«Ohne Qualität geht nichts, sonst müssen wir den Laden schliessen!»

Nach dem Abgang von KTBIntendant Stephan Märki ist Direktor Xavier Zuber (51) mit der Sparte Oper und Konzert eine der neuen Frontfiguren der Berner Spielstätte.
Der Bärnerbär hat den gebürtigen Basler, der seit 2012 in der Bundesstadt die Geschicke im Musiktheater und in den Konzertsälen leitet, in seinem Büro an der Nägeligasse getroffen und fand einen gelösten Musikdirektor vor, der es mit Schalk verstand, einer wichtigen Frage auszuweichen: Wollen Sie der neue Intendant von Konzert Theater Bern (KTB) werden, Herr Zuber?

Sie gelten als Mann mit grossem Herz und Nerven wie Drahtseilen. Während und nach der Absetzung von Stephan Märki waren Sie der Fels in der Brandung bei KTB.
Ich habe grossen Spass, hier zu arbeiten und sage stets: Was auf der Bühne passiert, ist das Wichtigste.

Man nahm Sie und Stephan Märki als eingespieltes Team wahr. Vermissen Sie Ihren einstigen Chef?
Stephan Märki hat mich 2011 nach Bern geholt. Dafür bin ich ihm ewig dankbar.

Mit Chefdirigent Mario Venzago, Ballettchefin Estefania Miranda und dem kaufmännischen Leiter Anton Stocker arbeiten Sie schon viele Jahre zusammen. Schauspielleiter Cihan Inan hat sich bereit erklärt, bis 2021 zu bleiben. Was verändert sich für Sie in der Post-Märki-Ära?
Wir sind als Spartenleiter mehr im Vordergrund, für die Kunst gibt es keine grossen Veränderungen. Neu ist, dass wir gewisse Management-Aufgaben untereinander aufteilen. Man kann das mit dem Kollegialitätsprinzip im Bundesrat vergleichen.

2012 sind Sie mit Beethovens «Fidelio» fulminant gestartet und konnten für jene Saison gute Zuschauerzahlen vorweisen. Dann kam ein Absturz und es hagelte Kritik zu sperrigen Inszenierungen, etwa von Lydia Steier oder Michael Simon. Daraufhin pendelte sich die Oper bei 25 000 Besuchern ein und Sie sagen für 2017/2018 gute Zahlen voraus. Schliesst man die Renovation im Stadttheater und die Reduzierung um 110 Sitzplätze mit ein: Was liegt künftig drin im Haus?
Bei den 25000 Zuschauern reden wir von der Umbau-Spielzeit. Heute geben wir wieder mehr Vorstellungen und kommen trotz der Sitzreduktion auf eine ansehnliche Zahl, die wie im 2012/2013 gegen 40000 tendiert. Bei den Sängern geht es darum, die einzelnen Qualitäten zum Blühen zu bringen. Das braucht Zeit.

Man hat bei Ihnen und Chefdirigent Mario Venzago den Eindruck, dass Sie musikalisch den Norden mehr bevorzugen als den Süden. Wagner, Strauss, Janáček und Mozart stehen regelmässig auf dem Spielplan, dafür gibt es keinen Belcanto von Donizetti oder Verismo von Mascagni. Ist das Ihr Geschmack?
Ja, schon. Es ist aber vielmehr ein Plan, der die Einheit der Qualität sicherstellen will und das gilt für die Oper wie für das Symphonische. Das Italienische oder Französische soll darin als Spezialität Platz haben. Aber die Richtschnur, ausgehend von Fidelio bis hin zur deutschen Romantik, ist ein Weg, den wir auch im Konzert verfolgen und als Qualität ausschöpfen möchten. Es wird jedoch künftig Überraschungen geben.

Sie spielen ja nicht nur sehr oft Mozart, sondern wiederholen mit «Così fan tutte» oder Puccinis «La Bohème» Opern, die erst vor kurzem in Bern liefen. Selbst im Ensemble, so heisst es, wird man mozartmüde.
Mozart ist auch ein Plan, eine Spielund Gesangskultur. Es ist wichtig für Sänger, auf Mozart zurückzukommen, denn das ist die Basis für eine gute Technik. Für Puccini ist es jetzt wieder an der Zeit. Wir machen diese «Bohème» als Kooperation mit Südafrika. Der Regisseur Matthew Wilde unseres «Don Giovanni» ist der künstlerische Direktor der Cape Town Opera in Südafrika. Die Zusammenarbeit soll über drei Saisons gehen.

