Zwölf Destinationen lassen sich ab Bern derzeit anfliegen. Das sei ein «tolles Angebot», sagt Flughafen-CEO Urs Ryf. Und er ist überzeugt, dass Belp preislich durchaus mit anderen Flughäfen mithalten kann.
Urs Ryf, wie geht es dem Flughafen Bern?
Es geht ihm gut. Nach vier Jahren mit Verlusten können wir fürs Jahr 2022 wieder einen kleinen Gewinn ausweisen. Zudem haben wir es geschafft, von einem ganzjährigen Linienverkehr auf einen saisonalen Linien- und Charterbetrieb von Mai bis Oktober umzustellen.
Linienflüge nach Wien oder Amsterdam sind also definitiv passé?
Bis auf weiteres haben wir die Idee von täglichen Linienflügen auf Eis gelegt. Der Markt ist schlicht zu klein, die Nachfrage nicht da. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sogar zu den besten Zeiten im Schnitt nur 23 Passagiere nach München geflogen sind. Mit diesen Zahlen lässt sich kein Flugzeug mit vernünftigen Ticketpreisen profitabel betreiben. Wenn das Modell schon damals nicht funktionierte, wie soll es heute in Zeiten von Flugscham und noch besserer ÖV-Anbindung rentieren?
Bei Ihnen heben Namen wie Helvetic oder Lübeck Air ab – was ist eigentlich mit der Berner Fluggesellschaft «flyBAIR» passiert?
Wir hielten Ende letztes Jahr eine ausserordentliche GV ab und fragten die Aktionäre, ob wir liquidieren oder mit dem bestehenden Kapital weiterfahren sollen.
Stimmt es, dass dieses noch rund die Hälfte der ursprünglichen Summe, also ungefähr 750 000 Franken, beträgt?
Richtig. Die Aktionäre entschieden mit sehr grossem Mehr, es weiter zu probieren. Einfach im kleinen Rahmen. Wir wollten dieses Jahr Korsika und Alicante als reine «flyBAIR»-Flüge ins Programm aufnehmen. Korsika fiel wegen des Flugzeugverkaufs von Lübeck Air weg. Übrig bleibt die Destination Alicante, operated by Helvetic Airways. Die «flyBAIR» trägt das gesamte finanzielle Risiko dieses Fluges. Unser Ziel ist ein erfolgreiches 2023 mit schwarzen Zahlen – um dann nächstes Jahr vielleicht Ibiza hinzuzufügen.
Eigene «flyBAIR»-Maschinen gibt es keine?
Nein, die Idee war, eine Maschine zu leasen und mit «flyBAIR» zu beschriften. Wir müssen realistisch sein: Mit dem verbleibenden Kapital können wir bloss einzelne Destinationen anbieten. Hinzu kommen Flüge von unseren Partnerorganisationen.
«flyBAIR» ist also auch eine Buchungsplattform?
Korrekt.
Hatten Sie den Leuten mit «flyBAIR» nicht zu viel versprochen? Manche bezahlten, um ihren Namen auf einem Flugzeug zu sehen.
Diese Namen sind hier allesamt auf einem grossen Plakat aufgedruckt. Doch weil der Deal mit German Airways platzte, hatten wir nie ein «eigenes» Flugzeug. Und natürlich war die Idee, sich rein via Crowdfunding zu finanzieren, einigermassen verrückt. Doch ich möchte nicht von einem Fake-Angebot sprechen. Wir wollten Leute mit kreativen Ideen motivieren, bei diesem Projekt mitzuwirken. Im Vornherein gemachte Versprechen mussten wir schliesslich mit Kompromissen umsetzen, das ist richtig.
Wann ist der Airport Bern eigentlich rentabel?
Wir decken unsere Betriebskosten ohne Subventionen, sprich: Wir sind profitabel. Bloss reicht der Cashflow nicht aus, um die immense Infrastruktur nachhaltig zu finanzieren. Das ist die grosse Herausforderung. Mit diesem Problem kämpft fast jeder Flughafen. Nehmen wir Zürich: Shoppingmeilen, Hotels, Konferenzräume, seit neuestem ein Privatspital – und warum? Weil die Einnahmen aus dem Fluggeschäft oft zu tief sind, um die Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten und die aviatische Infrastruktur zu finanzieren. Hier in Belp haben wir einen grossen aufgelaufenen Sanierungsbedarf.
