Wozu braucht es Trinkwasser in unseren Toiletten? Kann man direkt aus der Aare trinken? Und wie viel Wasser benötigen wir eigentlich? Bernhard Gyger, Geschäftsführer des Wasserverbunds Region Bern (WVRB AG), gibt Antworten.
Welche Art von Wasser trinken wir in Bern eigentlich?
Die Versorgung erfolgt heute ausschliesslich über Grundwasser. In früheren Jahren wurden Quellen erschlossen, davon ist man schon seit Längerem abgekommen, hauptsächlich aus qualitativen, aber auch aus quantitativen Gründen. Quellen sind nahe an der Oberfläche und die Fliesszeiten bis zur Fassung sind kurz, die Gefahr von Verschmutzungen entsprechend hoch. Ausserdem spenden sie vor allem dann Wasser, wenn es geregnet hat. Wenn es so trocken ist wie in diesem Sommer, versiegen sie, obwohl gerade dann der Bedarf viel höher wäre. Grundwasser hingegen hat eine viel längere Fliesszeit, die Selbstreinigung ist höher. Zu dessen Schutz existieren darüber hinaus Grundwasserschutzgebiete.
Und woher kommt unser Wasser nun genau?
Es stammt aus zwei grossen Einzugsgebieten: Zum einen aus dem Aaretal, gespiesen im weitesten Sinne aus dem Thunersee. Hier spielt die Schneeschmelze eine grosse Rolle, die Grundwasservorkommen werden daher auch im Sommer ständig gefüllt. Zweitens das Emmental, wobei die beiden Gebiete hydrologisch komplett voneinander getrennt sind. Gibt es bei einem der beiden Systeme irgendwo ein Problem, können wir auf das jeweils andere zurückgreifen.
Hier am Schönausteg steht das Pumpwerk, das ganz Bern mit Wasser versorgt. Doch wie kommt das Wasser in unsere Leitungen?
Vorneweg: Wir entnehmen direkt aus der Aare oder der Emme kein Wasser. Wir fördern es in den höher als Bern gelegenen Grundwassergebieten Kiesen und Signau mit Vakuum aus dem Boden, das Wasser fliesst anschliessend durch eine Gravitationsleitung entweder direkt in das Reservoir Mannenberg in Ittigen oder bis hier zum Schönausteg. Die Leitung aus dem Emmental hat eine Kapazität von rund 26 000 Litern pro Minute. Weil wir das Wasser nicht pumpen müssen, brauchen wir dieses in erster Priorität. Das Wasser aus dem Aaretal, hier reden wir von rund 40000 Litern pro Minute, fliesst hierhin an den Schönausteg – was davon nicht gebraucht wird, entlasten wir in die Aare. Soll es ins Netz gespiesen werden, müssen wir es von hier aus weiterpumpen.
Was hat es mit dem Reservoir auf dem Gurten auf sich?
Wir besitzen in der Belpau in Belp ein weiteres Pumpwerk. Von dort aus wird das Wasser auf den Gurten transportiert, unterhalb der Mittelstation befindet sich ein grösseres Reservoir, weitere stehen auf dem Mannenberg und auf dem Könizberg. Diese drei Reservoirs – Mannenberg, Gurten, Könizberg – verteilen dann das Wasser weiter. Für Gemeinden, die höher gelegen sind, wie etwa Wohlen oder Bolligen, wurden Zwischenpumpwerke eingerichtet.
Wozu braucht es eigentlich Trinkwasser in der Toilette?
Man könnte Regenwasser benutzen, das stimmt. In Bern ist die Situation jedoch so, dass wir das Grundwasser nicht mal aufbereiten müssen, sondern direkt so konsumieren können. Würden wir nun qualitativ schlechteres Wasser für Toiletten einsetzen wollen, müsste man eine Infrastruktur aufbauen, die so viel graue Energie beanspruchen würde, dass das insgesamt keinen Sinn macht.
Ist das Wasser aus der Aare trinkbar?
Grundsätzlich sind die schweizerischen Gewässer sauber. Wir Menschen reagieren aber stark auf bakteriologische Verunreinigungen. Im Wasser landet Kot von Tieren wie Schwänen oder Fischen, deshalb weisen Gewässer natürlicherweise stets Keime auf. Man sagt allerdings, dass der Ausfluss des Thunsersees im Winter Trinkwasserqualität habe.
Stimmt die Geschichte, dass dem Trinkwasser Fluor beigemischt wird?
Nein, das ist ein Mythos (lacht). Wir bereiten ja nichts auf, und technisch wäre das wohl nicht ganz einfach. Von den Kosten ganz zu schweigen.
Was kostet mich Wasser so ganz grundsätzlich?
Wasser stellt nicht nur das umweltfreundlichste, sondern auch das günstigste Lebensmittel dar. Einen Kubikmeter Wasser, 1000 Liter also, verkaufen wir unseren Aktionären für 85 Rappen. 1000 Liter Wasser in Petflaschen kosten, zum Vergleich, rund 150 Franken. Wasser ist also wahnsinnig günstig und wird erst noch frei Haus geliefert. Nicht zuletzt deswegen macht eine zweite Infrastruktur für Toiletten keinen Sinn. Die Rechnung für den Privathaushalt: Gerechnet wird mit einem Verbrauch von 175 Litern pro Person und Tag, das macht auf eine Woche gesehen rund 1000 Liter. Zu unserem Preis kommt noch die Feinverteilung innerhalb der Gemeinden dazu. Konkret: 1 bis 2 Franken. Dieser Preis wird aufgeteilt in Verbrauchs-, Grund- und Anschlussgebühren.