«Così fan tutte» läuft gleichzeitig in Bern, Zürich und Lausanne. Sprechen Sie sich untereinander nie ab?
Zürich ist schwer. Wenn der «Tyrannosaurus Rex» zuschlägt, hat man keine Chance (lacht). Mit Dieter Kaegi von Tobs spreche ich mich regelmässig ab. Die französische Schweiz ist eine andere Welt.

Dieter Kaegi, Intendant bei Theater Orchester Biel Solothurn, sagt: «Wir erhalten auch Subventionen, um rare Perlen zu zeigen.»
Es wird auch bei uns rare Perlen geben.

Barrie Kosky hat in seiner Komischen Oper in Berlin Erfolg mit Operetten. Warum nicht Bern?
Ich will jemanden, der daran glaubt und das technisch wie inszenatorisch umsetzen kann. Ich bin aber auch kollegial gegenüber anderen Playern wie der Sommeroperette Bern, der Sommeroper Selzach oder den Thuner Seespielen. Wir arbeiten miteinander und nicht gegeneinander.

Stichwort Sommeroperette: Warum singen Berner Grössen wie Rebekka Maeder oder Anne-Florence Marbot nicht in Bern?
Bei mir kann jeder vorsingen. Ich muss einfach schauen, dass das Profil mit dem meiner Leute übereinstimmt. Ich kann Kräfte reinholen, aber ich brauche gesanglich Top-Shots, die eine Aufführung tragen können.

Es wird angeregt, dass man einer Diaspora, also in Bern z.B. die Tamilen, kulturelle Teilhabe zukommen lässt. Warum nicht?
Oper ist und bleibt aber eine westeuropäische Erfindung, sie gehört zu unserer kulturellen DNA. Und von neuer Musik erwarte ich, dass sie für ein klassisches symphonisches Orchester komponiert ist.

Von der Stadt Bern und von Alec von Graffenried wird mehr Mitsprache gefordert. Fakt ist, dass die 38 Millionen Steuergelder zu 48 Prozent von der Stadt kommen.
Ich bin konservativ und stehe für Symphonie und Oper. Das Grundwesen der Klassik muss auch bei neuer Musik beibehalten werden. Schliesslich bin ich ja nicht hier, um mit den Leuten Golf zu spielen. Unsere Abonnenten und die neuen Zuschauer machen deutlich, dass Bern eine Musikstadt ist. Wir sind teuer, aber ohne Qualität geht es nicht, sonst müssen wir den Laden dichtmachen.

2019 wird das renovierte Casino eröffnet. «Crossover» lautet das Zauberwort. Geht der Taktstock nun an André Rieu & Co?
Wir haben von der Burgergemeinde den Auftrag, im Casino Symphoniekonzerte zu veranstalten. Man muss bei «Crossover» differenziert diskutieren. Es geht nicht um ein Label, sondern darum, dass man neue Projekte symphonisch denkt. Mich interessiert ein grosser Klangkörper wie das BSO.

Ihr Vertrag läuft bis 2021, Sie sind also zwangsläufig auf Stellensuche. Wollen Sie in Bern bleiben?
Mein Auftrag für Bern ist es, bis 2021 meine Arbeit zu machen.

Haben Sie sich beworben bei KTB?
Ich bin Teil der Geschäftsleitung. Die Frage ist, ob es einen neuen Intendanten geben soll.

Hat Sie der Stiftungsrat unter dem Präsidium von Nadine Borter gefragt, ob Sie bleiben wollen?
Nein. Aber es interessiert mich, Kopf eines Hauses zu werden.

Fakt ist, dass das Gremium für Nachfolgeregelungen aller Spartenleiter bereits aktiv ist.
Das müssen Sie wirklich Nadine Borter fragen (grinst).

Stephan Märki inszeniert Wagners «Tristan» nicht. Wer denn?
Das werden alle bald erfahren (lacht).

Peter Wäch

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