderung eleganter gelöst.
In der Altstadt wäre das neue System wegen Anforderungen an Bauten des UNESCO-Perimeters nie eingeführt worden. Wir brauchen primär eine funktionierende Abfallentsorgung. Und das haben wir heute ja. Ganz grundsätzlich aber möchte ich betonen, dass der Austausch mit der zuständigen Direktorin Marieke Kruit, namentlich im Bereich Verkehr, heute gut funktioniert.
Was bewegt Sie derzeit sonst noch?
Wir sind enorm erfreut darüber, dass die Verantwortlichen der Messepark Bern AG, nachdem die Frist für Einsprachen abgelaufen war, definitiv entschieden haben, die Neue Festhalle zu bauen. Der Ersatz dieses 70-jährigen Provisoriums ist ein wichtiges Zeichen für die Wirtschaft. Positiv überrascht bin ich auch vom Stellenwechsel von Hansmartin Amrein.
Der neue Leiter des Amts für Wirtschaft der Stadt Bern.
Ein Unternehmer, der die Gelateria di Berna mitaufgebaut hat. Hier erhoffen wir uns positive Impulse für die Wirtschaft. Es ist unerlässlich, dass das Wirtschaftsamt die Anliegen der Wirtschaft in der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt und als dessen Fürsprecher fungiert.
Konkret?
Gemeinsam mit den Wirtschaftsverbänden stellten wir letztes Jahr unser Programm «Bern braucht Zukunft» vor, ein Ideenkatalog für ein wirtschaftsfreundliches Bern. Parkiert ein Maler oder eine Gipserin heute das Auto direkt vor einer Baustelle, riskiert er oder sie ohne Parkkarte eine Busse. Das darf nicht sein! Zudem verlangen wir ein erhöhtes Bewusstsein für die Relevanz von Arbeitsplätzen in unserer Region: Auf praktisch allen Arealen, die in der Stadt Bern überbaut werden, entstehen grossmehrheitlich gemeinnützige Wohnungen. Von den abgewanderten Gewerblern, etwa in der Lorraine oder im Weyermannshaus, und dem damit verbundenen Verlust der Wertschöpfung redet dann allerdings niemand. In diesem Zusammenhang stehen wir übrigens in engem Kontakt mit der Könizer Gemeindepräsidentin Tanja Bauer, die ein hohes Bewusstsein für die Wirtschaft hat. Noch ein Wort zur geplanten Fusion von Bern und Ostermundigen …
Bitte.
Wir finden Fusionen per se sinnvoll. Es sollen aber Synergien genutzt werden. Doch im Rahmen des vorgelegten Projekts werden auf sämtlichen Ebenen Kosten raufgefahren, was zur Folge haben dürfte, dass die Steuern erhöht werden müssen. Und die Stadt ist nun wahrlich nicht in der Lage, sich ein solches Projekt zu leisten. Schliesslich finanziert sie seit 2015 Investitionen aus-
schliesslich über Schulden.
Yves Schott
Giorgio Albisetti, geboren am 19. Mai 1980, studierte Jus an der Uni Bern. Er arbeitete sechs Jahre lang als Notar und Anwalt, 2016 übernahm er die Verantwortung der Von Graffenried Liegenschaften. Zudem amtet er als Präsident des HIV Sektion Bern. Albisetti ist verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in Muri.