Er warnt, greift ein und erlebt auch Dramen hautnah mit: Nie hat Seepolizist Christof Keller so viel zu tun wie jetzt.
Je mehr Menschen, desto mehr Einsatz. So einfach ist das. Und deswegen sind Christof Keller und sein Team derzeit häufiger auf Seen und Flüssen anzutreffen als im Herbst oder Winter. Der 33-Jährige arbeitet als stellvertretender Wachtchef und stellvertretender Gruppenchef der Seepolizei der Kantonspolizei Bern am Standort Hinterkappelen. Sein Arbeitsbereich umfasst die Aare abwärts ab Rubigen bis und mit zum Stauwehr Niederried im Berner Seeland. «Mein Tag beginnt mit der morgendlichen Dusche und einem Kaffee, im Büro setzen wir uns dann zusammen und schauen, was so ansteht. Das wars dann aber auch schon mit dem vermeintlich typischen Tagesablauf», erklärt Keller beim Interview mit dem Bärnerbär, das in der Küche der Wache stattfindet, mit einem Lächeln. Es kann durchaus sein, dass zum Beispiel ein vermisster Schwimmer die Agenda bestimmt.
Alle überprüfen geht nicht
So wie letztes Jahr, als in Rubigen ein 33-jähriger Afghane ins Wasser fiel, als er sich Sand vom Rücken waschen wollte. Fünf Tage lang war der Mann verschwunden. Dann fand ihn ein Schwimmer vor der Felsenaubrücke bei Bremgarten. Tot. «Ein Fall, der mich besonders mitgenommen hat, da ich nahe bei den Angehörigen war. Obwohl natürlich jeder Badeunfall beschäftigt», hält Keller fest. Er habe versucht, sich in solchen Momenten eine Art Routine anzueignen. «Auch aus Eigenschutz. Ich probiere, mir nicht allzu fest vorzustellen, wer zu Schaden kam und wie fest das Umfeld mitleidet.» Kinder musste Keller noch nie aus dem Wasser bergen. Insgesamt aber passiert – zum Glück – auf den Berner Gewässern verhältnismässig wenig. Wenn man bedenkt, wer an einem Wochenende so alles die Aare runterschwimmt. Und dann erst die Boote. Nicht wenige nehmen Alkohol mit auf ihre Reise. Auf dem Wasser gilt mit 0,5 für alle die gleiche Promillegrenze wie auf der Strasse auch. «Ab 1,1 Promille wird das Strafmass für Führer von Strandbooten deutlich höher», erklärt Keller. Strandboote, wie all die aufgeblasenen Challengers und Seahawks im Fachjargon heissen, gehören wie das Velo zum nicht motorisierten Verkehr. Bloss: Sämtliche Böötler zu überprüfen, gerade jetzt in den Sommerferien, ist schlicht nicht möglich. «Was aktive Kontrollen betrifft, sind wir, solange keine Unfälle passieren oder Gefahrenmeldungen eintreffen, in diesem Bereich einigermassen zurückhaltend.» Stattdessen gehe die Seepolizei präventiv auf die Leute zu, sagt Keller: «Wir mahnen zur Vorsicht – gerade, wenn wir sehen, dass viel Bier mitgenommen wird. Denn jeder, der alkoholisiert ins Wasser geht, weist eine langsamere Reaktionszeit auf.»
«Zu viele Leute»
Die Böötler als besonders schlimme Zeitgenossen verurteilen mag Keller indes nicht. «Alles und jedes hat sein Risiko. Die meisten Personen, die auf den Gewässern unterwegs sind, verhalten sich pflichtbewusst und aufmerksam. Aber sowohl bei Böötlern wie auch bei Motorbootführern gibt es Einzelne, die sich nicht an die Regeln halten.» Wichtig ist Keller, der übers ganze Jahr gesehen übrigens nur zehn bis zwanzig Prozent seiner Arbeitszeit auf dem Wasser verbringt, dass sich jeder zuerst mit dem Fluss oder See auseinandersetzt, den er oder sie zu besuchen beabsichtigt. «Wer etwa über die Uttiger Schwelle will, soll sich informieren, wie und wo man das am besten macht.» Ausserdem sollen alle Böötler, die ihr Boot verlieren oder an einem Brückenpfeiler «deponieren», dies der Polizei so schnell wie möglich melden. Damit sie weiss, dass niemand zu Schaden gekommen ist und keine aufwendige Rettungsaktion in Gang gesetzt wird. Ebenfalls wichtig: Schlauchboote und Schwimmhilfen immer mit Name und Adresse anschreiben. Persönlich reizt Keller die Bootsfahrt auf der Aare weniger. «Zu viele Leute», begründet er. Er geniesst den Fluss lieber vom Ufer aus. Und fischt. «Vor allem im Herbst und im Winter. Ausserdem mag ich die Emme, den Bielersee und natürlich den Wohlensee.» Dieses schöne Fleckchen Erde liegt ja auch direkt vor seiner Haustür. Respektive vor seinem Arbeitsplatz.
Yves Schott