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«Wieso sollten die Leute nicht mit dem Flugzeug anreisen?»

Flughäfen bringen Touristen. Das sagt Pascale Berclaz, CEO von BE! Tourismus. Für die 48-Jährige ist ausserdem klar: Bern braucht die Anbindung an einen internationalen Hub. Sie nennt Drehkreuze wie London, Amsterdam und München. Im Interview erklärt Berclaz, was sie von der Kritik an der neuen, virtuellen Airline FlyBair hält, ob die Klimadiskussion das Crowdfunding beeinflusst und ob sie selbst überhaupt an Flugangst leidet.

Wie haben Sie die Medienkonferenz am Freitag am Flughafen erlebt?
Es herrschte eine positive Grundstimmung. Die Journalisten und Gäste waren gespannt, was nun genau präsentiert wird. Alle Anwesenden versammelten sich in der Abflughalle, was natürlich die Reiselust in einem geweckt hat.

Wie wichtig ist der Flughafen für BE! Tourismus, aber auch für Sie persönlich?
Wenn es tatsächlich gelingt, ihn an ein internationales Drehkreuz, also an einen Hub, anzubinden, ist er definitiv sehr wichtig. Für Bern als politisches Zentrum, für Bern als Destination für Ferien- und Geschäftstouristen.

An welche Hubs denken Sie?
Namen wie München, London oder Amsterdam sind gefallen.

Wie fest schmerzt es Sie, dass der Flughafen seit dem Skywork-Grounding im August 2018, von Business-, Privat- und Charterflügen einmal abgesehen, praktisch brachliegt?
Es geht ja weniger darum, etwas Neues zu bauen. Hier kann eine bestehende Infrastruktur genutzt werden, was durchaus sinnvoll ist. Wir reden also nicht über mehr oder weniger Flugbewegungen, sondern einfach darüber, dass in Bern wieder per Linienflug gestartet und gelandet werden kann.

Werden durch einen Berner Flughafen mit internationaler Anbindung wieder mehr Touristen die Region besuchen?
Gemessen an den Übernachtungen sind wir der zweitgrösste Tourismuskanton. Zürich ist die Nummer eins – nicht nur, aber auch wegen des Flughafens. Im Berner Oberland halten sich historisch bedingt zahlreiche Gäste aus England auf; im Winter wie im Sommer. Wenn Bern mit dem Hub in London verknüpft wäre, gäbe das sicher Auftrieb. Eine Reise von Zürich oder Basel her bringt für einen Gast einen deutlich höheren Aufwand mit sich.

Sie haben London und München erwähnt. Welche weiteren Hubs wären interessant?
Spontan kommen mir die Benelux Staaten in den Sinn. Sowieso sollen aber nur jene Linien betrieben werden, die schon früher rentabel waren. Allzu viele sind es, das haben die letzten Jahre gezeigt, nicht. Grundsätzlich vertraue ich allerdings jener Crew, die nun in Belp am Ruder ist.

Die virtuelle Airline FlyBair erntet viel Lob, aber auch viel Kritik.
Als Tourismusorganisation begrüssen wir den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, der den Zugang zum zweitgrössten Schweizer Tourismuskanton garantiert. Bei uns hängen 45 000 Arbeitsplätze direkt vom Tourismus ab. Dazu muss man sagen, dass der Bäcker in Gstaad ohne ausländische Gäste seinen Laden vielleicht schliessen müsste, er aber in diese Statistik nicht miteinbezogen wird. Die Leute reisen ja sowieso hierher, wieso also nicht per Flugzeug direkt in die Hauptstadt?

Nicht erst seit den nationalen Wahlen von vorletztem Wochenende wird intensiv über die Umwelt diskutiert. Die Zeiten, um für einen Flughafen zu werben, waren schon mal besser.
Definitiv. Ich finde es aber richtig, dass darüber gesprochen wird. Ich bin Mutter von zwei Kindern und hoffe, dass meine Enkel dereinst in einer intakten Welt aufwachsen können. Die Frage ist bloss, wo man welche Akzente setzen will.

Via Crowdfunding soll innerhalb eines Monats eine Million Franken gesammelt werden. Das Resultat wird auch darüber Aufschluss geben, ob ein Flughafen in Bern mit fixen Verbindungen überhaupt gewünscht ist. Einige sprechen sogar von der letzten Chance, die Belp habe.
Wenn die Bernerinnen und Berner wirklich einen Hauptstadtflughafen mit Linienflügen wollen, dann ist sicher jetzt der Moment gekommen, Ja zu sagen. Es handelt sich zweifellos um einen Gradmesser-Test.

Ihre Prognose?
Ich habe ein gutes Gefühl, der Eindruck ist positiv. Bereits nach einem Tag wurden rund 100000 Franken gesammelt. Das lässt hoffen.

Haben Sie Ihr Reiseverhalten eigentlich ebenfalls angepasst?
Ich gehe mit dem Thema sicher bewusster um; man macht sich seine Gedanken.

Sie fliegen aber noch?
Ja. Das gehört zu meinem Job und das Reisen ist zudem eine grosse Leidenschaft von mir.

Wohin waren Sie dieses Jahr in den Ferien?
In Botswana. Wunderschön.

Flugangst haben Sie aber keine?
Ehrlich gesagt: ein bisschen. Wenn es zu fest rüttelt.

Yves Schott

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