Bild Franziska Von Weissenfluh 1

«Ich hatte nie das Gefühl, anders behandelt zu werden»

Sie ist eines der bekanntesten Gesichter der Berner Wirtschaft. Nun tritt Bernexpo-Präsidentin Franziska von Weissenfluh ab. Wie sie sich auf ihr neues Leben freut, warum sie gegen Frauenquoten ist und wieso sie nie mit dem Krebs gehadert hat.

Mitte Mai treten Sie aus dem Verwaltungsrat der Bernexpo-Groupe zurück. Plagt Sie schon jetzt Wehmut?
Nein, ich freue mich sogar darauf, mich in Zukunft wieder häufiger meinen musischen Talenten zu widmen.

Welche sind das?
In meiner Brust wohnen zwei Seelen. Vor meinem Wirtschaftsstudium habe ich in Florenz die Kunstakademie besucht und in Basel Kunstgewerbe abgeschlossen. Pinsel und Farbe in die Hand zu nehmen, dazu kam ich in den letzten Jahren kaum.

Trotzdem folgte der Austritt aus dem Verwaltungsrat der Bernexpo unfreiwillig. Sie hätten gerne noch weitergemacht.
Vorgesehen war er nicht, das stimmt, meine Krebserkrankung hat mich dazu bewogen. Es brauchte zunächst viel Kopfarbeit, um danach zu sagen: Doch, das ist der richtige Moment, um dieses Kapitel abzuschliessen. Ein entscheidender Schritt, selbstverständlich.

Sie werden gemeinhin als Macherin und «Chrampferin» beschrieben, nun möchten Sie sich der Kunst widmen. Wird Ihnen das Daily Business nicht fehlen?
Ich bin eine Macherin, ja. Aber ich empfinde meine Arbeit nie als «Chrampf»: Ich habe eine hohe Einsatzbereitschaft, beruflich wie privat. Folglich werde ich beim Malen, Schreiben oder Golfspielen die gleich hohen Ambitionen wie zuvor an den Tag legen. (lacht) Ich werde nicht einfach nichts mehr tun.

Keine Angst vor Langeweile?
Nein, ich bin gespannt auf diesen Zustand. Ich möchte gerne mal wissen, wie es sich anfühlt, wenn einem langweilig ist. (lacht)

In Ihrer Gymerzeit standen Sie teilweise um 6 Uhr auf, um Brote für die Mitschüler zu streichen, die sie dann in der Pause verkauften. Wann klingelt Ihr Wecker heute unter der Woche?
Ich war schon immer Frühaufsteherin. Schon als Kind, als meine Ge-schwister noch schliefen, ging ich joggen. Und ich stehe noch immer vor 7 auf, einen Wecker habe ich keinen. Mein Tag beginnt seit Jahren mit einer Stunde Sport: Ausdauer, Kraft, Stretching.

Das heisst, Sie benötigen auch nur wenig Schlaf?
Im Gegenteil, eher viel. Wichtig ist mir vor allem Regelmässigkeit. Ich gehe um 10 Uhr abends ins Bett, nach acht Stunden bin ich fit.

Klingt sehr nach einem durchgetak-teten Leben.
Es ist alles eine Frage der Selbstdisziplin und Organisation. Gerade mit vier Kindern – wer mich kennt, weiss, dass ich ein absoluter Familienmensch bin. Mir war immer ein Anliegen, sie bei ihrer Entwicklung zu unterstützen und zu begleiten. Dabei zählte und zählt nicht die Quantität an Zeit, die wir mit ihnen verbringen, sondern die Qualität.

Bleibt bei so viel Organisation Raum für Spontanität?
Je organisierter man ist, umso mehr Zeit bleibt doch eben gerade für spontane Entscheidungen! (lacht)

Die Wirtschaftswelt war und wird nach wie vor von Männern dominiert. Trotzdem waren Sie in den 90er-Jahren eine der ersten, die sich an der Spitze durchgesetzt hat. Wie haben Sie das geschafft?
Ich blieb immer ich selbst, teilte meine Ansichten transparent mit und war stets ambitioniert – daraus machte ich nie ein Geheimnis. Diese direkte Art verschaffte mir sicherlich Anerkennung und Vertrauen.

Das würde man heute wohl «männliches Verhalten» nennen.
Finden Sie? Ich würde das im Gegenteil eher als weiblich beschreiben. Zu meinen Wertvorstellungen, wie ich mit Menschen umgehe, gehören Respekt verbunden mit Empathie und transparenter Kommunikation – immer auf Augenhöhe. Ich befehle nicht, mich interessiert die Meinung der anderen. Hat jemand ein besseres Argument, lasse ich mich gerne überzeugen.

