Zunächst ganz alleine in einer fremden Stadt: Tanja Lehmann geht für 3+ am kommenden Wochenende auf Verbrecherjagd.

Verliebt in Berlin – aber etwas Sehnsucht nach Bern

Sie träumte von einer Karriere als Tänzerin. Nun ist Tanja Lehmann Protagonistin der neuen 3+-Krimiserie «Bernegger und Juric». Porträt einer Frau, die ab und zu etwas Heimweh plagt.

«Die kann das!», haben sie sich beim Casting sicher gesagt. Natürlich, warum auch nicht? Schauspielerfahrung besass Tanja Lehmann ja bereits. In «Best Friends», einer SRF-Jugendserie, von der drei Staffeln existieren, schlüpfte sie in die Rolle der unglücklichen Lena, der in der Schule ein Leid nach dem anderen widerfährt. Ihren Fernsehcharakter verkörperte Lehmann für jemanden, der eben gerade 20 Jahre alt geworden war, erstaunlich solide. Authentisch, nahbar, emotional zwar, aber stets mit einer gewissen puritanischen Zurückhaltung. Dass sie irgendwann mal in einer grösseren TV-Produktion auftauchen würde, schien klar. Bloss: Eigentlich war Lehmanns Typ, zumindest im aktuellen Fall, so gar nicht gefragt. Denn: Für die neue 3+-Krimiserie – die erste eines Schweizer Privatsenders – wurde eine Blondine mit Bündner Dialekt gesucht. Und zwar explizit. Guter Witz, dachte sich die 29-Jährige, Bernerin und Brünett, wohl, als sie die Anzeige sah, und schickte trotzdem einen kurzen Zweizeiler ab. Was konnte, abgesehen von einer Absage, schon passieren?

«Ach, die Schweizerin!»
Wochen später, Lehmann hatte die Sache mit der Bewerbung längst wieder vergessen, dann die Überraschung: Die verantwortliche Crew meldete sich. Tanja solle doch mal eine Szene aus «Bernegger und Juric» nachstellen, aufnehmen und einschicken. E-Casting nennt sich das. Ihr Auftritt gefiel. Kurz darauf später erschien Lehmann in Berlin zum Recall. Zusammen mit Christian Martin Schäfer, der ebenfalls in der deutschen Hauptstadt wohnt. Was die beiden damals noch nicht wussten: Soeben war ein neues Schweizer Ermittler-Duo geboren. «Sie wollten nicht einfach nur eine beliebige Kommissarin, sondern eine taffe Frau, die trotzdem ein eher schüchternes Verhalten an den Tag legt», sagt Tanja Lehmann im Gespräch mit dem Bärnerbär rückblickend über den Grund, wie sie bei den Proben überzeugte. «Ich denke, ich habe meine Figur von Anfang an gut verstanden.» Diese Gabe, Situationen intuitiv richtig einzuschätzen, besass das Leinwandtalent schon früher. Kurz nach der Matur verliess Lehmann ihre Heimat Bern, um in Zürich ihrer grossen Leidenschaft, dem Tanzen, nachzugehen. Doch die neue Welt gefiel nicht: Der interne Konkurrenzkampf machte der jungen Frau mehr zu schaffen als gedacht. «Black Swan» reloaded? Darauf lässt sich eigentlich gut verzichten. Zum Glück suchte man im Leutschenbach gerade Nachwuchsschauspieler. Tanjas Mutter empfahl ihr, sich zu bewerben. Der Rest ist bekannt. Nach «Best Friends» kehrte Lehmann der Schweiz endgültig den Rücken. Berlin musste es sein, ausgerechnet – in der Millionenmetropole, wo das Machtgeplänkel besonders gross ist. Selbstdarsteller allenthalben, Grössenwahnsinn inklusive; nicht nur in der Künstlerszene. Ein wenig Hipster-Glamour kann ja jeder. Und so war die in der kleinen Eidgenossenschaft mit vielen Vorschusslorbeeren überhäufte Tanja plötzlich nur noch eine unter vielen. Unter ganz vielen. «Ich fühlte mich zunächst ganz alleine in meiner kleinen 1-Zimmer-Wohnung. Oft hiess es: ‹Ach, die Schweizerin!›, nicht zuletzt wegen meines Akzents. Es dauerte ein ganzes Jahr lang, bis ich meine richtige Agentur gefunden und ein gutes Deutsch erlernt hatte. Ich musste mich durchbeissen, den Glauben an mich nicht verlieren – am Ende aber zahlte es sich aus.» Böse ist sie ihrem Umfeld keineswegs. «Es herrscht eine andere Mentalität vor, das vergisst man manchmal. Das fängt bei der Sprache an, die viel direkter und schneller ist. Da tönt der langsame Berner Dialekt natürlich besonders herzig.»

