In zwei Monaten löst Astrid Bärtschi ihre Parteikollegin Beatrice Simon im Berner Regierungsrat ab. Was die Ostermundigerin den Medien besser verschweigen sollte, ob ihr Pferd nun zu kurz kommt und was es mit den Spitzbuben auf sich hat.
Beatrice Simon, sind Sie zufrieden mit Ihrer Nachfolgerin?
Beatrice Simon: Noch ist ja nicht klar, ob Astrid Bärtschi meine Nachfolgerin in diesem Departement wird.
Sagen wir: Parteinachfolgerin! Simon: Einverstanden, man muss präzis sein. (lacht) Natürlich war ich sehr glücklich. Sie hat einen hervorragenden Wahlkampf gemacht. Ich war am Snowpenair und habe auf meinem Handy dauernd die aktuellen Resultate nachgelesen. Unter uns gesagt, regte sich mein Mann ein bisschen darüber auf. (schmunzelt)
Zwischen zwei Helene-Fischer-Songs kurz die Wahlresultate checken?
Simon: Ja! Anstatt «Atemlos» mitzusingen. (lacht)
Astrid Bärtschi, können Sie Ihren Erfolg mittlerweile einordnen?
Astrid Bärtschi: Das Resultat war überwältigend, vor allem in dieser Deutlichkeit. Es hat einen Moment gedauert, um das alles setzen zu lassen.
Haben Sie die erhaltenen Whatsapp-Nachrichten gezählt?
Bärtschi: Zusammen mit den Mails müssten es rund 600 gewesen sein. Leider konnte ich nicht jede persönlich beantworten.
Erhält Frau Bärtschi von Ihnen ein Antrittsgeschenk?
Simon: Ich habe während meiner Amtszeit, etwa zu Ostern oder an Weihnachten, stets Spitzbuben verteilt. So weit ich gehört habe, kommen die ganz gut an.
Zum Politischen: Möchten Sie das Ressort Finanzen überhaupt übernehmen, Frau Bärtschi?
Bärtschi: Dass die neue Person im Regierungsrat eventuell die Finanzen zugeteilt erhält, darüber wird ja seit längerem diskutiert. Deswegen habe ich mich damit bereits auseinandergesetzt. Ist das dann tatsächlich so, bin ich zufrieden.
Es gibt wohl kaum einfache Direktionen. Trotzdem hat es mit der Abteilung Finanzen im Kanton Bern eine spezielle Bewandtnis.
Bärtschi: Hätte ich eine Arbeit annehmen wollen, von der ich wüsste, dass sie locker handelbar wird, hätte ich mich nie für das Amt als Regierungsrätin zur Verfügung gestellt.
Wie läuft die Verteilung der Departemente eigentlich ab?
Simon: Im Vornherein macht sich jeder und jede Gedanken. Am Tag X bei der Aussprache, so nennen wir diesen Prozess, positionieren sich dann sämtliche Mitglieder. Bleiben Rochaden aus, ist es Usus, dass die oder der Neugewählte jenes Departement übernimmt, das frei wird respektive übrigbleibt.
Haben Sie beide sich diesbezüglich bereits unterhalten?
Simon: Wir tauschen uns immer mal wieder aus, das geschah schon vor dem Wahlkampf. Nun handelte es sich jedoch eher um allgemeine Dinge wie: Brauchst du ein GA oder einen Parkplatz? (lacht laut) Und was man den Medien besser verschweigen sollte.
Nämlich?
Bärtschi: Beatrice Simon erzählte am Wahlsonntag im Fernsehen, wie sie damals, 2010, gefragt worden sei, was sie nun als Erstes anpacke. Die Antwort war: eine Putzfrau suchen! Das sei ihr danach um die Ohren geflogen.
Simon: Ich wurde bei meiner Wahl von sämtlichen Medien umlagert, musste danach umgehend zu TeleBärn wo mir diese Frage gestellt wurde. Ich habe gesagt, was mir gerade in den Sinn kam. (lacht) Ernsthaft: Es ist wichtig, in einem solchen Amt sich selbst zu bleiben. Mensch zu bleiben.
Was ist für eine Regierungsrätin sonst noch wichtig?
Simon: Am Morgen meiner ersten Pressekonferenz im Amt überlegte ich mir fieberhaft, wie ich auftreten soll. Zu fröhlich sein, fand ich, passt irgendwie nicht – dafür war die Thematik zu ernsthaft. Es hiess später, ich hätte zwar seriös durch den Anlass geführt, sei aber auch enorm verkrampft gewesen, dazu noch dunkel angezogen. So weh diese Erfahrung im Moment tat – ich merkte, wie wichtig es ist, nicht in irgendeine Rolle zu schlüpfen.
Bärtschi: Auf die grossen Fussstapfen, in die ich da trete, werde ich ja dauernd hingewiesen…
Simon: Astrid, was hast du für eine Schuhgrösse? (lacht) Bärtschi: Wir schauen dann mal, ob ich in deine Abdrücke reinpasse. (lacht) Meine Schwester sagt immer: Grösse hat nichts mit Körperlänge zu tun! Im Ernst: Grundsätzlich teilen Beatrice und ich zahlreiche Werte, auch was das Menschsein anbetrifft. Seien wir ehrlich, es ist wohl wie bei jedem anderen Job: Man sollte sich zunächst einmal reinknien.
