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«Ich war Schlager-Sänger und trat in Nachtclubs auf»

Er gilt als einer der besten Kenner der zeitgenössischen und medialen Kunstszene. Er nennt sich Künstler-Philosoph. Seit mehr als 40 Jahren lebt Gerhard Johann Lischka in einer Wohnung in der Berner Matte.

Seine Erscheinung (stets ganz in Schwarz, weisses Haar) fällt auf, sein Humor und sein Geist sind sein Markenzeichen: Professor Dr. Gerhard Johann Lischka. Was selbst viele Lischka-Freunde nicht wissen: Lischka trat in jungen Jahren als Schlagersänger und Gitarrist in Münchner Nacht-Clubs auf. Lischka über:

Das katholische Internat
«Man steckte mich in ein streng geführtes, katholisches Kloster-Internat. Ich lebte von 10 bis 18 dort und lernte schön artig Griechisch, Latein und solche Sachen. Das war ein reines Knaben-Internat. Es gab also nur Buben und Mönche. Furchtbar!»

Seine Zeit in Paris
«Ich ging 1962 nach Paris und machte dort als junger Mann meine ersten, tiefgreifenden Erfahrungen mit der Liebe.»

Jobs & The Shadows
«Ich hatte insgesamt 21 verschiedene Jobs, um Geld zu verdienen. Ich war beim Post-Expressdienst, ich war Möbelpacker und Chauffeur… In Paris und London hatte ich 1962/63 meine Urerlebnisse. In Paris hörte ich zum ersten Mal The Shadows live im Olympia. Für mich das Grösste, ich war hin und weg. Und ich kaufte mir sofort eine Gitarre.»

London 1963
«London war für mich das Höchste. Ich lebte in einem billigen Hotel in Soho, dem Vergnügungsviertel von London. In den Clubs und Kellern spielten die Rock-Bands. Der Sound der elektrischen Gitarren jagte durch die Nacht – und meinen Körper. Es waren die Anfänge der Beatles und der Rolling Stones. Der elektrische Rocksound, die Szene der 60er-Jahre in London – das war die Grundlage meiner späteren medien-theoretischen Tätigkeit. Das war für mich wie eine Taufe.»

Seine Zeit in München
«Ich studierte zuerst an der Uni Bern, dann in München. Wobei ich da vor allem in den Nachtclubs auftrat – als Sänger und Gitarrist. Glauben Sie mir: Ich hatte eine tolle Stimme! Ich komponierte eigene Schlager. Und gewann sogar einen Song Contest. Dafür erhielt ich eine «Goldene Schallplatte». Die Platte mit vier Songs wurde in einem umgebauten Kino in München aufgenommen – von der Deutschen Grammophon Gesellschaft.

Salvador Dalí
«Ich stand am Eingang des Märchenschlosses von Salvador Dalí und klingelte. Eine ältere Hausdame öffnete die Tür. Maestro Dalí sei nicht hier, sagte die Frau. Ich griff zu einem Trick. Wir sangen ein Lied. Meine damalige Freundin war eine hervorragende Sängerin. Das Lied führte dazu, dass Salvador Dalí höchst persönlich am Eingang auftauchte. Er zeigte uns das «Schloss» und lud uns später ein paar Mal ein. Es war wie ein Zauber. Fantastisch. Eine andere Welt. Im Hintergrund war Dalís Frau, sie führte Regie. Überall hielten sich Models auf. Dalí liebte schöne Menschen. Junge Schönheiten. Mein Rendezvous mit Dalí beflügelte meine Kunst-Phantasien. Es war so etwas wie eine Initialzündung.»

1969 als Jahr des Umbruchs
«Das Jahr 1969 war für mich persönlich vielleicht noch wichtiger als 1968. Es war mein Startjahr. Ich schrieb eine Dissertation über den österreichischen Maler und Schriftsteller Oskar Kokoschka. Bei ihm kamen Bild, Text und Ton zusammen.»

Meret Oppenheim
«1969 waren wir zusammen in Carona im Tessin und verfolgten in einer Beiz, wo ein Fernseher stand, die Mondlandung. 1969 war auch das Jahr, als ich mir sagte: ‹So, fertig studieren! Sieben Jahre an der Uni sind genug.› 1971 war ich dann Doktor der Philosophie.»$

Andy Warhol
«Ich führte viele Gespräche mit Künstlern, so auch mit Andy Warhol in New York. Ich hatte damals eine eigene kultur-philosophische Radiosendung auf DRS 2, wo die Gespräche ausgestrahlt wurden.»

Erste Ausstellung in Kunsthalle und Kunstmuseum Bern
«‹Alles und noch viel mehr› hiess die Ausstellung. Der Katalog umfasste über 1000 Seiten. Ich lud die interessantesten (nicht die bekanntesten!) Künstler der Welt nach Bern ein. Das war 1985.»

Gute Kunst
«Gute Kunst ist, wenn hinter der Kunst ein Mensch steht, der sich überlegt, warum er etwas macht. Wenn dieser Mensch seine Sicht der Dinge der Welt plausibel mitteilen kann.»

Historische Kunst
«Ich habe mindestens fünfzig Höhlen besucht und dabei festgestellt: Die Kunst ist in den letzten 40000 Jahren nicht besser geworden. Schauen Sie sich mal einen Elefanten oder einen Bison an, den die Leute vor 40000 Jahren an eine Höhlenwand gemalt haben. Brillant. Formal perfekt. Selbst Picasso sagte dazu: ‹Wir sind nicht besser.›»

Kommerzialisierung von Kunst
Gegen den Kunsthandel kann ich ja nichts machen. Das ist Kapitalismus pur. Ich würde sogar sagen: Es ist die höchste Kunst des Kapitalismus in Form der Vermehrung von Geld. Mich interessiert genau das nicht.»

Franz Gertsch
«Ein Meister des Details. Ich kenne ihn seit den 60er-Jahren. Ich war verblüfft, als ich ihn in seinem Atelier sah, wie er sich seine Malerschürze umband, ein Dia auf eine riesige Leinwand projizierte und stundenlang malte, ein Pinselstrich nach dem andern – verrückt!»

Digitalisierung
«Ich bin kein Digital-Freak, aber ich nutze jedes Medium, das mich interessiert. Das Digitale bietet mir unglaubliche Möglichkeiten.»

Facebook
«Ist mir zu aufwändig.»

Bücher
«Ich habe als alleiniger Autor etwa zehn Bücher verfasst. Hinzu kommen zahlreiche Bücher, bei denen ich Herausgeber war. Meine Texte sind so geschrieben, dass sie jeder normal gebildete Mensch lesen und verstehen kann. Ich spreche jetzt nicht von Orang-Utans.»

Luxus
«Luxus ist ein Zückerchen, das man nicht zu oft geniessen sollte, sonst wird es geschmacklos.»

Tod
«Der Tod beschäftigt mich nicht. Es ist traurig, wenn gute Freunde sterben. Aber der Tod gehört zum Zyklus des Lebens. Wenn ich eines Tages nicht mehr existiere…Wo liegt das Problem? Das muss so sein.»

Glaube & Religion
«Wer etwas glauben will, soll glauben. Ich fühle mich als Freigeist. Schauen Sie, ich halte es mit dem Papst der Samaritaner. Ein Journalist des «Spiegels» stellt ihrem Papst die Frage: ‹Warum glauben Sie, dass es einen Himmel gibt?› Der Papst meinte: ‹Es kam auf jeden Fall noch nie einer zurück, um sich zu beschweren.› Eine jüdische Weisheit.

Peter C. Moser

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