In Bezug auf die Lebensqualität belegt Bern im internationalen Vergleich Rang 14. Für Stadtratspräsidentin Regula Bühlmann ist die Schweizer Hauptstadt trotzdem die Nummer 1.
Man kann ja schliesslich nicht immer gewinnen. Und der Erfolg sei der Stadt auch zu gönnen: Laut einer aktuellen Studie des Beratungsunternehmens Mercer liegt Zürich, bezogen auf die Lebensqualität, auf Rang zwei. Nur noch Wien steht besser da – wer kann Schnitzel, Strudel und Schmäh schliesslich widerstehen? Es folgen, aus der eidgenössischen Perspektive betrachtet, Genf auf Platz acht und Basel auf der Zehn. Und schliesslich: Bern. 14. International also beachtenswert, zweifellos, im Schweizer Klassenranking nur Viertbester. Kein Grund zum Jubeln. Oder doch?
Die Reithalle, eine super Ecke
Regula Bühlmann stört sich nicht gross daran. Sie muss es wissen: Die Grünen-Politikerin ist dieses Jahr Präsidentin des städtischen Parlaments. Und somit höchste Bernerin. «Die Stadt hat andere Dinge zu bieten», sagt sie, mit Verweis auf die Studienkriterien, im Gespräch mit dem Bärnerbär. «Würde es Sinn machen, Belp zu einem grossen internationalen Flughafen auszubauen?» Klar, die Frage ist rhetorisch gemeint. Deswegen schiebt Bühlmann sofort nach: «Ich denke: nein. Auch wenn es dann halt nicht zu Platz eins reicht.» Die 40-Jährige mit den lockigen, schulterlangen Haaren zählt auf, was Bern wirklich ausmacht – ihre ganz persönliche City-Hitparade. «Die Aare ist toll. Ausserdem mag ich die untere Altstadt, gerade am Sonntag bei schönem Wetter ist die Stimmung besonders: ruhig und doch voller Leben.» Und schliesslich: die Reitschule. «Eine super Ecke. Gelebter Freiraum, kultureller Treffpunkt und auch einfach, um etwas trinken oder essen zu gehen.» Die Aare, die Altstadt, die Reithalle das sind Bühlmanns Top 3.
«Es herrscht weniger Hektik»
Gemäss Mercer liegt die Bundesstadt unter anderem auch deswegen hinter Zürich, Genf und Basel, weil «das Angebot an Freizeiteinrichtungen […] etwas grösser ist als in Bern.» Was die Firma kritisch bewertet, lobt Bühlmann hingegen explizit. «Wir sind ein bisschen kleiner, aber es hat alles da, was es braucht. Gute Freizeit- und Kulturangebote, die Bildungsinstitutionen. Und es herrscht weniger Hektik.»
Der Vergleich mit Berlin
Das häufig doch eher träge wirkende Nachtleben als grosser Pluspunkt? Genau ein Rang vor Bern liegt die andere Bärenstadt: Berlin. «Ich war dort vor einiger Zeit an einem Theatersportabend», erklärt Bühlmann. «Um ins Theater zu gelangen, fuhr ich eineinhalb Stunden mit dem ÖV. In dieser Zeit reise ich von hier aus nach Zürich. Längstens.» Bewertungskriterien, sie lassen sich natürlich ganz unterschiedlich und subjektiv beurteilen. Die Stadträtin fände andere Faktoren, die in der Mercer-Studie nicht erhoben wurden, relevanter für die einheimische Bevölkerung. Kein internationaler Flughafen, weniger Freizeitangebote, kaum internationale Schulen – trotz allem kommt Regula Bühlmann zum Schluss: «Ja, Bern kann auf vieles stolz sein.» Beispielsweise findet sie es «wesentlich angenehmer, hier mit dem Velo unterwegs zu sein als in Zürich». Zweifellos, für Bühlmann hätte es die Mercer-Studie gar nicht gebraucht.
Yves Schott