Sexuelle Anzüglichkeiten oder gar Belästigungen am Arbeitsplatz ha-ben Sie nie erlebt?
Nein. Ich hätte sie wohl gar nicht wahrgenommen, da ich mich stets für die Sache interessierte. Ich hatte nie das Gefühl, anders behandelt zu werden – dabei war ich oft ja die einzige Frau im Sitzungsraum.

Halten Sie die aktuellen Diskussionen zu diesem Thema folglich für übertrieben?
Überhaupt nicht. Wenn Frauen solche Situationen erleben, muss das entsprechend so aufgearbeitet werden. Zum Glück, so glaube ich, pflegen die jungen Frauen von heute schon eine ganz andere Art von Kommunikation ihren männlichen Kollegen gegenüber. Und auch die jüngeren Männer geben sich deutlich seltener als «Machos» aus.

Ein Wort zum Thema Quoten?
Ich setze mich dafür ein, dass fähige Personen gefördert werden. Wahrscheinlich stellen sich Frauen auch heute noch etwas seltener ins Schaufenster. Mein Vorteil als Chefin war, die Zurückhaltung der Frauen richtig zu interpretieren und ihnen eine entsprechende Führungsrolle anzuvertrauen. Sensibilität und Empathie dafür, dass Mann und Frau unterschiedlich denken und handeln, halte ich für den zielführenderen Weg als Quoten. Es geht um Respekt. Ich verstehe manche Aussagen von Männern gelegentlich auch nicht – dann muss ich halt nachfragen.

Seit Anfang Jahr dürfen Männer zwei Wochen Vaterschaftsurlaub beziehen. Eine sinnvolle Sache?
Für etliche Paare ist das ein schöner, neuer Weg. Wobei die Qualität einer Familie meiner Meinung nach kaum davon abhängt, ob Mutter und Vater mit dem Kind gleich viel Zeit verbringen können. Und ich wehre mich gegen Pauschalisierungen: Jedes Paar muss für sich allein den richtigen Weg finden, da gibt es keine Allgemeingültigkeit, die jemand vorschreibt.

Über Sie wird gesagt, Sie würden alle «von links bis rechts» ins Boot holen. Muss man sich da nicht allzu häufig verbiegen und Leute hofieren, die einem unsympathisch sind?
Unsympathische Menschen existieren in meiner Denkart nicht. Höchstens solche, die ich nicht begreife. Wer hingegen nur verhindern will – gerade bei politischen Diskussionen –, dem zeige ich ebenfalls die kalte Schulter.

Sie kennen keine Idioten?
Nein. Ich bin immer offen für einen konstruktiven Meinungsaustausch, vor allem auch mit Andersdenkenden.

Wo stehen Sie politisch denn persönlich? Oder anders gefragt: Fühlen Sie sich in der linksten Stadt der Schweiz wohl?
Ich bin seit Ewigkeiten ein liberal denkender Mensch und stehe ein für Eigenverantwortung und soziale Haltungen. Genauso stark lehne ich ideologische und dogmatische Ansichten ab.

Seit Sie Ihre Krebserkrankung öffentlich gemacht haben, ist mehr als ein halbes Jahr vergangen. Wie geht es Ihnen?
Ich bin weiterhin in onkologischer Behandlung. Physisch und psychisch geht es mir prima und ich bin zuversichtlich, dass kein Tumor mehr wächst.

Wie haben Sie die Zeit mit dem Krebs erlebt?
Ich konnte die Diagnose rasch einordnen. Das ist eine positive Fähigkeit von mir: mich auf neue Lebenssituationen sehr schnell einstellen zu können. Es nützt nichts, sich gegen Tatsachen zu wehren.

Sie haben nie psychologische Hilfe in Anspruch genommen?
Nein.

Die Eventbranche wurde hart von Corona getroffen. Wie geht es der Bernexpo-Groupe?
Wir sind gut kapitalisiert und in dem Sinne ein gesundes Unternehmen. Mit der Liquidität wird es allerdings langsam eng: Wir haben hohe Fixkosten und müssen unter anderem Mieten und Infrastruktur bezahlen, obwohl unser Geschäft seit einem Jahr praktisch stillgelegt ist. Wir hoffen, spätestens im Sommer wieder loslegen zu dürfen.

Sie sind zuversichtlich?
Absolut. Alles hängt vom Impfen ab.

Wenn Sie einen Tag lang Stadtpräsidentin wären: Welche drei Dinge würden Sie ändern?
Ich würde mich vor allem für E-Mobilität einsetzen – sei es bei den Autos oder den Velos. Ich würde die Gastro- und Hotelbranche fördern. Und ich würde mich für eine Infrastruktur stark machen, die einer Kultur-, Event- und Kongressstadt gerecht wird. Diese drei Bereiche zeichnen eine Stadt aus, damit sie lebendig ist und prosperieren kann.

Yves Schott

Weitere Beiträge

Weitere Beiträge