Kiffer haben ihren Konsum im Griff, sagt eine neue Studie der Uni Bern. Nun drängt die Stadt auf eine Legalisierung. Für den Bärnerbär Grund genug, einer legalen Cannabis-Plantage einen Besuch abzustatten.
Ein unscheinbares Gebäude in einem Industriegebiet im Grossraum Bern. Simon Anneler empfängt uns an der Türe. Kurzgeschnittene Haare, schwarzer Pulli, Turnschuhe, grossgewachsen. Ein freundlicher Typ: gesprächig, umgänglich, selbstbewusst. Schnörkellose Sprache, präzise in seinen Sätzen. Sieht so ein Mann aus, der sich auf den legalen Anbau und Vertrieb von Cannabis spezialisiert hat? Wer jedenfalls einen verwirrten, verpeilten Schmuddelwutz in überlangem Löcherpulli erwartet hat, muss seine Klischees schnell über Bord werfen. Drinnen riecht es – natürlich – nach Gras. Auf total 600 Quadratmetern, was etwas mehr als zwei Tennisplätzen entspricht, wird hier auf zwei Etagen ganzjährlich Hanf angebaut. «Früher wurde die Pflanze als Unkraut vernichtet, heute dient sie unter anderem als medizinisches Heilmittel», sagt Anneler nicht ohne Stolz. Er ist eigentlich gelernter Elektriker, diskutierte Ende 2016 rein zufällig mit Freunden über die neue Gesetzeslage (s. Box) und stieg so in die Branche ein.
Katzenfutter und legale Joints
Der 27-jährige Berner führt uns durch die Anlage. Die Stauden – sie stammen von Händlern, die Stecklinge oder Mutterpflanzen vertreiben – sind in zwei Bereiche unterteilt: Im ersten wachsen die Setzlinge zunächst heran und befinden sich damit in der vegetativen Phase – mit einem Intervall von 18 Stunden Tag und sechs Stunden Nacht wird hier mithilfe spezieller LED-Leuchten der Sommer simuliert. Nach ungefähr 14 Tagen ziehen sie für die Blütenphase, die rund acht Wochen dauert, in einen anderen Raum um. Das gleissende Licht der Natrium-Dampflampen blendet die Augen und ist kaum auszuhalten, für eine optimale Zucht hingegen unabdingbar. Eine ausgeklügelte Bewässerungsanlage versorgt die Stauden via Wurzeln mit der nötigen Feuchtigkeit, dank modernster Lüftungstechnik wird die Luft in dieser Halle 16 Mal pro Stunde komplett ausgetauscht. Die Wände sind mit einer antibakteriellen Beschichtung versehen. «Wir verzichten in unserem Betrieb vollständig auf Pestizide», erklärt Anneler, «stattdessen setzen wir Raubmilben als Nützlinge ein.» Deshalb stehen die Pflänzchen hier dicht an dicht: damit sich die Schädlingsbekämpfer möglichst schnell ausbreiten können. Etwa zweieinhalb Monate dauert es insgesamt, bis der Hanf bereit ist für die Verarbeitung: Die Blüten werden vom Stängel getrennt, getrocknet und einige Tage gelagert. Dann werden sie ihren Abnehmern zugeführt: Gross-, aber seit Kurzem auch immer mehr Privatkunden. Das Cannabis wird schliesslich als Rohware weiterverschickt, in Kosmetikprodukten, als Öl – etwa für Menschen, die sich davon eine Linderung ihrer epileptischen Anfälle versprechen – oder in Katzenfutter verwendet. «Und natürlich als Joint, nur halt eben als legaler», schmunzelt Anneler.