Keine Linienflüge mehr, vom «flyBAIR»-Aktienkapital ist noch die Hälfte übrig, die Marke selbst quasi inexistent – und trotzdem läuft es gut?
Absolut. Wir sind ein kleiner, aber feiner Betrieb, haben zwölf Destinationen im Angebot. Wir waren letztes Jahr mit dem Sommercharter-Verkehr als Flughafen in den schwarzen Zahlen. Darum ging es ja auch immer: Nach dem Grounding von «SkyWork» wollte keine Airline mehr Bern bedienen, dann kam erst noch Corona. Dass wir heute wieder so ein tolles Angebot vorweisen können, hat möglicherweise auch mit «flyBAIR» zu tun. Wir haben etwas angestossen; man hat über uns, über Bern gesprochen.
Namentlich letztes Jahr: Als im Sommer an vielen Flughäfen das Abfertigungs- und Gepäckchaos ausbrach, wurde Ihr Airport explizit gelobt. Und als Airport mit kurzen Wegen und Wartezeiten empfohlen.
Hotelplan-CEO Nicole Pfammatter sagte neulich in einem «Blick»-Interview auf die Frage, was ihr Tipp sei, um reibungslos in die Ferien zu starten: «Schweizer sollten sich auch überlegen, wenn möglich ab dem Flughafen Bern zu fliegen.» Wir hatten letztes Jahr bei unseren Fliegern eine Auslastung von fast 90 Prozent. Das ist sensationell: aus ökologischer und wirtschaftlicher Sicht.
Apropos: Wie umweltfreundlich ist Fliegen ab Bern eigentlich?
Bei uns starten und landen Maschinen des Typs Embraer 190, Version E2. Wenn diese voll ausgelastet sind, benötigen sie zirka 2,5 Liter Kerosin pro Sitzplatz pro hundert Kilometer. Das ist, verglichen mit dem Auto, ein sehr guter Wert. Mit einem PW muss man schon zu dritt und erst noch in einem relativ verbrauchsarmen Fahrzeug unterwegs sein, um mit 2,5 Litern pro Insasse und 100 Kilometern zu reisen. Zudem legt das Flugzeug in einer Stunde etwa das Achtfache der Distanz eines Autos zurück.
Kurze Wege, kaum Wartezeiten am Check-in, niedrige Parkplatzgebühren: Gleichwohl nehmen viele den Weg nach Basel oder Zürich in Kauf, weil sie dort für 70 Franken mit «Easyjet» nach Mallorca fliegen können.
Wer früh genug bucht, kann durchaus für rund 300 Franken ab Bern retour fliegen. Zudem erhalte ich momentan zahlreiche Feedbacks von Kundinnen und Kunden, die mir mitteilen, sie hätten die Angebote ab Zürich geprüft – und Bern sei günstiger. Unsere Preise liegen im Durchschnitt.
Im September findet auf dem Belpmoos erneut das «Electrifly-in» statt. Ein Event, der ganz im Zeichen der Elektroflugzeuge steht. Bleibt Fliegen mit E-Antrieb im grossen Stil trotzdem nach wie vor eine Utopie?
Die Entwicklung der Elektroflieger ist heute dort, wo die E-Autos vor 10 oder 15 Jahren standen. In der Schweiz sind etwa 20 elektrische Schulungsmaschinen unterwegs – sie schaffen eine Reichweite von rund 40 Minuten. In Belp verfügen wir übrigens über eine gratis E-Ladestation für Flugzeuge, die seit vergangener Woche mit Ökostrom versorgt wird.
Yves Schott
PERSÖNLICH
Urs Ryf, geboren 1965, ist in Langenthal aufgewachsen. Er war 15 Jahre lang Militärpilot, danach arbeitet er zwölf Jahre lang bei Skyguide, war acht Jahre selbstständig und ist seit Juli 2019 CEO des Flughafens Bern-Belp. Ryf ist verheiratet und hat einen Sohn.