Berlin statt Bern
Mittlerweile lebt Lehmann seit sieben Jahren im Prenzlauer Berg. Sie kann von der Schauspielerei leben, auch wenn sie zugibt, in Deutschland keine Berühmtheit zu sein. Ihre Wurzeln verschweigt sie deshalb vielleicht gar nicht so ungern – bewusst oder unbewusst – das kommt da drüben sowieso besser an. Die «Bild»-Zeitung widmete ihr vor kurzem einen für ihre Verhältnisse etwas längeren Artikel. «Berlinerin erobert als Kommissarin die Schweiz», lautete der Titel. In der Bildunterschrift hiess es: «Ursprünglich komme ich aus Bern, wollte aber immer was anderes sehen.» Überzeugtes Standortmarketing für die Bundesstadt klingt irgendwie anders. Flog sie anfangs noch regelmässig nach Hause, sind Tanjas Berner Besuche mittlerweile seltener geworden. «Ich vermisse die Stadt an sich oder die Berge, natürlich meine Familie und Freunde. Ich sehe sie meistens nur per Skype oder Facetime.» Zuletzt verbrachte sie im Sommer einige Tage hier. Dafür lebt sie viel zu gerne in ihrem Kiez, wie die Berliner ihren Quartieren sagen. Nicht allein: Kater Barney begleitet Lehmann seit rund sieben Jahren durchs Leben. Und vor allem Freund Luis, ein Fotograf. Drei Jahre hält die Beziehung nun. Trotz der durch den Schauspielberuf bedingten ungewöhnlichen Arbeitszeiten. «Er ist Fotograf und hat deswegen auch keinen Nine-to-five-Job. Er versteht es also, wenn ich, wie jetzt, für ein paar Tage weg bin.»

Und jetzt der «Tatort»?
Kennengelernt hat sich das Paar durch einen gemeinsamen Freund. Kinder? Stehen noch nicht mal ansatzweise auf der Traktandenliste. Es gibt in nächster Zeit schliesslich viel zu tun. Erstmal die ab und an doch etwas spärliche gemeinsame Zeit zusammenverbringen. «Wir lieben es, zu brunchen, ausserdem gehen wir als grosse Musikliebhaber gerne an Konzerte.» Was als Nächstes kommt? Die Frage nach einer Hauptrolle als «Tatort»-Ermittlerin drängt sich zweifelsohne auf. Mit Stefan Gubser verlässt bald ein Teil des Luzerner Ensembles das Team. Der männliche Part zwar, aber zwei Kommissarinnen, Delia Mayer und Tanja Lehmann – wieso nicht? Ist ja 2018 nicht mehr ganz so abwegig, Ludwigshafen oder Göttingen lassen grüssen. Wobei, doch: Actionfilme wären was für sie. Lehmann zählt «Tomb Raider» oder «Star Wars» auf. Die richtig grossen Blockbuster. Keine wirklichen Hoffnungen, klar, reine Gedankenspiele, das weiss sie selbst. Zunächst einmal muss «Bernegger und Juric» genug gute Einschaltquoten erzielen, damit die Pilotfolge vom 16. Dezember im kommenden Jahr eine Fortsetzung – sie müsste zuerst noch abgedreht werden – findet. Irgendwann folgt vielleicht doch noch der grosse Auftritt im «Tatort», wer weiss das schon. Lehmann indes würde sich aber wahrscheinlich eher für eine Rolle in Hamburg, München oder Berlin interessieren. Nicht, weil hier die Fälle unbedingt besser sind. Aber: «Ach, die Schweizerin!», das sollte dann doch irgendwann mal der Vergangenheit angehören.

Yves Schott

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