Regelmässige Kontrollen
Seine grünen Schützlinge weisen einen THC-Gehalt von unter einem Prozent auf – und sind damit gesetzeskonform. Tetrahydrocannabinol heisst der Wirkstoff, der beim Konsumenten für eine berauschende Wirkung sorgt – und ab einem bestimmten Wert verboten ist. «Bei uns liegt der THC-Anteil bei etwa 0,8, jener von CBD bei etwa zwanzig Prozent.» Cannabidiol wirkt nicht psychoaktiv, ist erlaubt und erlebt gerade daher in diesem Produktebereich einen weltweiten Boom. Trotzdem wird Grünkraft, so heisst Simon Annelers Unternehmen, regelmässig von den Behörden kontrolliert. «Die Inspekteure zwacken ein winziges, weisses Härchen eines Blattes ab und legen es in Wasser ein. Das reicht für eine exakte Prüfung schon aus.» Etwas zu beanstanden gab es bislang noch nie.
Anwälte sichern ab
Sicherheit schreibt Anneler in seinem eigenen Betrieb ebenfalls gross. Die Halle ist mit doppelten Metallschleusen, vergitterten Fenstern und einer Alarm- und Videoüberwachung gesichert. Immerhin stehen unter diesem Dach fast 10 000 Pflanzen, die jeden Monat einen enormen Ertrag abwerfen. Zu konkret möchte Anneler nicht werden, meint aber: «Ein sechsstelliger Betrag ist es sicher.» Zudem arbeiten, damit keine widerrechtlichen Fehler passieren, ohnehin mehrere Anwälte für die Firma. Grünkraft liefert vor allem ins Ausland. «Von dort stammt ein Hauptteil unserer Kunden.» Das hat mehrere Gründe: Zum einen können Anneler und seine 18 Festangestellten dort um rund dreissig Prozent teurer verkaufen als in der Schweiz, weil aufgrund zahlreicher behördlicher Einschränkungen häufig nur wenige Anbieter existieren. Oder aber die Produktion ist, von Österreich und Italien mal abgesehen, gleich ganz verboten. Würde Anneler, der zugibt, früher «immer mal wieder» einen Joint geraucht zu haben, Kiffen entkriminalisieren? «Ohne jegliche Prävention wäre das sicherlich der falsche Weg. THC mit einem Gehalt von über einem Prozent kann Psychosen auslösen, das ist bekannt.» Nach einer kurzen Pause fährt er fort: «Bei einer Legalisierung wären bessere Kontrollen möglich und man könnte sicherstellen, dass praktisch nur gutes Cannabis auf dem Markt ist. Es ist wie beim Alkohol: Es kommt aufs Mass an.» Selbstverständlich konsumiert auch Anneler Hanf. «In Form von Öl, zum Runterfahren nach einem stressigen Tag beispielsweise. Drei Tropfen reichen, die Wirkung hält bis zu sieben Stunden an. Es hilft zudem gegen Kopfweh.» Cannabis kann also tatsächlich entspannend wirken. Glücklich machen. Vielleicht sogar ein bisschen high. Ganz legal.
Yves Schott
DAS SAGT DIE STUDIE
Eine grosse Mehrheit jener Menschen, die Cannabis konsumieren, hat ihren Konsum dank verschiedener Strategien unter Kontrolle. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der Universität Bern. So verzichten die Befragten etwa vor einer Autofahrt oder vor der Arbeit aufs Kiffen. Deswegen sei das heutige Verbot «scheinheilig», erklärte Gemeinderätin Franziska Teuscher am vorletzten Montag vor den Medien. Für die Umfrage angeschrieben wurden rund 6000 Personen. Kritiker bemängeln, dass die Studie aufgrund der tiefen Rücklaufquote (nur 12,7 Prozent machten mit) nicht repräsentativ sei.
DAS SAGT DAS GESETZ
Der Konsum von Cannabis mit einem Tetrahydrocannabinol (THC)-Gehalt von mindestens 1 Prozent ist in der Schweiz grundsätzlich verboten. Seit 2013 kann der Konsum von Cannabis durch erwachsene Personen mit einer Ordnungsbusse von 100 Franken bestraft werden. Der Besitz von bis zu 10 Gramm Cannabis für den eigenen Konsum ist dagegen nicht strafbar. Für Minderjährige gilt das Jugendstrafrecht. Cannabisblüten, die zum Rauchen bestimmt sind und die einen hohen Anteil an Cannabidiol (CBD) und weniger als 1 Prozent THC aufweisen, können legal verkauft und erworben werden.