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«Manche schreiben mit 16 schon ein Testament»

Laura Bircher von den Jungfreisinnigen und Janosch Weyermann von der Jungen SVP diskutieren über das Für und Wider der geplanten Verfassungsänderung.

Frau Bircher, Sie unterstützen als Jungfreisinnige das Stimmrechtsalter mit 16 Jahren. Welche Vorteile sehen Sie dabei?
Laura Bircher: Besonders die Jüngsten in der Bevölkerung sind am längsten von den politischen Entscheiden betroffen. Wir stehen im Kanton vielen Herausforderungen gegenüber und entsprechend ist es für mich legitim, dass man Jüngere abholt und sie so früh wie möglich in politische Entscheidungen miteinbezieht.
Janosch Weyermann: Ich sehe das diametral anders. Für mich ist es ein Abbau von Demokratie, wenn das aktive und passive Wahlrecht altersmässig voneinander getrennt werden. Man hat mit 16 etwas anderes zu tun und ist auch nicht sonderlich politisch interessiert. Das zeigen Umfragen. Sinnvoller wäre, das Fach Politik in der Oberstufe zu haben.
Bircher: Man hat immer viel zu tun – Ausbildung, Familie und so weiter. Das ist für mich kein Grund. Mit einem Stimmrechtsalter von 16 Jahren werden die Leute direkt nach der Schule politisch abgeholt. Wenn man mit 16 Jahren schon abstimmen kann, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass das Interesse an der Politik stetig ist und später grösser wird. Politisches Bewusstsein wäre sicher präsenter, wenn man mit 16 das erste Stimmcouvert bekommen würde.
Weyermann: Ich glaube einfach nicht, dass in dem Alter das politische Interesse so gross ist, dass es für eine verantwortungsvolle Abstimmung reicht. Mir ging es da früher nicht anders und ich weiss von vielen Leuten, die mir das Gleiche sagen, wenn ich sie heute danach frage.

Herr Weyermann, sie sind also der Meinung, dass man 16-Jährigen zu viel abverlange, eine ausgewogene politische Entscheidung zu treffen?
Weyermann: Das glaube ich absolut. Es ergibt keinen Sinn, mit 16 Jahren etwa über Millionenkredite abzustimmen, wenn die dahinterstehenden Prozesse nicht richtig verstanden werden. Auf der anderen Seite kann man sich selbst noch nicht mal in Kommissionen wählen lassen, da das passive Wahlrecht erst mit 18 Jahren greift.
Bircher: Ich sehe das etwas offener. Die Volljährigkeit ist immer ein Argument der Gegner. Aber man muss auch sehen, dass das Zivilrecht bereits viele Rechte für 16-Jährige festschreibt. Sie können zum Beispiel ein Testament verfassen. Das zeigt, dass Jugendliche wichtige Entscheide treffen können. Auch die sexuelle und religiöse Volljährigkeit beginnt bereits mit 16 Jahren. Viel wichtiger jedoch ist die Urteilsfähigkeit einer Person, die Konsequenzen ihrer Handlungen zu verstehen.

Und diese Urteilsfähigkeit ist mit 16 Jahren vorhanden?
Bircher: Das ist situationsbedingt. Abschlüsse kleiner Kaufverträge mit dem eigenen Taschengeld werden bereits 12- bis 13-Jährigen zugetraut. Bei 16 Jahren wird davon ausgegangen, dass man bereits für die meisten Handlungen urteilsfähig ist.
Weyermann: Auch hier kann ich das so nicht unterstützen. Es kommt sehr auf den Einzelfall an. Es gibt Leute, die mit 16 Jahren schon viel weiter sind als andere. Es kann sein, dass jemand bereits mit 16 Jahren ein Testament schreiben kann. Andere wissen vielleicht gar nicht, was das ist.

Frau Bircher, Glarus und Bern wären die einzigen Kantone mit Stimmrechtsalter ab 16 Jahren. Ist das gesamtschweizerisch sinnvoll?
Bircher: Es ist ja das Schöne am Föderalismus, dass jeder Kanton in seinem Rahmen entscheiden kann, wie er die Gesetze macht. Es wäre sicher ein progressiver Schritt des Kantons Bern. Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen.
Weyermann: Ich bin auch für den Föderalismus. Jeder Kanton soll selbst entscheiden. Andere Kantone haben ein niedriges Stimmrechtsalter bisher abgelehnt. Ich glaube, dass auch hier die Stimmbevölkerung klar Nein
sagen wird.

In Bern wurde das Stimmrechtsalter mit 16 Jahren zuletzt 2009 behandelt und mit grosser Mehrheit abgelehnt. Was halten Sie davon, dass es jetzt wieder diskutiert wird?
Weyermann: Das ist demokratisch legitimiert. Es gab einen Vorstoss im Parlament, der ist durchgekommen. Aber ich bin stark davon überzeugt, dass dieser Vorschlag hier im recht konservativen Kanton Bern wieder bachab geschickt wird. Vielleicht nicht mit einer so grossen Mehrheit wie damals.
Bircher: Natürlich ist es legitim, darüber nochmal abzustimmen. Ich hoffe, dass sich in den Jahren etwas geändert hat, es mehr Akzeptanz für ein herabgesetztes Stimmrechtsalter gibt und die jüngere Bevölkerung politisch abgeholt werden kann.
Weyermann: Ich denke, man macht eine Fehleinschätzung, wenn man davon ausgeht, dass sich Jugendliche komplett für Politik interessieren. Sie wären nicht national stimmberechtigt, sondern nur auf Kantons- und Gemeindeebene. Aber es wären sicherlich die nationalen Themen, die die Jugendlichen interessieren. Die Klimajugend zum Beispiel arbeitet eher auf nationaler Ebene.
Bircher: Aber auch kantonale und kommunale Abstimmungen sind sehr wichtig. Es sind die Abstimmungen und Entscheidungen, die uns am meisten betreffen.

Wie wichtig ist das Stimmrecht ab 16 für die Stadt Bern?
Weyermann: Die Stadt ist das politische Zentrum des Kantons und der Schweiz. Ich denke, dass die Jugendlichen hier politischer sind, da alles zentral zusammenläuft.

Dennis Rhiel

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