Der Detailhandel jubelt: Bald sind alle Geschäfte endlich wieder offen. Doch wie fest hat die Krise der Branche zugesetzt? Christa Markwalder, Präsidentin von Swiss Retail, nimmt im Bärnerbär Stellung.
Wie geht es dem Detailhandel momentan?
Die Lebensmittelläden hatten zum Glück geöffnet, insgesamt ist die Lage aber ziemlich angespannt, denn die Margen waren schon vor der Corona-Krise sehr niedrig. Von den insgesamt rund 310000 Arbeitnehmenden befinden sich derzeit 39 Prozent in Kurzarbeit – der schweizweite Durchschnitt liegt bei 36 Prozent.
Mit welchen Verlusten ist zu rechnen?
Im Food-Bereich sind die Umsätze einigermassen stabil, im Non-FoodBereich, der vom Lockdown betroffen war, gehen wir von einem Minus von 20 Prozent aus – das entspricht einer Einbusse von zirka 11 Milliarden Franken Umsatz gegenüber dem Vorjahr.
Lässt sich dieser Schaden irgendwie wettmachen?
Wir setzen einerseits auf den Nachholeffekt, dass die Leute also Dinge einkaufen, die sie in den letzten Wochen nicht besorgen durften. In der Modebranche andererseits etwa braucht es nun kreative Lösungen, um die Umsatzrückgänge zu kompensieren.
Was schwebt Ihnen vor?
Gezielte Rabatte sind beispielsweise ein Instrument. Mit regulären, zeitlich begrenzten Ausverkäufen könnte das Frühlingssortiment an die Kundschaft gebracht werden. Verhindern müssen wir eine Rabattschlacht, mit der sich die Branche selbst zerfleischt.
Wie ist die Stimmung im Detailhandel, welche Feedbacks haben Sie bis dato erhalten?
Im Bereich Mode ist die Situation besonders kritisch. Kleinere Händler wie auch grössere Ketten sind in Bedrängnis geraten.
Rechnen Sie am 11. Mai beim Restart mit einem Ansturm?
Wir gehen von ähnlichen Kundenfrequenzen wie vor dem Lockdown aus. Einige Branchen erwirtschafteten schon vor der Krise bis zu 70 Prozent weniger Umsatz, weil die Leute aufgrund der Ansteckungsgefahr vor dem Virus vermehrt zuhause blieben. Hinzu kommt, dass mit dem Dosierungssystem gar kein Run auf einzelne Geschäfte möglich sein wird. Es wird folglich länger dauern, bis sich die Zahlen normalisieren. Immerhin: Wenn ÖV, Restaurants und Schulen wieder besucht werden, hilft das dem Detailhandel, Frequenzen zu generieren.
Wie zufrieden sind Sie mit der Handlungsweise des Bundesrats?
Man hätte wohl früher und intelligenter öffnen können. Wir von Swiss Retail haben den 4. Mai als Datum vorgeschlagen – unter der Bedingung, dass die Läden ein Schutzkonzept vorweisen. Dann wären sämtliche Diskussionen um die Sortimentsbeschränkungen und -erweiterungen vom Tisch gewesen.
Was meinen Sie konkret?
Es wurde ausgiebig darüber verhandelt, ob etwa Reinigungsschwämme und Batterien nun zu den Gütern des täglichen Bedarfs gehören oder nicht. Manche Diskussionen erschienen reichlich absurd: Im Wallis zum Beispiel verkaufte ein Händler eine Basilikumpflanze im Topf, was von den Behörden aber als illegal taxiert wurde. Das geschnittene Basilikum im Säckchen hingegen ist erlaubt. Das sorgte zu Recht für grossen Ärger.
Man munkelt, die Wirtschaft habe massiven Druck auf die Landesregierung ausgeübt.
Natürlich standen wir in engem Kontakt mit den betreffenden Personen. Die Behörden müssen schliesslich wissen, was ihre Entscheide für die Praxis bedeuten. Wir haben dem Bundesrat zudem einen Brief geschickt, mit dem Wunsch, die Läden am 4. Mai zu öffnen, um die Wettbewerbsneutralität zu gewährleisten.
Gibt es irgendetwas, das Sie zuversichtlich stimmt?
In jeder Krise ergeben sich auch Chancen. Diverse Händler haben sich den neuen Bedingungen rasch angepasst, griffige Schutzkonzepte wurden innert kürzester Zeit aus dem Boden gestampft, im NonFood-Bereich entstanden anhand von Click and Collect neue Vertriebskanäle. Wir müssen uns aber trotz allem bewusst sein: Nicht alle werden den langen Atem haben, um den Umsatzrückgang zu bewältigen.
Was haben Sie selbst in den letzten Wochen am meisten vermisst?
Die sozialen Interaktionen. Klar führte ich viele Telefon- und Videokonferenzen – aber der Mensch ist halt ein geselliges Wesen.
Was haben Sie unternommen, wenn Ihnen die Decke über dem Kopf bedrohlich nahekam?
Ich ging in die Natur spazieren, absolvierte einen Vita-Parcours oder jätete im Garten. Vor allem letzteres. (lacht)
Und Sie mussten wahrscheinlich häufig selber kochen.
Zum Glück liegt mir das. (lacht) Ich habe mir täglich etwas zubereitet, was ich sonst nie tue. Riz Casimir stand häufig auf dem Menüplan; etwas, das ich seit meiner Kindheit nur selten gegessen habe.
Was haben Sie sonst noch getan?
Ich würde gerne mein Italienisch verbessern. Die App dazu habe ich runtergeladen, mit dem Lernen an sich harzt es noch etwas. (lacht)
Wenn ein Impfstoff vorhanden ist: Werden Sie sich impfen lassen?
Auf jeden Fall.
Was tun Sie, wenn die Krise endgültig ausgestanden ist?
Ich organisiere ein grosses Fest.
Ihre Partys sollen gut sein, so sagt man.
(lacht laut) An meinem letzten Geburtstag ist unsere überparteiliche Band Fraktionszwang aufgetreten. Da wir aktuell nicht üben können, treffen wir uns online zu einem Kafi-Gespräch und tauschen uns politisch und über unsere Corona-Alltage aus.
Yves Schott