Die städtische Parkplatzpolitik stösst Sibylle Plüss sauer auf. Das Lädelisterben ist für die Berner TCS-Präsidentin eine logische Folge davon.
Sibylle Plüss, hat es in Bern genug Parkplätze?
Nein, das hat es nicht.
Der städtische Verkehrsplaner Karl Vogel wurde mit folgenden Worten zitiert: «Das erklärte Ziel des Gemeinderates ist es, die Zahl der Parkplätze zu reduzieren.» Was halten Sie von dieser Aussage?
Aus sicherheitstechnischen Gründen kann ich nachvollziehen, dass man gewisse oberirdische Parkfelder aufheben will. Die Bedürfnisse haben sich geändert. Bedauerlich ist allerdings, dass die Parkplätze in der Folge kaum je unterirdisch kompensiert werden.
Wieso passiert das nicht?
Das hat wohl Kostengründe. Grundsätzlich wäre es eine Überlegung wert, ob die bereits bestehenden Parkhäuser ausgebaut werden könnten, beispielsweise das Metro Parking, das im Zuge einer möglichen Sperrung der Hodlerstrasse sowieso zum Thema werden wird.
Die weissen Zonenplätze rund um den Helvetiaplatz dürften ebenfalls bald Geschichte sein.
Soll dort wirklich ein Museumsquartier entstehen, begreife ich, dass man auf jenem Areal keine Autos haben will. Aber, und das ist mir wichtig: Wir werden die Besucherinnen und Besucher, gerade ausländische Gäste, nie komplett zum ÖV hin verschieben können. Deshalb braucht es andernorts ein Angebot – und das fehlt in solchen Fällen meistens.
Der links-grüne Gemeinderat will den motorisierten Verkehr aus der Stadt verbannen, logisch. Nur hat die Zahl von Fahrzeugen in den letzten Jahren tendenziell zugenommen.
Das hat unter anderem auch mit der steigenden Zahl von Carsharing Angeboten zu tun. Diese Autos benötigen ebenfalls einen Parkplatz.
Die Anwohnerparkkarten kosten neu 492 statt 264 Franken. Das ist ein happiger Aufschlag von 86 Prozent.
Das werden die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Portemonnaie definitiv spüren. Diese Verteuerung unterstütze weder ich als Privatperson noch als Vertreterin des TCS.
Machen Sie solche Massnahmen hässig?
Hässig ist das falsche Wort. Mich stört, dass die finanzielle Belastung für die Bevölkerung stetig steigt. Und weil es immer die Autofahrerinnen und Autofahrer sind, die zur Kasse gebeten werden.
Wer ein E-Auto fährt, berappt für die Parkkarte hingegen bloss 384 Franken. Das ist doch mal ein sinnvoller Anreiz.
Ich bin da kritisch. Der Strom für E-Autos kommt nicht nur aus der Steckdose. Man muss daran denken, wie diese Fahrzeuge hergestellt und die Akkus entsorgt werden. Zudem nehmen Teslas und Co. Strassen und Parkplätze im gleichen Masse wie andere PW in Anspruch.
Die Gebühren für öffentliche oberirdische Parkplätze steigen von 2.20 auf 3 Franken pro Stunde. Sogar der Preisüberwacher musste einschreiten und erklärte, 2.50 Franken seien genug.
Das Kostendeckungsprinzip muss eingehalten werden, keine Frage. Natürlich darf nicht die Idee dahin terstecken, an solchen Gebühren zu verdienen.
Die Stadt gibt ganz offiziell zu, mit der Erhöhung der Parkplatzgebühren ihr Finanzloch stopfen zu wollen.
Mit dem Bussenregime ist es übrigens dasselbe. Teilweise wurden solche Einnahmen sogar budgetiert. Aus Sicht des Bürgers erscheint mir das kaum gerechtfertigt.
Immerhin: Seit September können etliche oberirdische Parkplätze via App bezahlt werden. An Kreditkarten, wie sie im Ausland gang und gäbe sind, hat die Stadt hingegen nicht gedacht.
Ich gebe Ihnen recht. Im Juli wurde ich beim Bärenpark von Touristen angesprochen, die mit Karte bezahlen wollten und nur Euro dabei hatten. Ich half ihnen spontan mit ein paar Franken aus.
Führt die Stadt Bern einen Kampf gegen Autofahrerinnen und Autofahrer?
Mit Gemeinderätin Marieke Kruit und Karl Vogel findet ein regelmässiger Austausch statt. Unsere Anliegen werden geprüft – im Vergleich zu früheren Zeiten liegen Welten. Wir fühlen uns grösstenteils ernstgenommen und erachten das als Schritt in die richtige Richtung.
Bei aller Kritik muss fairerweise gesagt werden, dass die Politik des Gemeinderats von der Bevölkerung in einem hohen Mass legitimiert ist.
Absolut. Ich frage mich trotzdem, ob man sich bewusst ist, dass auch die Regionen rund um Bern viel dazu beitragen, damit sich die Stadt heute so präsentiert wie sie sich eben präsentiert. Wenn jene Personen nicht mehr ins Zentrum kommen wollen oder können, verliert Bern an Attraktivität. Das zeigt sich unter anderem beim Lädelisterben in der Unteren Altstadt. Wer hier einkauft, möchte sein Auto in der Nähe und nicht in Münchenbuchsee abstellen um dann die S-Bahn zu nehmen. Leute umerziehen zu wollen, halte ich generell für schwierig.
Was ist mit dem Wirtschaftsverkehr in der Kram- oder Gerechtigkeitsgasse?
Elektriker oder Sanitäre sollen mit ihrem Material zuerst ein Parkhaus suchen, um dann mit der schweren Werkzeugkiste 700 Meter zu ihrem Ziel zu laufen? Damit ist der Bevölkerung garantiert nicht gedient. Deswegen sind Parkplätze für den Wirtschaftsverkehr in jenem Bereich unerlässlich.
Wenn Sie anstelle von Marieke Kruit an den Schalthebeln der Macht sitzen würden – wie sähe Ihr Masterplan aus?
Ich würde das Projekt Klösterlistutz wieder aus der Schublade nehmen. Vor Jahren existierte die Idee, oberhalb des Bärenparks in den Hang hinein ein Parking zu bauen. Gleichzeitig würde sich so die Möglichkeit bieten, Parkplätze aus der Unteren Altstadt, die tatsächlich kein schönes Bild abgeben, dorthin zu verlagern. Unter der Bedingung, an der Sache nicht mitzuverdienen. Denn, so wird gemunkelt, lohne es sich für Bern allemal, die bestehenden Parkhäuser zu führen (lacht).
Sie wohnen in Boll und arbeiten in Bern. Wie oft kommen Sie mit dem Auto in die Stadt?
Mit dem ÖV müsste ich zwei- bis dreimal umsteigen und meine Fahrzeit würde sich deutlich verlängern – zudem nehme ich regelmässig auswärtige Termine wahr. Folglich fahre ich mit dem Auto in die Stadt. Zum Glück stellt mir mein Arbeitgeber einen reservierten Parkplatz zur Verfügung. Dieses Privileg geniessen jedoch nur die wenigsten.
Yves Schott