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Viel Lärm um Sex im Business-Viertel

Gerüchte über Sexarbeiterinnenin Hotels machen in Bern die Runde. Was ist dran und was sagen die Stadt und Politiker dazu? Und was meint der Ho-telbetreiber, in dessen Häusern sich das Ganze abspielt?

Prostitution in Wankdorfer Hotels? Kann das sein? Der Bärnerbär ist der Sache nachgegangen und wollte wissen, was hinter den Gerüchten steckt, die besagen, dass sich das Rotlichtmilieu in zwei Hotels im Berner Wankdorf einquartiert hat. Beide sind dafür konzipiert, Geschäftsreisenden, Touristen und jenen, die einen längeren Aufenthalt in Bern planen, eine angenehme, gute und günstige Möglichkeit der Übernachtung mit zentralem Anschluss in die Innenstadt zu bieten. Beide Hotels sind recht neu und im September 2020 eröffnet worden. Sie gehören zur SV Group, einem schweizweit tätigen Hotelbetreiber, der auch Franchisenehmer für internationale Marken in der Schweiz ist.
Auf Anfrage stellt sich heraus, dass das Problem der Prostitution in den zwei Hotels bekannt ist: «Es trifft zu, dass in den letzten Wochen Prostituierte vereinzelt versuchten, sich in unseren Hotelzimmern einzumieten.» Gerücht bestätigt!
Doch was tun? Kann man das so lassen, oder soll man etwas dagegen unternehmen? Für die SV Group ist der Fall klar. Sie verweist auf ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen. Darin steht, dass Prostitution in den Hotels der SV Group explizit verboten ist. Damit einher geht auch, dass «keine unerlaubte Nutzung» der Zimmer toleriert wird. Die SV Group handle sofort, wenn ein Verstoss gegen die Geschäftsbedingungen festgestellt würde. Die betreffenden Personen würden dann umgehend des Hauses verwiesen und erhalten ein Hausverbot. Somit wird bereits seitens der Hotelbetreiber viel unternommen, um die unerlaubte Prostitution in den beiden Berner Hotels im Wankdorf in den Griff zu kriegen.
Auch der Fremdenpolizei ist das Problem bekannt: «Es besteht seit der Eröffnung», sagt Alexander Ott, Co-Leiter des Polizeiinspektorats, auf Anfrage. «Wir sind mit dem Betreiber in Kontakt und haben ihn auf die Situation hingewiesen sowie diverse Gespräche mit ihm geführt.» Sollten die Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ter der Hotels mal der Lage nicht Herr werden, würde man sich an Otts Abteilung wenden, die dann vor Ort vorbeischaue.

Hotels haben keine Bewilligung
Doch die Fremdenpolizei reagiert nicht nur auf Zuruf, sondern schaut auch präventiv nach dem Rechten. «Wir kontrollieren im Rahmen unserer Möglichkeiten die Hotels», erklärt Ott. «So schauen wir zum Beispiel, wer sich dort aufhält und für seine Dienste in den einschlägigen Medien – insbesondere in Internetforen – Werbung macht und die Hotels als Treffpunkt angibt.»
Sobald die Behörde herausgefunden hat, was vor sich geht, schickt sie Beamte. «Wir schauen dann vorbei und kontrollieren zum Beispiel, ob die Covid-Vorschriften des Bundes und des Kantons eingehalten werden. In diesem Zusammenhang stellen wir auch die Identitäten sowie die Bewilligungen im Rahmen des Prostitutionsgesetzes fest.» Die beiden Hotels haben übrigens keine, wie Ott weiss.
Und wie sieht das aus, wenn Sexarbeiterinnen ihre Kunden trotzdem in die Hotels locken? Ein Augenschein vor Ort macht deutlich: So einfach sind Freier und Prostituierte gar nicht von Businessleuten oder Touristen zu unterscheiden. Aber wer will sich auch bei einer solchen Tätigkeit zu erkennen geben? Dies bestätigt Alexander Ott: «Das Sexgewerbe hat ein Interesse an Anonymität und Diskretion. In Hotels kann man sich schnell ein- und ausmieten.»
Dass das im Wankdorf gut funktioniert hat, zeigt auch die Antwort von Thomas Fuchs (SVP), der bis zur Flüstertüte vergangene Woche noch gar nichts von der Problematik wusste. Der Neo-Stadtrat äussert sich aber mit klarer Meinung zu der Sache: «Die Prostitution ist eine gesellschaftliche Realität – ob einem dies passt oder nicht. Die Nutzung von einzelnen Hotelzimmern ist sicher nicht ideal, immerhin sind die sanitären Einrichtungen vorhanden und es gibt Schutzkonzepte, die einzuhalten sind. Unser Land hat momentan grössere Probleme zu lösen als diesen Nebenschauplatz.»
Damit spielt Fuchs auf die anhaltende Corona-Krise an. «Handlungsbedarf sehe ich vielmehr darin, dass wir rasch möglichst wieder Geschäfte öffnen, um unsere Wirtschaft nicht vollends an die Wand zu fahren, genügend Impfstoff den Impfwilligen zur Verfügung halten müssen und die wirklich Schutzbedürftigen besser betreuen. Hier gibt es noch mehr als genug zu tun.» Für die Politik also ist die Prostitution in Berner Hotels eher zweitrangig.