Ist Wasser tatsächlich so umweltfreundlich?
Die meisten Getränke wie Milch, Süssgetränke oder Fruchtsäfte schneiden bezüglich Umweltbelastung deutlich schlechter ab. Wein zum Beispiel werden rund 10 000- mal mehr Umweltbelastungspunkte zugerechnet als «Hahnenburger». Als Vergleich: Wer einmal in seinem Leben nach Rhodos in die Ferien fliegt, kann das ganze Leben lang Trinkwasser konsumieren. In Bern profitiert man davon, dass das Wasser, anders als in anderen Städten, nicht aufbereitet und aus dem Emmental wie erwähnt nicht einmal abgepumpt wird, sprich: Da steckt wirklich praktisch keine Energie drin.
Macht es Sinn, Wasser zu sparen?
Weltweit sind die Wasserknappheit und die Verschmutzung ein sehr ernstzunehmendes Problem, in Bern sieht es bei einer differenzierten Betrachtung anders aus. Man soll das Wasser nicht sinnlos verschwenden und verdrecken, klar. Mit Warmwasser sollte, wegen des Energieverbrauchs, sparsam umgegangen werden. Wer aber zuhause ein paar Minuten das Wasser laufen lässt – gerade, wenn man von den Ferien zurückkommt und stehendes Wasser in den Leitungen hat – macht ökologisch gesehen jedoch nichts falsch.
Nochmals: Wasser sparen ist gar nicht nötig?
In Bern nicht, nein. Ich sage den Leuten immer: Putzt die Zähne und lasst dazu das kalte Wasser laufen, damit tut ihr euch etwas Gutes! Dasselbe gilt für die WC-Kurzspültaste oder die Sparbrausen bei Duschen: Aus ökologischer und finanzieller Sicht machen sie wenig Sinn. Der Punkt ist, dass sich das Thema Wassersparen als Lehrmittel in Schulen sehr gut eignet, Kinder lassen sich schnell dafür sensibilisieren, halten Vorträge darüber und lernen damit den sorgfältigen Umgang mit den Ressourcen. Das ist positiv. Was passiert, wenn Sie zuhause sparen? Das Wasser fliesst einfach in die Aare. Bloss kommen diese Argumente in einer rot-grünen Stadt häufig nicht so gut an (lacht).
Anders gesagt: Vergessen wir das mit dem Wassersparen!
Gehen Sie mal nach Kanada, dort sind an Seen Wasserspiele für Kinder eingerichtet, dort hausiert man regelrecht damit und ist stolz auf dieses Gut. Hier wird im Gegenteil so fest gespart, dass sich das manchmal sogar kontraproduktiv auswirken kann.
Wie viel des gesamten Wasservorkommens brauchen wir genau?
Wir ermitteln jeweils sämtliche TopTen-Tage pro Jahr – dann also, wenn der Verbrauch am höchsten ist. Der Spitzenbedarf im vergangenen Jahr lag bei 77 Millionen Liter am Tag, der Mittelwert steht bei 54 Millionen Litern. Nun verfügen wir über eine konzessionierte Wassermenge von 120 Millionen Litern, das heisst, wir verbrauchen im Schnitt etwa die Hälfte von dem, was zur Verfügung steht.
Ist Wasser aus PET-Flaschen eine Konkurrenz für den «Hahnenburger»?
Wirtschaftlich sicher nicht. Von den errechneten 175 Litern trinkt man zuhause etwa 2 Liter, wenn überhaupt.
Wozu halten Sie sich hier Fische?
Grundsätzlich wird das Wasser ständig chemisch und physikalisch analysiert. Parameter sind etwa die Leitfähigkeit, – je dreckiger das Wasser, desto besser leitet es – Trübung, Te m p e ra t u r oder Stickstoffgehalt. Alle Werte sind bei uns quasi bei 0. Als zusätzlichen Schutz halten wir Elritzen, die uns Hinweise auf etwas geben können, das wir gar nicht messen, beispielsweise bei einem möglichen Terroranschlag mit biologischen Waffen. Die Elritzen werden elektronisch überwacht, verhalten sie sich unnatürlich, schlägt das System Alarm und das Wasser wird verworfen.
Was ist wirklich schädlich fürs Wasser?
Die hauptsächlichen Gefährdungen stammen aus der Landwirtschaft und dem Abwasser. Die Kläranlagen werden deshalb laufend verbessert und einzelne ARA eliminieren heute bereits Mikroverunreinigungen. Intensive Landwirtschaft und der übermässige Einsatz von Pestiziden vertragen sich nicht mit den Qualitätsansprüchen an das Trinkwasser. Deshalb haben wir in unseren Schutzzonen sehr rigorose Bewirtschaftungsregeln eingeführt und setzen diese auch um.
Was sollte man nicht in die Toilette werfen?
Alles, was über den Abfall entsorgt werden kann, gehört auch dahin. Tampons, Binden, Feuchttücher und Zahnseide haben in der Toilette nichts zu suchen. Jeder Partikel, der transportiert wird, verunreinigt das Wasser.
Yves Schott