Wussten Sie, dass in der Matte das kleinste Museum der Welt steht? Dass ganz in der Nähe davon ein Pissoir mit eigener Hausnummer exisitiert? Buchautor Hans Markus Tschirren präsentiert seine sechs kuriosesten Matte-Highlights.
DAS EINZIGE PISSOIR IN BERN MIT EINER HAUSNUMMER
«Eine Kuriosität, die Mattenenge Nr. 2. Wenn also jemand einen Brief an diese Adresse in der Matte schickt, käme er dort an, in einem Pissoir direkt neben der Nydeggtreppe. Um diese Treppen ranken sich im Übrigen viele Gespenstergeschichten. Solche Geister gab es wohl tatsächlich – es waren aber wohl eher Matte-Giele, die nicht wollten, dass sich irgendwelche Schnösel aus der oberen Stadt an ihre Mädchen ranmachten. Deshalb haben sie wahrscheinlich solche Spukgeschichten inszeniert, die dann aber ganz handfest ausarten konnten. Wohl wurde mal jemand in die Aare oder in den Tych geworfen, aber von allzu brutalen Geschichten habe ich nie gehört. Die Burgtreppe mit dem ‹Burgträppebalzli› oder die Fricktreppe waren damals die gefährlichsten Verbindungen zur oberen Stadt.»
NYDEGGBRÜCKE
«Die Nydeggbrücke, so massiv sie von aussen auch scheinen mag, ist innen hohl. Einen offiziellen Zugang gibt es oben von der Fahrbahnplatte aus, dort, wo die Arbeiter hingehen, wenn Reparaturen anstehen. Der andere Eingang liegt beim Brückenbogen vis-à-vis dem Matte-Pissoir. Die Kinder in den 50er- und 60er-Jahren haben den gekannt, hielten sich in diesen inneren Räumen auf und häuften allerlei an, was man als pubertierende Jugendliche halt so braucht. Kurz gesagt: ein geheimer Versammlungsort, um Abenteuer auszuleben. Mädchen waren übrigens nicht dabei, sie dienten laut Zeitzeugen eher als Statussymbol und wurden etwa jedes halbe Jahr ‹ausgewechselt›, immer dann, wenn die Buben alle ihre Heldengeschichten fertigerzählt hatten. Es muss ein spannender Ort gewesen sein.» (lacht)
DIE FUSSBALLSCHILDER
«Mittlerweile existiert eine ganze Sammlung davon – und alle Schilder widersprechen sich komplett. ‹Fussballspielen nicht verboten›, ‹Fussballspielen erlaubt› oder ‹Fussballspielen nicht fakultativ›.» Das älteste, auf dem das Fussballspielen untersagt wird, steht unter Denkmalschutz, so erzählt man es sich auf jedenfalls. Wenn aber vorne dran schon ein Fussballplatz steht, musste natürlich ein zweites Schild her mit der Aufschrift: ‹Fussballspielen gestattet›. Die restlichen Schilder kamen als eine Art Kunstinstallation hinzu, man hat sich aus der Situation also einen Spass gemacht, um eine nicht ganz ernst gemeinte Verwirrung zu stiften. Die Buben der Matteschule sehen es praktisch und spielen einfach drauf los. In der Freizeit oder während des Sportunterrichts. Den Platz nur angucken wäre ja auch schade. Eine weitere Besonderheit sind die Metallplättchen, die in den Maschendrahtzaun eingeflochten wurden. Sie waren früher in einem etwas besseren Zustand: Wenn der Wind blies, hat es geläutet. Darum nennen die Kinder den Platz auch ‹Glöggliplatz›.»
NEUES BUCH IM OKTOBER
«Ein pensionierter Lokführer aus Spiez war vor rund zwei Jahren der Erste, der auf das M a t t e ä n g l i s c h – B u c h reagierte und schrieb, er habe noch einige Erlebnisse in petto. Er meinte weiter, sein verstorbener Bruder habe noch viele weitere Geschichten aus dessen Jugend niedergeschrieben. Im Zug meiner Recherche stiess ich auf viele weitere Mattebewohner, die mir aus ihrer Jugend erzählten. So kamen rund 60 kurze Geschichten zusammen, die wir mit alten Fotos und Impressionen aus der heutigen Matte bebilderten. Ihre Geschichten sind echt, authentisch und subjektiv – und gerade darum geben sie ein wunderbares Bild der Matte in der Mitte des letzten Jahrhunderts.
WÖSCHHÜSI
«Heute ist es das Versammlungslokal des Matteänglisch-Clubs. Und jeden ersten Dienstag im Monat treffen sich die alten Heimweh-Mätteler, die sich teilweise noch auf Matteänglisch unterhalten. Man kann das Gebäude auch für Anlässe wie etwa Geburtstage mieten. Früher hat man hier tatsächlich gewaschen, später wurde es gewerbemässig benutzt. 2005, bei der letzten grossen Flut, wurde es erneut zum Wöschhüsi, weil viele Waschküchen in der Matte durch das Hochwasser überschwemmt und unbenutzbar waren. Es muss ein sehr intensives Gemeinschaftserlebnis gewesen sein: für die Gewerbler, deren Räume komplett verschlammt waren, natürlich ein tragisches Ereignis. Ein junger Mann hat mir aber erzählt, die Flut habe die Menschen enorm zusammengeschweisst.»
DAS SENKELTRAM
«Heute sind es ausschliesslich Pensionierte, die den Betrieb aufrechterhalten, und das mit sehr viel Herzblut. Das Tram fährt seit Jahr und Tag elektrisch, zu Beginn existierte sogar noch eine zweite Kabine, der Strom kam vom kleinen Kraftwerk, das hinter dem Mühlenplatz steht. Der Lift existiert übrigens seit 1896. Zu Beginn fiel der Motor immer mal wieder aus, er wurde dann per Bahn nach Berlin zur Reparatur geschickt, was einige Wochen in Anspruch genommen hat.»
DAS KLEINSTE MUSEUM DER WELT:
«Wir reden hier von der Telefonkabine an der Schifflaube. Derzeit ist dort nur ein Entenei ausgestellt, weil es im Kabäuschen keinen Strom gibt. Die Kabine gehört dem Naturhistorischen Museum. Eine Weile lang lagen Steine drin, nun eben das Ei. Ein noch kleineres Museum kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.»