Tausende Bernerinnen und Berner leiden derzeit unter der starken Pollenbelastung. Noemi Beuret vom Allergiezentrum Schweiz AHA sagt, wieso Allergien zugenommen haben und wie man sich richtig schützt.
Noemi Beuret, wie viele Menschen leiden in Bern eigentlich unter Pollenallergien?
Gemäss Statistik sind rund zwanzig Prozent der Bevölkerung davon betroffen. Also knapp 30000 Menschen in der Stadt, im gesamten Kanton rund 200000.
Haben Pollenallergien zugenommen?
Ja, signifikant sogar. 1953 haben erst rund neun Prozent aller Menschen allergisch auf Pollen reagiert, seither steigen die Zahlen kontinuierlich an.
Woran liegts?
Ganz allgemein haben Allergien, nicht nur jene auf Pollen, zugenommen. Dies hat neben den Genen mit unserem westlichen Lebensstandard zu tun, wir leben viel hygienischer, was unser Immunsystem auf falsche Bahnen leitet. Aber auch die Aggressivität der Pollen selbst hat zugenommen – wegen der Luftverschmutzung.
Bestehen im Grossraum Bern eigentlich sogenannte Pollen-Hotspots, wo die Belastung besonders gross ist?
Das kann man nicht generell sagen. Das Mikroklima vor Ort bestimmt, ob der Baum blüht und in welchem Entwicklungsstadium er sich befindet. Der Wind kann die Pollen zudem ziemlich weit wegtragen und dort allergische Reaktionen auslösen, obwohl der Baum als Pollenquelle an einem ganz anderen Platz steht.
In den Bergen ist die Belastung aber allgemein geringer
Prinzipiell stimmt das, ja; der Blühbeginn setzt dort später ein. Durch das nun anhaltend schöne Wetter, durch das im Flachland sehr viele Pollen fliegen, ist die Belastung jedoch auch in der Höhe ziemlich stark
Also kann man als Allergiker in Bern wirklich nirgends hin, wo die Belastung etwas geringer ist?
Eine Option wäre, ans Meer zu fliehen, wo keine Birken blühen. In der Schweiz existiert aber leider keine «Fluchtmöglichkeit».
Lebt es sich im Ausland als Allergiker generell besser, etwa im hohen Norden?
Man müsste die jeweilige Region genauer unter die Lupe nehmen: Je nachdem kommen allergene Bäume oder Gräser auch dort vor, manche Menschen zeigen Kreuzreaktionen, etwa auf die Pollen der Olivenbäume. Ausland bedeutet nicht automatisch pollenfrei. Wobei, in der Sahara ist die Belastung wohl wirklich sehr gering (lacht).
Bleiben nur noch die repressiven Massnahmen.
Für die Betroffenen bedauerlicherweise: ja. Allergiker sollten sich derzeit nur kurz draussen aufhalten, eine Sonnenbrille tragen, damit die Schleimhäute geschützt sind. Augen und Nase kann man mit Meersalzlösungen spülen. Ein guter Tipp ist auch, sich vor dem Zubettgehen die Haare zu waschen und die Kleider ausserhalb des Schlafzimmers auszuziehen. Und vielleicht am Fenster ein Pollengitter montieren. Den Raum nur kurz und stossweise lüften, besser nicht am Tag, wenn die Pollenbelastung ihren Höhepunkt erreicht. Gewaschene Kleider nicht draussen aufhängen. Daneben gibt es natürlich eine Vielzahl von Medikamenten sowie die Möglichkeit einer Desensibilisierungstherapie.
Der Pollen-Blühbeginn ist von Jahr zu Jahr verschieden, die Art der Belastung auch. Lässt sich jetzt bereits sagen, ob den Allergikern eine intensive Saison bevorsteht?
Bei den Gräsern, die ab Mai blühen, können wir noch keine Prognose machen. Die Birken, die derzeit vielen zu schaffen machen, blühen im Zweijahres-Rhythmus. Da 2017 ein eher mässiges Jahr war, erwarten wir jetzt ein starkes Jahr.