Die Welt des Glücksspiels ist eine ganz eigene. Im Grand Casino Bern klingelt, leuchtet und bimmelt es fast rund um die Uhr. Doch vieles von dem, was im Hintergrund läuft, erfährt der Besucher gar nicht.
Sie stehen ganz nahe am Roulette-Tisch. Die Kugel dreht sich immer langsamer – und fällt dann auf die 16. Die einen ballen die Faust, andere schauen entgeistert gen oben. Das Spiel wiederholt sich Tag für Tag, Stunde für Stunde. Glück und Pech liegen nirgends so nahe beieinander wie hier. Alle hoffen sie, dass sie an der Maschine oder beim Black Jack den grossen Wurf landen, den dicken Batzen mit nach Hause nehmen. Ob Erfolg oder Niederlage: Die Leute kommen immer wieder, der Spieltrieb stirbt nie. Im Hintergrund kümmern sich Dutzende Angestellte darum, dass alles reibungslos vonstattengeht. Der Bärnerbär stellt einige von ihnen in dieser Ausgabe vor: den Sicherheitsmann, den Croupier und – natürlich – den Chef.
Wo das Glück immer Konjunktur hat
Wer hierher kommt, sucht das grosse Glück. Doch im Grand Casino Bern gibt es noch viel mehr als nur Spieltische und Slot-Automaten. Einblick in eine glitzernde Welt.
Der Sicherheitsmann
Ihnen entgeht nichts. Etwa 300 Kameras sind hier in Betrieb, Betrug oder schon nur der Versuch davon: zwecklos. Über sämtliche an Gäste getätigte Auszahlungen – Spielgewinne – wird ein Logbuch geführt, alles ist minutiös aufgelistet. «Geld- und Jetonmenge sowie deren Wert müssen jederzeit ersichtlich sein», erklärt Hans Perren, Leiter Sicherheit und Überwachung im Grand Casino Bern.
Die Verantwortlichen der Überwachungszentrale, in der wir stehen und die 24 Stunden am Tag besetzt wird, beobachten und greifen ein, wenn es die Situation erlangt. Überall flimmernde Bildschirme, im Hintergrund läuft dezent Popmusik. Wer als Gast versucht, die Croupiers über den Tisch zu ziehen, hat sprichwörtlich schlechte Karten. Jede Spielsituation am Roulette- oder Black-Jack-Tisch kann nachträglich überprüft werden. Die Kameras schiessen rund 25 Bilder pro Sekunde, die Aufnahmen bleiben dann knapp einen Monat lang gespeichert – im Falle eines Falles. Terrabytes von Daten.
«Wir zählen schon
nur das kleinste
Ereignis als Vorfall.»Hans Werren, Sicherheitschef
Wie häufig es zu Vorfällen kommt? Perren überlegt. «Hängt davon ab, was Sie mit Vorfall meinen. Intern betrachtet zählen wir schon nur das kleinste Ereignis als Vorfall. Zum Beispiel, wenn ein junger Mann rein will und den Ausweis seines Bruders zeigt, weil er selbst noch keine 18 ist.»
Neben den erwähnten Kameras sorgen Security-Angestellte im Casino, das zusammen mit Montreux, Lugano, Luzern, Zürich, Baden, Basel und St. Gallen zu den Spielbanken mit einer A-Konzession gehört, für Ruhe und Ordnung. Wobei dies vielleicht der falsche Ausdruck ist. Sagen wir: Sie haben ein Auge auf das Geschehen. Denn etwas wirklich Gravierendes, Schlimmes passiert sehr selten. «Wir registrieren vielleicht zwei bis drei physische Abtransporte pro Jahr, wir sind ja kein Club», sagt Perren. Aufpasser sollen kommunikativ und konsequent, aber nicht provokativ auftreten. «Sie müssen gut verhandeln können.»
Sämtliche Casino-Mitarbeiter tragen Uniformen, natürlich. Aber ohne Hosensäcke. Es soll ja niemand auf die Idee kommen, irgendetwas heimlich rauszuschmuggeln. Deshalb sind laut Perren auch Uhren untersagt. «Es herrscht zudem eine ziemlich strikte Ordnung vor, wer wo durchlaufen darf. Die Pause wird in der Kantine gemacht, nach draussen gehen ist während der Arbeitszeit verboten.» Selbstverständlich wird die Ausfuhr sämtlicher Waren von geschultem Personal überwacht.
Nach rund zwanzig Minuten verlassen wir den Raum. «Zu erzählen gäbe es über dieses Thema noch viel», meint Hans Perren. Doch wir müssen weiter zum nächsten Gesprächspartner. Die grobe Erkenntnis: Schiebung eigentlich unmöglich, betrügen kann man hier nur sich selbst. Mit falschen Erwartungen.
Der Croupier
Justin ist 42 Jahre alt und kommt ursprünglich aus Rumänien. Im Grand Casino Bern arbeitet er seit etwas mehr als sechs Jahren. Er sorgt für einen reibungslosen Ablauf beim Black Jack, diversen Pokerspielen oder am Roulette-Tisch.
Wann haben Sie am meisten zu tun?
