Ursula Andress: Die Bernerin, die Weltkarriere machte. Im Gespräch mit Claudio Righetti erzählt sie von ihren Jugendstreichen und wie sie ihre Stadt heute erlebt.
Ursula, du hast mir einmal erzählt, dass du als kleines Mädchen im Kirchenfeld gewohnt hast.
Ja, an der Tillierstrasse unweit vom Tierpark. Wenn es heiss wurde, schmuggelte ich mich oft unter dem Drehkreuz hindurch in das nahe Wellenbad der Ka-We-De.
Das Wasser zog dich bereits damals magisch an. Am Strand von Jamaika wurde es dann mit «Dr. No» dein Durchbruch auf der Weltbühne.
Ich hatte grosses Glück in meinem Leben. Schon als kleines Mädchen reizte mich das Abenteuer. Obwohl es streng verboten war, badete ich im Sommer im Wasserbecken des Welttelegrafen-Denkmals am Helvetiaplatz. Rückte die Polizei an, rannte ich so schnell ich konnte weg. (lacht)
Mit dem Bundesplatz verbindest du ebenfalls schöne Erinnerungen an Bern.
Oh ja. Meine Mama hatte einen Stand am Blumenmarkt. Ich war gerne dort. Die Blumenstände waren alle so schön und mit viel Liebe geschmückt. Als Kind musste ich in der Gärtnerei meiner Grosseltern in Ostermundigen hart arbeiten.
Welches ist eigentlich dein Lieblingsort in Bern?
Die Altstadt! Sie ist für mich eine der schönsten der Welt. Ich gehe gern unter die Lauben «lädälä». Es gibt dort heute noch zahlreiche herzige kleine Geschäfte.
Und der Bärengraben?
(Lacht) Du weisst, dass mir die neue Anlage nicht wirklich gefällt. Ich finde den Hang im Bärenpark zu steil für die armen Bären und etwas zu karg. Warum können die Tiere nicht zwischen dem alten Graben und der Aussenanlage weiterhin hin- und herrennen?
Wenn du in Bern bist, gehört der Aare-Spaziergang praktisch zum Pflichtprogramm, oder?
Die Aare ist ein wunderschönes Gebiet. Ich mag das klare Wasser, wie man fast jeden Stein darunter sieht und die wilde Natur, die das Ufer der Aare umsäumt. Das gibt es weltweit fast nirgends.
Was ist das Erste, das du tust, wenn du in Bern ankommst?
Ich besuche meine Familie in Ostermundigen und in Bern. Die Familie ist das Wichtigste im Leben. Wir müssen Sorge zu ihr tragen.
Als du Bern verlassen hast, warst du erst 17. Doch das tat deiner Liebe für Bern keinen Abbruch.
Ich habe die ganze Welt gesehen, war viele Jahre eine «Wandertube». Doch Bern blieb immer mein Zuhause: Hier sind meine Wurzeln und meine Familie. Hier ging ich zur Schule, hier habe ich meine Jugend verbracht. Damals war übrigens alles deutlich strenger als heute. Unter 18 wurde man nicht ins Kino gelassen, den Buben durfte man sowieso nie zu nahe kommen. (lacht)
Jetzt verstehe ich, warum du schon mit 17 dem Ruf deines Herzens und Daniel Gélin nach Paris gefolgt bist. (Lacht) Wir sollten immer auf unser Herz hören. Die Generation von damals wuchs weit disziplinierter auf als jene von heute. Disziplin ist eine Art Zweig der Liebe, die benötigt wird, um durchs Leben zu kommen. Ich würde mir wünschen, dass Disziplin auch heute einen höheren Stellenwert hätte.
Wie hat dir diese Disziplin in deinem Leben geholfen?
In Hollywood musste ich mich ganz alleine durchschlagen. Wäre mir keine Disziplin beigebracht worden, hätte ich es wohl kaum geschafft. In der Schule wurde ich wegen meines strengen Grossvaters oft gehänselt. Es verging kein Monat, ohne dass mein Grossvater mir und meinen Geschwistern erklärte, wieso er so streng mit uns sei. Er hatte recht, denn seine Weisheiten haben mir enorm geholfen. Stell dir vor: All die Verführungen, denen ich in meinem Leben begegnet bin…
Moritz Leuenberger, damals Bundespräsident, gratulierte dir zum 70. Geburtstag mit den Worten: «Sie sind unsere beste Botschafterin.» Wie begegnet dir Bern in der Welt?
Leider wissen viele Menschen nicht, dass Bern die Hauptstadt der Schweiz ist. Die meisten, denen ich im Ausland begegnet bin, denken jeweils an Zürich oder Genf. Der Name Bern fällt fast nie. Gstaad aber kennen sie.
Wie kommt das?
