Neu sollen Berner:innen für eine Parkkarte 492 Franken im Jahr zahlen. Zu viel Für FDP-Stadträtin Simone
Richner, zu wenig für Stadträtin Regula Bühlmann vom Grünen Bündnis.
Ein Doppel-Referendum der FDP, der Mitte und der SVP gegen die Parkgebührenerhöhungen steht an. Was halten Sie davon?
Regula Bühlmann: Wir finden es sehr speziell, dass jetzt ausgerechnet die Bürgerlichen, die sich sonst immer gegen Subventionen durch die öffentliche Hand aussprechen, das Referendum gegen eine Reglementsanpassung ergreifen, die noch nicht einmal Kostenwahrheit bringt. Für die Bürgerlichen sind Subventionen tabu, doch wenn es um Parkplätze im öffentlichen Raum geht, sieht das auf einmal anders aus.
Woher kommt diese soziale Ader?
Simone Richner: Von einer Subvention zu sprechen ist schlichtweg falsch und die Kostenwahrheit wurde mit dem Heraufsetzen auf 492 Franken verletzt. Wir sprechen hier von einer Tariferhöhung von nahezu 87 Prozent. Der Gemeinderat schreibt ganz klar, dass er mit dem Überschuss, der durch die Gebührenerhöhung entsteht, die maroden Stadtfinanzen entlasten möchte. Das verstösst gegen das Legalitätsprinzip und deshalb wehren wir uns dagegen. Gebühren müssen nach dem Kostendeckungsprinzip funktionieren. Es sollte daher grundsätzlich nur so viel eingenommen werden, wie die Dienstleistung auch effektiv kostet.
Bühlmann: Der Gemeinderat schreibt nirgends von einem Überschuss, sondern von Mehreinnahmen, das ist ein gewichtiger Unterschied. Ein Parkplatz kostet die Stadt weit mehr als 492 Franken. Nicht einmal mit unserem Antrag, die Gebühr für die Anwohner:innenparkkarte auf 720 Franken jährlich zu erhöhen, wären wir auch nur annähernd an die Kosten herangekommen, die der Gemeinderat für einen Parkplatz ausweist.
Wo wir gerade bei Kosten sind: Wen treffen diese Erhöhungen eigentlich?
Richner: Bei uns melden sich seit dem Stadtratsbeschluss vornehmlich Seniorinnen und Senioren, Schichtarbeitende aus der Pflege sowie junge Familien mit Kindern, die fragen, was man gegen den plötzlichen, exorbitanten Anstieg der Parkiergebühren tun kann. Man darf nicht vergessen, dass es auch in Bern Bürgerinnen und Bürger gibt, die auf das Auto angewiesen sind. Privat und beruflich. Zusätzlich ist es für uns einfach unverständlich, wie man in der jetzigen Wirtschaftslage eine Gebührenerhöhung und somit eine zusätzliche unfaire Belastung der Haushaltsbudgets der Stadtbernerinnen und Stadtberner rechtfertigen kann.
Bühlmann: Es gibt sicher auch in Bern Menschen, die auf das Auto angewiesen sind. Für diejenigen unter ihnen, die sich die von uns vorgeschlagene Erhöhung der Parkgebühren nicht leisten könnten, hätten wir in unserem Antrag eine Halbierung der Gebühren vorgesehen. Der Stadtrat hat den Antrag abgelehnt. Aber die Mehrheit der Haushalte in der Stadt hat kein Auto und ist auch nicht darauf angewiesen. In Bern kann man problemlos ohne Auto unterwegs sein. Es gibt genügend Alternativen. Und was oft vergessen geht: Menschen mit knappem Budget können sich meist gar kein Auto leisten und das liegt nicht an der Parkkarte.
Also sind Autos prinzipiell schlecht?