Ganz klar am Wochenende. Vor Weihnachten und während der Ferienzeit ist ebenfalls viel los, im Winter sind mehr Leute da als im Sommer.
Kennen Sie Gäste, die jeden Tag hier sind?
Ja, wer häufig kommt, muss aber auch beweisen können, dass er oder sie sich das leisten kann. Dafür gibt es aber ein Sozialkonzept, die Kontrollen sind gut.
Hatten Sie schon Probleme mit Besuchern?
Die meisten Menschen respektieren die Regeln und Gepflogenheiten. Manchmal passiert es, dass jemand die Grenzen überschreitet, sei es beim Spiel oder bei den Getränken.
Was geschieht dann?
Ich versuche zu beruhigen und achte darauf, dass der Gast ja nicht aggressiv oder nervös wird. Oder ich informiere meinen Vorgesetzten, der mit der betreffenden Person dann vielleicht einen Kaffee trinken geht.
Echte Zwischenfälle sind also selten?
Ja, ich kann mich während meiner sechs Jahre hier an etwa zwei oder drei Vorfälle erinnern. In Osteuropa ist das ganz anders, da spielen Faktoren wie Prestige und Stolz eine grosse Rolle. Hier steht der Spass im Vordergrund.
In der Schweiz haben Sie wie auch alle anderen Casino-Angestellten Spielverbot – spielen Sie dafür im Ausland?
Warum nicht, ja. Wenn ich mit meiner Frau in den Ferien bin, etwa in Barcelona, gehen wir schon mal ins Casino. Wir haben aber nicht mehr Glück als andere (lacht).
Wie lautet eigentlich der Trick, um beim Roulette möglichst viel Geld zu gewinnen?
Trick kann man dem nicht sagen, schliesslich gibt es keine Gewinngarantie. Man sollte aber nie gegen das Spiel setzen, das heisst: Kam gerade rot, sollte nicht auf Schwarz gewechselt werden. Der beste Trick ist aber: rechtzeitig aufhören, am besten dann, wenn man gewonnen hat.
Der Boss
Zum «One Night in Vegas»-Event im vergangenen Herbst erschien er mit Ranger-Hut und Cowboystiefeln. Ludwig Nehls, seit Juni Direktor des Grand Casino Bern, sagt von sich selbst, er sei ein extrovertierter Typ. «Ich stehe auf Entertainment und Showbiz.»
Der 56-Jährige, zuvor Centerleiter im Westside, scheint deshalb der richtige Mann für die bevorstehenden Herausforderungen zu sein. «Der Gast erwartet Unterhaltung und kommt nicht rein wegen des Spiels hierher.» So ist unter anderem geplant, die bestehende Bar in einen grösseren, schmuckeren Gastrobereich umzubauen. «Deswegen bin ich hier: um Frequenzen zu erzeugen.»
Vor einem Einbruch der Besucherzahlen brauchen sich die Casinobetreiber nicht zu fürchten – im Gegenteil. Glücksspiel kennt keine kurzzeitigen Trends, das beweisen die Statistiken rund um den Globus. Aber: Der Onlinebereich wächst stetig.
Die virtuelle Welt, eine Konkurrenz zum real existierenden, physischen Casino? So will es Nehls nicht formulieren. «Online ist ein zweites Geschäftsfeld. Man schaut via Internet vielleicht rein, probiert aus. Diese Sicht entschädigt aber nie für den terrestrischen Automaten, den echten Stuhl. Das Feeling des realen Tischspiels wird man nie ersetzen können.»
Seit dem Ja zum neuen Spielbankengesetz letzten Sommer erschliessen sich den Casino-Betreibern völlig neue Sphären: Seit dem 1. Januar dürfen sie ganz legal Online-Glücksspiele anbieten respektive Gesuche dafür einreichen, gleichzeitig werden ausländische Player ab 1. Juli durch die hiesigen Provider gesperrt. «Für uns war das eine gute Nachricht», sagt Ludwig Nehls. «Ausländische Internet-Plattformen kennen keinen Spielerschutz, ausserdem fliessen die abgeschöpften Gewinne ins Ausland. Dank der neuen Regelung bleibt das Geld hier und geht in die AHV oder in die jeweiligen kulturellen und sportlichen Institutionen.»
Nehls freut sich – für sein Casino und für seine Gäste, die ihr Portemonnaie etwas auffüllen können. Mitleid mit den Verlierern empfindet er hingegen nur bedingt. «Wer im Lotto nichts gewinnt, erhält ja auch kein Schulterklopfen», sagt er mit einem Augenzwinkern. Zudem liege die Auszahlquote im Lotto, das «gesellschaftlich viel breiter akzeptiert» sei, nur bei rund 50 Prozent, das Casino hingegen behalte nur fünf Prozent der eingesetzten Geldmenge.
Ach ja, auch Nehls spielt ab und an – im Ausland selbstredend. Er legt jeweils gleich zu Beginn eine Maximalsumme fest. «Einmal habe ich 200 Euro verprasst, ich wollte einfach sehen, wie lange es dauert, bis das Geld wirklich weg ist.» Eine Strategie, die wohl auch nur ein
Casinochef wählt.
Yves Schott