Sie trauen Paare im Akkord und hören sich schon mal sechs Minuten Dudelsack-Klänge an. Der Job als Zivilstandsbeamte ist anders, als viele denken. Na, wie ist Ihr Job denn so? Gleich bei der ersten, zugegebenermassen nicht wahnsinnig kreativen Frage wird klar, dass hier niemand sitzt, der sich für den goldenen Beamtenstempel 2019 aufdrängt. «Wir können Zuckerbrot und Peitsche: Bei den Trauungen sind wir die Netten, wenn wir Dokumente einfordern müssen, die Bösen.» Pause. Dann, mit einiger Überzeugung: «Einen vielseitigeren Job als unseren gibt es fast nicht.» Der Satz stammt von Madeleine Bieri, Zivilstandsbeamtin, Kreis Bern-Mittelland. Neben der Mit-40erin sitzt ihr Chef Stephan Walther. Er ergänzt die Aussagen seiner Kollegin: «Wir erledigen hier viel Büroarbeit, meistens sitzt man vor dem Bildschirm. Bei den Trauungen aber können wir uns ausleben und entfalten.» So war das also mit der Abwechslung also gemeint. Denn die Eheschliessungen an sich machen nur etwa ein Viertel der Arbeit der beiden aus. Sonst kümmern sie sich um Geburten, Todesfälle, Vorsorgeaufträge oder die Nachbeurkundung von Einbürgerungen oder Scheidungen. Bieri formuliert es so: «Wir sind von Anfang bis zum Schluss beim Bürger.» Nur bleiben sie und Walther den Menschen meist verborgen. Schattenarbeiter quasi. Ausser eben bei der Heirat. «Wenn ihr einen Song ab CD laufen lasst, Die geht dann aber fix vor sich. Bis zu sechs Zeremonien an einem halben Tag, drei Stunden am Stück, maximal 20 Minuten pro Paar. Dann kurz lüften, Stühle zurechtrücken – die Nächsten bitte! Jawort to go. Fliessbandarbeit? «Nein, Leidenschaft», erwidert Bieri bestimmt. «Aber danach ist man kaputt.» Walther fügt an: «Zürich kennt den Viertelstundentakt, an Schnapsdaten sogar den Zehnminutentakt.» Die Zivilstandsämter fertigen Bern und Zürich schneller ab als die SBB. Wichtige Fragen werden indes bereits in der Ehevorbereitung geklärt. Wie viele Leute bringt das Paar mit? Werden Ringe ausgetauscht? Kommt es zu einer «normalen» oder nur zu einer Kurztrauung, die gerade mal fünf Minuten dauert? Natürlich dürfen die Hochzeitswilligen ihrerseits Sonderwünsche anbringen. «Unser Beruf wird aber manchmal falsch verstanden», meint Bieri und seufzt leise. «Eine zivilrechtliche Trauung ist keine kirchliche Trauung. Es kommt schon mal vor, dass jemand fragt, ob der Vater die Braut zum Altar führen könne. Bloss: Wir haben keinen Altar.» Zu der Geschichte mit den Wünschen. Musik ist grundsätzlich erlaubt, Bieri rät jedoch davon ab. Wohlweislich. «Ich sage dann immer: ‹Wenn ihr einen Song ab CD spielen lasst, werden das die längsten drei Minuten eures Lebens.› Es läuft das Lied, alle sitzen da – und nichts passiert.» Besser: Jodler, Opernsänger, Akkordeonisten. Es soll ja schon was laufen. «Ich muss Ihnen etwas erzählen», hakt Stephan Walther ein. «Bei einer Trauung wünschte mal jemand ein bekanntes schottisches Dudelsackstück. Was ich zuvor nicht wusste – das dauerte ganze sechs Minuten.» Dudelsackgedudel für die Ewigkeit. Wenn Madeleine Bieri Pärchen traut, liest sie Gedichte vor. Oder hält eine freie Rede. «Ich entscheide situativ.» Je nachdem, was ihre Turteltauben selbst noch vorhaben. Nur religiös darf es nicht sein, wegen der Gewaltentrennung von Staat und Kirche. Eine Regelung, die übrigens für beide Seiten gilt. Die Urkundspersonen, wie die Zivilstandsbeamtinnen- und beamten auch heissen, müssen also keinen fixen Ablauf im eigentlichen Sinne einhalten. Vorschriften gibt es aber