Simon: Ein gewähltes Regierungsmitglied muss jede Direktion übernehmen können. Deshalb ist es bei Antritt schier unmöglich, im Bereich Finanzen oder im Bereich Gesundheit bereits Fachfrau zu sein. Dafür sind die Abläufe zu komplex.
Ihr Leben dürfte sich ganz generell ziemlich verändern.
Bärtschi: Davon gehe ich aus. Wir reden hier schliesslich nicht von einem Teilzeit-Mandätli.
Simon: Ich werde nach wie vor teilweise gefragt, wie viel Prozent ich eigentlich arbeite. (lacht)
Bärtschi: Das zeigt ziemlich deutlich, welchen Stellenwert die kantonale Politik in der Bevölkerung hat.
Von Ihnen ist bekannt, dass sie sich in der Freizeit gerne um Ihre Pferdedame Java d’Oro kümmern. Muss sie sich ab sofort ohne sie zurechtfinden?
Bärtschi: Ich kenne die Situation, kaum Zeit zur Verfügung zu haben, beispielsweise aus dem Jahr vor den nationalen Wahlen. Da sah ich mein Pferd ebenfalls bloss ab und zu.
Simon: Sie ist auch nicht mehr die Jüngste, oder?
Bärtschi: Genau, sie braucht seltener Auslauf als früher. Mein Mann wurde übrigens vor meiner Wahl mehr als einmal gefragt, ob er mich, wenn ich gewählt werde, kaum mehr sehe. Allerdings hat er mich ja so kennengelernt. Als jemand, der in Vereinen und eben in der Politik sehr engagiert ist. «Musst du an jede Hundsverlochete?», meinte er deshalb früher. (lacht) Als mein Kind zur Welt kam, trat ich ein bisschen kürzer, klar; später fuhr ich das Programm wieder hoch. Kurzum: Wir werden als Familie mit dieser Situation gut zurechtkommen.
Was ändert sich sonst? Zum Beispiel: Wie häufig wird man auf der Strasse angesprochen?
Simon: Das erlebe ich oft. Ich suche ja aktiv den Kontakt zur Bevölkerung. Meistens sind es positive Reaktionen. Das Negative trudelt per Mail an, meist inkognito. Übrigens gratulierte mir am Sonntag jemand zur Wiederwahl. Ich bedankte mich und meinte: Sie meinen zwar eine andere blonde Frau, aber gut … (lacht) Zurück zum Thema: Die Wochenenden sollten vielleicht ein wenig vorausgeplant sein. Denn da erhalten wir jeweils die Unterlagen für die Regierungssitzungen, darüber muss man definitiv gut im Bild sein und wir haben ja keine Berater.
Wie dick sind diese Dossiers?
Simon: Heute ist das alles digital. Früher erhielten wir jeweils meist zwei Bundesordner auf den Tisch gelegt.
Wie viel Schlaf benötigen Sie, um fit zu sein, Frau Bärtschi?
Bärtschi: Sieben sind ideal, mit sechs kann ich leben.
Simon: Das kommt gut! (lacht)
Vor welchem Kollegen muss sich Astrid Bärtschi in Acht nehmen?
Simon: (Schmunzelt und überlegt) Also: Natürlich gibt es Differenzen, das soll so sein. Zudem handelt es sich ja nicht um ein Gremium, das sich aus freien Stücken trifft. Doch man kann harte Diskussionen führen und die Sitzung schliesslich trotzdem geeint verlassen. Vor einer einzelnen Person zu warnen ist also unnötig.
Bärtschi: Man muss nicht zusammen in die Ferien, aber gemeinsam arbeiten. Ich habe meine zukünftigen Kolleginnen und Kollegen bereits kennengelernt. Ich sehe da keine Probleme.
Ihr Amtsantritt ist in ziemlich genau zwei Monaten. Gönnen Sie sich bis dahin noch ein paar Ferientage?
Bärtschi: Das dürfte schwierig werden. Letzte Woche nahm ich mir frei.
Simon: Sagen wir es so: Du hast es ein bisschen ruhiger genommen!
Bärtschi: Einigen wir uns auf bürofrei. (lacht) Ich muss bis am 1. Juni einige Dinge erledigen und abschliessen. Sobald die Direktionszuteilung erfolgt ist, geht es richtig los.
Auch Ihnen, Frau Simon, bleiben nur noch knapp zwei Monate. Was steht an? Büro räumen?
Simon: Ich bin schon dran. In der Finanzdirektion sind ausserdem über tausend Mitarbeitende beschäftigt ich gehe also bald auf grosse Abschiedstournee. Selbstverständlich gibt es dann wieder Spitzbuben!
Ist das folglich Ihr Abschiedsgeschenk an Ihre sechs Amtskollegen?
Simon: Das sage ich doch hier nicht, sonst wärs ja keine Überraschung mehr! (lacht)
Yves Schott