Bühlmann: Schauen Sie sich mal die Strassen an. Meiner Meinung nach gibt es ein gewisses Selbstverständnis, man dürfe den öffentlichen Raum einfach mit Autos besetzen – und das am besten noch spottbillig oder sogar, ohne dafür etwas zu zahlen. Das ist ein Verdrängungsmechanismus. Wenn man mit dem Velo in Berns Gassen unterwegs ist, gleicht das wegen der vielen parkierten Autos einem Hindernisparcours.
Richner: Es redet niemand davon, dass man spottbillig oder gratis parkieren können soll. Es geht darum, dass Gebühren einfach die effektiven Kosten eines Parkplatzes decken sollen – und nicht mehr. Der öffentliche Raum gehört allen.
Was sollte die Stadt denn stattdessen tun?
Richner: Für mich geht es darum, dass der Gemeinderat, meiner Meinung nach, bei der Vorlage nicht sauber gebreitet hat. Es wird ein erheblicher Überschuss generiert. Das kann man einfach bei Gebühren rechtlich nicht. Das vorliegende Konstrukt ist für mich nichts anderes als eine verkappte Steuererhöhung. Wir sind klar der Meinung, dass die Stadt Bern schon genug Steuergelder einnimmt und einfach mal über die Bücher gehen muss. Das Credo muss lauten: Keine zusätzlichen Mehreinnahmen, sondern Minderausgaben!
Wären da 100 Franken weniger Parkgebührenerhöhung nicht ein Kompromiss gewesen?
Bühlmann: Nein, man tut ja jetzt so als würde man alle Bürgerinnen und Bürger schröpfen. Aber es geht um Autofahrerinnen und Autofahrer. Wer sich ein Auto leisten kann, zahlt insgesamt wesentlich mehr. Da machen die rund 200 Franken mehr den Braten nicht fett. Wer in der Stadt Bern ein Auto haben will, soll das tun. Aber ich bin nicht bereit, dass die Allgemeinheit die Kosten trägt. Ich will niemandem das Auto verbieten, will es aber auch nicht mit Steuergeldern subventionieren. Und solange die Gebühren fürs Parkieren nicht kostendeckend sind, finanziert auch die autofreie Mehrheit die Parkplätze mit.
Richner: Hier wird einfach wieder einmal mehr das Legalitätsprinzip verletzt, indem man die Leute dazu nötigt mehr zu zahlen, als sie eigentlich aufgrund des Kostendeckungsprinzips für die Gebühr zahlen müssten. Eine Steuererhöhung wäre da der ehrlichere Weg. Für mich ist es Aufgabe der Stadt, dass sie den öffentlichen Raum verwaltet. Da die Zahl der eingelösten Autos in Bern ungefähr gleichbleibt, gehe ich davon aus, dass der Besitz ein Bedürfnis der Bernerinnen und Berner ist.
Was erwartet uns bei ihrem Doppelreferendum?
Richner: Wir werden neben der klassischen Unterschriftensammlung auch Flyer mit dem Referendumsbogen auf den Fahrzeugen mit Anwohnerparkkarte verteilen. Wir wollen sicherstellen, dass jede und jeder mitbekommt, dass ein Referendum gegen diese unfaire Gebührenerhöhung läuft und setzten uns damit dafür ein, dass sich die Stadtbevölkerung dazu äussern kann.
Dennis Rhiel
Simone Richner (37) ist Rechtsanwältin beim Kanton Bern. Sie ist Vize-Präsidentin der FDP Stadt Bern und seit 2021 Stadträtin für die Fraktion FDP/JF. Ihre Freizeit verbringt sie zurzeit mit ihrer 1,5-jährigen Tochter auf den diversen Spielplätzen der Stadt Bern.
Regula Bühlmann (45) ist Zentralsekretärin Schweizerischer Gewerkschaftsbund. Seit 2014 ist Stadträtin für das Grüne Bündnis und seit 2019 Co-Fraktionspräsidentin. In ihrer Freizeit fährt sie gerne Velo.