Wenn ich das wüsste … (überlegt)
Herrscht in Gstaad eine andere Mentalität?
Absolut, dort verkehrt die ganze Welt. Schön einkaufen und gut essen kann man aber auch in Bern. Nur finden halt wenige den Weg hierher.
James-Bond-Legende Sean Connery wurde kürzlich 90 Jahre alt. War er einmal in Bern?
Er hat eine Wohnung in Gstaad, vielleicht fuhr er mal vom Flughafen her durch die Stadt. (lacht)
Es ist noch gar nicht so lange her, da spielte die Musik in Bern und nicht in Zürich. Zürich galt damals als verschlossen und eher farblos …
Das internationale Business verlagerte sich immer häufiger nach Zürich und Genf. Es wäre natürlich schön, könnte Bern wieder mehr auf sich aufmerksam machen. Es braucht Mut zu mehr Grösse.
Was war in den 50er- und 60er-Jahren denn so anders?
Alle hatten eine Zukunft, strahlten Lebensfreude aus. Menschen standen sich näher, gingen miteinander essen und schauten sich dabei in die Augen.
Das Spontane und Ungezwungene ist verlorengegangen?
Heute sind alle auf Facebook oder Instagram und wollen für sich möglichst schnell eine günstige Gucci Tasche kaufen. Fürs Geniessen nimmt sich kaum jemand bewusst noch Zeit.
Findest du Bern gastfreundlich?
Ich finde, in Bern ist man eher lieber unter sich – im Gegensatz zu den Italienern zum Beispiel. Eine wirkliche Offenheit erlebe ich selten. Wir Schweizer sind nun mal ein eher verschlosseneres Völkchen. (lacht)
Wer in der Schweiz sagt, Ursula Andress sei die berühmteste Bernerin, kriegt sofort zu hören: Nein, sie kommt aus Ostermundigen! (Lacht)
Am Ende des Tages sind wir alle Bernerinnen und Berner – und ich bin einfach die Person, die ich bin. Ich denke, manchmal fehlt etwas der Respekt vor der Hauptstadt. Wenn wir schon dabei sind: Was läuft eigentlich im Zentrum Paul Klee?
«Mapping Klee». Eine Ausstellung, die Paul Klees Lebensstationen und Reisen folgt.
Hier läuft gerade eine sensationelle Ausstellung über den RenaissanceMaler Raffael. Um sie zu sehen, kommt die ganze Welt nach Rom…
Grossartig. Doch solche Ausstellungen sind sehr teuer. Allein die Versicherung verschlingt Millionen.
Ich bin überzeugt, da liesse sich trotzdem deutlich mehr herausholen, mit der Kultur in Bern.
Damit sprichst du mir natürlich aus dem Herzen! Kultur ist nicht nur die DNA unserer Stadt. Sie klug zu fördern, bedeutet zudem, unsere Zukunft erfolgreich zu machen.
Apropos: Wie geht es dem Stadttheater?
Gerade wohl weniger gut. Der Nationalrat hat vergangene Woche die sogenannte Bundesmillion gestrichen, das Stadttheater muss also auf einen relativ grossen «Batzen» verzichten. Doch zurück zu Ostermundigen: Wusstest du, dass der «Bären» mittlerweile abgerissen wurde? 2006 hat dort noch deine Ehrenbürgerfeier stattgefunden …
Das macht mich ein wenig traurig. So ein Ort ist auch Kultur und müsste geschützt werden. Das Hochhaus, das jetzt entsteht, ist ebenfalls wichtig, es steht für Bewegung und Fortschritt. Man sollte ein Auge auf beides haben!
Hast du einen Wunsch an den neuen Stadtpräsidenten, der bald gewählt wird?
Er soll Traditionen erhalten. Sie sind für jede Stadt und jedes Land wichtig. Die Vergangenheit darf nie in Vergessenheit geraten. Früher haben in der Familie alle zu den Eltern und Grosseltern geschaut. Heute macht das kaum mehr jemand.
Ich kümmere mich seit Jahren um meinen Vater, der sogar mit mir zusammen wohnt …
Das ist schön, nur heutzutage fast schon einzigartig, leider. Man sollte sich immer wieder in Erinnerung rufen, was die Eltern für einen gemacht haben, bevor man die Welt entdeckte und einen Beruf erlernt hatte. Ich meine: Was bedeutet Erfolg? Er kann dir Ruhm und Geld bringen, ja. Aber was hast du davon, wenn du am Ende des Tages ganz allein mit deiner wunderschönen Wohnung und einem tollen Auto dastehst? Die Familie ist ein Anker im Leben, dem wir immer mit Respekt und Dankbarkeit begegnen sollten.
Ursula, ich danke dir herzlich für diesen offenen Gedankenaustausch.
Claudio Righetti/ys