Das Honig-Mekka liegt im Kursaal: Rund 300 000 Bienen produzieren dort dieses Jahr einheimischen Berner Honig.
Eigentlich sollte man solche Wortkreationen ja tunlichst vermeiden. Und doch, wenn ein Ausdruck auf Stephan Wehrli zutreffen würde, wäre es dieser: der Bienenflüsterer. «Ich rede mit ihnen», sagt er wie selbstverständlich. Seit vergangenem Jahr kümmert sich der 41-jährige Bio-Imker um die acht Bienenvölker, die auf der grossen Terrasse des Kursaal Bern, gleich neben der Arena, hinter Glasscheiben ihr Zuhause haben. Etwas räumliche Trennung zu den Gästen muss schon sein, obwohl: Aggressiv verhalten sich die Tiere nicht, Attacken auf Menschen gab es bis dato keine. Die Bienen und der Kursaal Bern – natürlich schwingt da ein bisschen Marketing mit. «Im Restaurant Meridiano wird Trüffelhonig angeboten, wir verkaufen Honig-Glace», erklärt Kursaal-CEO Kevin Kunz im Gespräch mit dem Bärnerbär. Insgesamt sei das Ganze aber schlicht eine «coole Sache». Schliesslich sei Bern bekannt für seine Geranien. «Die wollen auch bestäubt sein», meint er mit einem Lächeln.
40 Kilo Honig von Berner Bienen
40000 Bienen leben im Sommer, in der Hochsaison, in einem einzelnen Stock – macht also insgesamt über 300000 Tiere. Derzeit findet eine Art Schichtwechsel statt: Jene Bienen, die den Winter überdauert haben, sterben ab, die, die jetzt ausschwärmen, um Wasser und Nektar zu sammeln, werden nur fünf bis sechs Wochen alt. Einzig die Königin kann bis zu fünf Jahre am Leben bleiben. Wenn Wehrli zu den Bienen auf der Aussichtsplattform geht, meldet er sich bei ihnen an. «Sie haben ihren eigenen Charakter, wie ein Hund beispielsweise. Sie schauen mich zwar vielleicht nicht so direkt an, doch wenn sie schlecht gelaunt sind, merke ich es dann anhand der Stiche», scherzt der Familienvater. «Ich klopfe zuerst immer an den Kasten, sage mir innerlich, was ich als Nächstes tun werde, damit sie mich nicht als Bedrohung wahrnehmen. Das tönt jetzt vielleicht ein bisschen gspürig, aber ich bin sicher, dass das wirkt.» Rund 40 Kilo Honig haben die Kursaal-Bienen 2017 produziert. Klingt für den Laien erstmal nach viel, Wehrli spricht allerdings von einem eher mässigen Jahr. Ein Teil davon, so wurde vereinbart, erhalten die drei Bären im Bärenpark, die soeben erst ihren Winterschlaf beendet haben. Der Bärnerbär ist dabei, als an diesem Dienstag literweise Honig in der Anlage verteilt und auf Bäumen und unter Holzstämmen versteckt wird. In ein paar wenigen Minuten haben Björk, Finn und Ursina den ganzen Honig, der über Monate entstanden ist, vertilgt. So schnell geht das. Auch die Tierwelt mutet manchmal ganz schön ungerecht an.
Yves Schott