punkto Kleidung: «Angemessen feierlich» sollte sie sein. Was immer das heissen mag. Walther und seine Kollegen besuchten deshalb schon mal einen Knigge-Kurs bei einer ehemaligen Zivilstandsbeamtin. «Männer tragen Krawatte, Frauen haben etwas mehr Spielraum.» «Vor zehn Jahren, als ich hier anfing, Seit 2007 dürfen sich Schwule und Lesben für eine eingetragene Partnerschaft registrieren lassen. Das Vorgehen ist eigentlich dasselbe, die Unterschiede gering. Bei Heterosexuellen zählt rechtlich gesehen das Jawort, die Unterschrift kommt aus rein formellen Gründen hinzu – Homosexuelle hingegen müssen zwingend unterschreiben. Auch sie dürfen sich das Jawort geben, was aber keine rechtliche Bindung hat. Und: Heterosexuelle kommen zu einer Trauung, Homosexuelle zu einer Zeremonie. «Das Gesetz zwingt uns zu dieser Begriffsunterscheidung, doch wir behandeln alle gleich», erklärt Walther. Das Zivilstandsamt an der Laupenstrasse wirkt von aussen ziemlich farb- und lustlos. Hier soll der (rechtliche) Bund fürs Leben geschlossen werden? Doch, wie so häufig, der Eindruck täuscht: Innen ist das Gebäude 18A eine echte Erleuchtung. Das Entrée des Zeremonielokals strahlt ganz in Weiss, an der Fotowand prangen glitzernde Steinchen. Man wähnt sich irgendwo in Paris in einer Swarovski-Boutique. Das gleiche Bild im Zeremonieraum. Knapp 1700 Eheschliessungen wurden 2018 vollzogen – hier oder in einer der externen Lokalitäten wie etwa das Schloss Belp oder das Schloss Köniz. Der Roger Federer sämtlicher verfügbarer Örtlichkeiten: das Schloss Bümpliz. Manchmal spiele sich hier ein veritables «Reservationsdebakel» ab, sagt Bieri. «Es ist wie bei AC/DC-Tickets, innerhalb von zehn Minuten sind wir ausgebucht.» Das hat damit zu tun, dass der Stellenwert des Zivilstandsamts zugenommen hat. Viele verzichten heutzutage auf die feierliche Prozession in der Kirche und messen dem formellen Ablauf deutlich mehr Gewicht bei. Dass es in Laupen, in Wyl oder in Schwarzenburg allerdings bis zu 500 Franken teurer werden kann, nehmen die Leute dabei gern in Kauf. 2018 kam es im Kreis Bern-Mittelland zu rund 10 Not-Trauungen. Die Gründe sind vielfältig, es liegen aber häufiger emotionale denn rechtliche Situationen vor. Etwa, wenn eine Person im Sterben liegt und sich das Paar vor dem Tod noch verheiraten will. Dann rücken die Zivilstandsbeamten jeweils rasch aus, um die Trauung vorzunehmen. Im Zweifelsfall wohnt der Eheschliessung ein Arzt bei, um die Urteilsfähigkeit der kranken Person zu bezeugen. «Solche Situationen setzen einem ziemlich zu», sagt Stephan Walther. 1405 Personen sagten in der Stadt Bern 2017 insgesamt Ja, miteinbezogen auch jene, die nicht hier wohnen. Nach einem Einbruch Mitte der 2000er-Jahre nahm die Zahl der Eheschliessungen wieder zu. «Das Zusammengehörigkeitsgefühl steigt, das spüren wir ganz deutlich. Und: Die Brautpaare werden wieder jünger», sagt Bieri. Heiraten war auch schon weniger sexy. Auch die Zivilstandsbeamtin selbst denkt darüber nach. Moment mal. Bieri ist noch nicht unter der Haube? Und das in ihrem Job? «Vor zehn Jahren, als ich hier anfing, trug ich Alibi-Ringe, weil ich ständig nach meinem Status gefragt wurde. Heute bin ich in einem Alter, wo ich bereits geschieden sein könnte, da fragt keiner mehr.» Yves Schott«Danach ist man kaputt»
werden das die längsten drei
Minuten eures Lebens!»
Madeleine BieriSechs Minuten Dudelsack
Männer tragen Krawatte
trug ich Alibi-Ringe.»
Madeleine BieriBrautpaare werden jünger
Not Trauungen