Erotische Völkerwanderung
Dass im Kanton Bern das Sexgewerbe noch uneingeschränkt ausgeübt werden darf, während es andernorts momentan komplett verboten ist, führt allerdings zu einer Zunahme der Prostitution in Bern, was sich nicht wegdiskutieren lässt, wie Alexander Ott bestätigt: «Das ist zunehmend ein Problem, da es zu einer Überbelegung der verfügbaren Zimmer kommt und auf der anderen Seite die Einhaltung der Schutzbestimmungen weiterhin gewährleistet werden muss.»
Bestätigt werden diese Aussagen von Philippe Müller, Sicherheitsdirektor des Kantons Bern (FDP): «Die Kantonspolizei stellt eine leicht steigende Tendenz in Bezug auf Personen fest, die im Kanton Bern der Arbeit im Sexgewerbe nachgehen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass dies durch die unterschiedlichen Corona-Massnahmen der Kantone begünstigt wird. Das Sexgewerbe findet aber weiterhin in der ganzen Schweiz statt.» Alles zusammen führt dies zu einer prekären Situation für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, die nach Ausweichmöglichkeiten suchen.
Auch bei Xenia, der Fachstelle für diesen Berufszweig, weiss man um die derzeitige Situation: «Die eingeschränkten Öffnungszeiten führen bei Personen, die in einem Betrieb mit einer Bewilligung nach Prostitutionsgewerbegesetz arbeiten, zu starken Einbussen, weil das Abendgeschäft – die Hauptarbeitszeit – wegbricht», antwortet auf Anfrage Christa Ammann, Stellenleiterin von Xenia. «Für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, welche einen Arbeitsort haben, der nichtdem Prostitutionsgewerbegesetz unterstellt ist oder die als Escort tätig sind, sieht es etwas besser aus, da sie von den eingeschränkten Öffnungszeiten nicht betroffen sind. Generell ist aber die Kundschaft zurückgegangen, das Geschäft läuft schlechter als vor Beginn der Krise vor einem Jahr.»

Nichts los im Wankdorf
So viel zur Faktenlage. Doch was sagen eigentlich die Bewohner des Wankdorfs zu der ganzen Sache? Recherchen des Bärnerbär im Nordquartier ergaben: recht wenig. Denn: Die beiden Hotels liegen auf der anderen Seite der Bahngleise, innerhalb der Gewerbezone Wankdorfs. Die Post und die SBB sind unter anderen hier zu finden, und eben – die beiden Hotels. Das sei ausserhalb der Geschäftszeiten Niemandsland und nachts sei dort auch nichts los, hört man aus dem Quartier.
Da leuchtet es ein, dass Vertreter des auf Verschwiegenheit ausgerichteten Gewerbes dieses Areal aufsuchen. Die Anwohnerinnen und Anwohner würde das erst kümmern, wenn es Lärmbelästigungen oder Sonstiges gäbe. Bis dahin gilt im liberalen Bern die Devise: leben und kopulieren lassen

Dennis Rhiel

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