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Olivias Leidensweg meistern sie als starkes Team

Die Sonne scheint warm in die Stube der Familie Gaspar. Das tut allen gut, denn das Schicksal der kleinen Olivia aus Mühlethurnen brachte der Familie viel Leiden, unmenschliche Belastungen und grosse Zukunftsängste.

Die kleine viereinhalbjährige Olivia steht strahlend an der Wohnungstür. Was normal aussieht, ist für ihre Eltern Anita (32) und Olivier Gaspar (53) alles andere als gewohnter Alltag. «In den letzten zehn Monaten waren wir nur etwa an drei Wochenenden zu Hause». Olivias Vater ergänzt mit feuchten Augen: «Seit fast einem Jahr ist in unserem Familienleben nichts mehr, wie es einmal war.» Der Leidensweg begann, als Olivia schon als Kleinkind immer wieder erbrechen musste, seit letztem Frühling vermehrt auch früh am Morgen auf nüchternen Magen. Untersuchungen in der Hausarztpraxis und im Spital ergaben keine klare Diagnose, Gaspars wurden immer wieder vertröstet, vielleicht auch aufgrund der speziellen Coronazeit.

Bis Vater Olivier am 11. April 2022 der Kragen platzte: «Ich konnte nicht mehr mitansehen, wie schlecht es Olivia bereits beim Aufwachen ging. Er meldete sich zum x-ten Mal in der Hausarztpraxis – und plötzlich ging alles ganz schnell. Noch am selben Tag musste Olivia mit Verdacht auf Hirntumor ins Inselspital. Dort wurde das Mädchen neurologisch untersucht und erhielt einen Termin für ein MRI, aber erst rund zwei Wochen später. Wieder warten und bangen.

Dramatische Monate im Spital
Nach dem MRI – bei kleineren Kindern geschieht dies unter Vollnarkose – wartete im Aufwachraum bereits ein Professor mit seinem Team. «Da wussten wir, dass es ernst ist», erinnert sich Vater Gaspar. In Olivias Kopf wurde ein langsam wachsender, zum Glück gutartiger Hirntumor, entdeckt. Nach dieser Diagnose standen die Eltern unter Schock und mussten im Spital von einem Careteam betreut werden.

Gleich am nächsten Tag wurde Olivia 14 Stunden operiert, danach folgte eine dreistündige Hirndrainage. Für die nächsten zwei Wochen lag das Mädchen auf der Intensivstation im künstlichen Koma, die Eltern immer an ihrer Seite. In den nächsten drei Wochen versuchten die Ärzte vergebens, den Beatmungsschlauch aus Olivias Luftröhre zu entfernen, um sie ganz aus dem Koma aufwachen zu lassen. Deshalb setzten sie Olivia ein Tracheostoma. Das ist eine künstliche Öffnung in der Luftröhre mit einer Kanüle, die das Atmen unterstützt oder erst ermöglicht.

Niemand ahnte da, dass diese Kanüle erst fünf Monate später aus Olivias Luftröhre entfernt werden könnte. «Der Fremdkörper belastete mich extrem», erinnert sich Anita Gaspar «auch weil Olivia mit dieser Vorrichtung nicht mehr reden konnte.» Als Folge der Hirnoperation litt die kleine und sehr tapfere Patientin zusätzlich an einer Schluckstörung und muss deshalb bis heute über eine Magen-Darm-Sonde künstlich ernährt werden.

Die Eltern werden zu Pflegenden – rund um die Uhr
Nach zehn Wochen Inselspital begann am 1. Juli die Reha in der schweizweit einzigen Kinderrehabilitationsklink in Affoltern am Albis. Die Eltern waren auch dort immer bei Olivia. Nach ersten Erfolgen erlitt das Mädchen in der Reha mehrere Lungenentzündungen, weil immer wieder Sekretflüssigkeit in die Lungen drang. Zusätzlich machten ihr verschiedene Viren und Bakterien zu schaffen. So reiste die ganze Familie mehrmals zwischen Rehaklinik und Inselspital hin und her, entweder mit der Ambulanz oder im Rega-Helikopter. In dieser hochbelastenden Zeit blieb Anita Gaspar immer stark und zuversichtlich: «Ich musste ja, denn es fehlte überall an Pflegepersonal. So wurde ich zur Pfegefachfrau, war und bin heute noch rund um die Uhr für unsere Olivia da. In der Nacht werde ich mehrmals wach, weil Olivias Sauerstoffmaske im Schlaf verrutscht und das Gerät den sinkenden Sauerstoffgehalt im Blut meldet. Diesen konstanten Schlafentzug und die Dauerpflege halte ich wohl nur aus, weil ich von meinem Papa gute Gene geerbt habe.»

Die Welt der Familie Gaspar ist heute eine andere
«Ausgepowert, fix und fertig, finanziell, physisch und psychisch angeschlagen. Sarah (17), meine zweite Tochter aus einer früheren Beziehung, kam immer zu kurz.» So schildert Olivier Gaspar seine Gemütslage. «Nur dank meiner starken Frau funktioniert alles noch.»

Seit wenigen Tagen wohnt die Familie wieder in Mühlethurnen und fährt für ambulante Therapien ins Inselspital. Noch immer wird die kleine Patientin künstlich ernährt, hat weiterhin Probleme mit den Lungen und beim Abhusten des Sekrets. Ab August wird Olivia im Rossfeld den Kindergarten mit angeschlossener Therapie besuchen. «Wir geben nie auf», meint ihre Mutter entschlossen.

Jürg Morf

Die drei KMSK-Schwerpunkte

• Finanzielle Direkthilfe: 2022 mehr als 500 000 Franken an betrof­fene Familien ausbezahlt.
• Betroffene Familien verbinden: 2022 konnten 1100 Familienmitglieder kostenlos an KMSK Familien-Events teilnehmen.
Via Facebook-Selbsthilfegruppe sind 680 Eltern verbunden, 740 Familien sind im KMSK Familien-Netzwerk.
• Wissensvermittlung zum Thema seltene Krankheiten: für (neu)betroffene Familien, Fachpersonen, Gesundheits­politiker und Medien,
 wissensplattform.kmsk.ch

«Wir sind für Kinder wie Olivia und Familien wie Gaspars da. Seit 2014 setzen wir uns schweizweit für rund 350 000 betroffene Kinder und Jugendliche mit einer seltenen Krankheit und deren Familien ein. Wer ein Zeichen setzen möchte, kann dies am heutigen ‹Rare Disease Day› – dem Tag der seltenen Krankheiten – tun.»
Manuela Streit, Gründerin und Geschäftsführerin des Fördervereins für Kinder mit seltenen Krankheiten KMSK, kmsk.ch, rarediseaseday.org

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