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«Wir haben realistische Chancen, als Gewinner hervorzugehen»

Im Frühling wurde er Chef einer Firma, die vor allem von Events lebt. Ausgerechnet jetzt. Trotz allem ist Tom Winter fest davon überzeugt, dass seine Branche schon bald wieder jubelt.

Sie sind seit dem 1. März CEO der BERNEXPO AG. Wie haben Sie sich eingelebt?
Sehr gut, danke. Ich kam mit viel Vorfreude. Mein Job beinhaltet mit der BEA plus Freizeit-, Bildungs- und Industriemessen, Kongressevents und Kulturveranstaltungen einen abwechslungsreichen Blumenstrauss an Tätigkeiten. Und unser Team ist unglaublich motiviert. So macht es Spass.

Corona hat Sie in Ihrer neuen Funktion von Anfang an begleitet.
Ja, wir starteten wegen der Pandemie praktisch bei null. Doch gerade das positive Abstimmungsresultat zur Neuen Festhalle wirkt motivierend und ist ermutigend.

Die abgetretene Verwaltungsratspräsidentin Franziska von Weissenfluh bezeichnete Sie als «Wunschkandidaten». Das erzeugt einen gewissen Druck.
(Lächelt) Wir bieten den Menschen eine Bühne, einen Ort, wo sie sich zusammenfinden. Klar ist man da in gewisser Weise exponiert. Der Druck, sofern es einen gibt, ist daher eher Verpflichtung. Aber natürlich: Würde ich kritische Beurteilungen scheuen, wäre ich am falschen Ort.

Sie waren unter anderem stellvertretender CEO von Globus, Direktor von UPC Retail und in der Geschäftsleitung von Orange. Ist das Amt als CEO der BERNEXPO die folgerichtige berufliche Entwicklung?
Das Thema Telekom hilft, Brücken zu bauen ich war ja in allen Landesteilen der Schweiz tätig. Zudem begleitet mich die Digitalisierung seit rund 20 Jahren. Bei Globus beschäftigte ich mich mit unterschiedlichsten Aspekten wie Gastrokonzepten, Mode, Heim und Haushalt, Infrastruktur- und Logistikthemen. Da kam es schon vor, dass ich um 5 Uhr morgens an der Rampe stand und andererseits mit internationalen Grosskonzernen verhandelte. Solche Prozesse erden und helfen, nicht jedes Mal gleich auszuflippen, wenn ein Problem ansteht.

Sie sind im Weissenbühl-Quartier aufgewachsen, waren rund um den Globus tätig und arbeiten nun wieder in Bern. Hatten Sie Heimweh?
Immer (schmunzelt verträumt).

Im Ernst: Was hat Sie zur Rückkehr bewogen?
Das Business ist knallhart: Wenige der aktuellen Herausforderungen lassen sich mit Nostalgie und Romantik lösen. Ich war 20 Jahre lang weg, um eine Unmenge an geschäftlichen Einblicken zu erhalten. Jetzt ist es umso spannender, mit diesem Rucksack an Erfahrungen zuhause wieder anzugreifen. Sie haben vorher nach dem Druck gefragt. Ich bin überzeugt: Uns bläst so schnell kaum etwas um. Die Challenge ist riesig, richtig. Doch wir greifen voll an; wir haben mit unseren Partnern in zwei Monaten das Festival Summer in the City auf die Beine gestellt, das sonst ein Jahr in Anspruch nehmen würde.

Um Ihr Stichwort aufzunehmen: Wie leben Sie die Bauernhofromantik privat aus?
Da sind sicher mal meine drei Kinder. Dann bödelet mich das mit einem Geschäftspartner aufgezogene Projekt Rüedu (Frischecontainer mit lokalen Produkten in diversen Quartieren, Anm. d. Red.) enorm. Es verschafft Ruhe und gleichzeitig Austausch mit den einheimischen Gemüsebauern oder Milchproduzenten. Dazu bewege ich mich oft und gerne.

Wie steht es um die BERNEXPO AG als Unternehmen? Die meisten denken sich: Nach der harten Zeit mit zwei Lockdowns kann es diesem Betrieb gar nicht gutgehen.
Es geht ihm auch nicht gut, keine Frage. Corona bescherte uns ab Februar 2020 ein faktisches Berufsverbot. Im Gegensatz zu vielen Veranstaltern ist bei uns eine fixe Kostenstruktur vorhanden. Da sind etwa die Mietverträge für die Hallen. Umso wichtiger war es uns, mit ersten, auch digitalen Messen und jetzt mit dem Festival Summer in the City positive Zeichen zu setzen.

Lässt sich der finanzielle Verlust je wieder wettmachen?
Wir bewegen aktuell viel, um sofort wieder in die Gewinnzone zu kommen. Da sehe ich uns sehr weit vorne, mit dem schweizweit grössten Messegelände sowie als Brückenbauer zwischen Deutsch- und Westschweiz. Wir haben realistische Chancen, als Gewinner einer sich anbahnenden Konsolidierung in der Messebranche hervorzugehen. Wir bieten zudem einige Features an, die nicht alle Konkurrenten in petto haben.

Nämlich?
Den attraktiven Blumenstrauss von Messen, Kongressen und Kultur. Und auch bei der Durchführung von digitalen Events sind wir hervorragend aufgestellt.

Wie hat Corona Ihr Mindset als Messeveranstalter verändert?
Erst vor ungefähr zwei Jahren wurde darüber debattiert, ob die Onlinewelt Events oder den stationären Handel verdrängt. Dazu gibt es mittlerweile eine klare Antwort: Sie lautet Nein. Es existiert ein elementares Bedürfnis in der Bevölkerung, sich physisch zu treffen. Es braucht den direkten Austausch. Branchentrends lesen sich nicht aus YouTube ab.

Veranstaltungen sehen also in Zukunft ähnlich aus wie vor Corona?
Es zeichnen sich zwei Entwicklungen ab: zum einen die Rückkehr zu Altbewährtem. Die Wertschöpfungskette hat an Bedeutung gewonnen – wo kommt ein Produkt her, wie wurde es hergestellt? Regionalität und Herkunft beschäftigen die Menschen zunehmend. Das sind Good News für einen Berner Messestandort wie wir es sind. Eine zwar etwas langweilig anmutende, aber tolle Innovation.

Und die zweite?
Der technische Aspekt. Ohne Covid-19 hätten wir vielleicht in ein paar Jahren darüber nachgedacht, Twint einzuführen. Dann die Digitalisierung des Verkehrsflusses oder im Bereich der Gastronomie. Beim Thema Datenschutz müssen und wollen wir selbstverständlich sehr vorsichtig sein. Doch noch vor nicht allzu langer Zeit haben wir über die Sternchen im Telefonbuch diskutiert. Wir möchten die neuen Möglichkeiten sinnvoll einbetten und nutzen, ohne verkrampft digital sein zu wollen. Das würde hier nicht funktionieren.

Zum Schluss einige Stichworte. Ich bitte Sie, dazu kurze, prägnante Aussagen zu machen.
Gerne

Die politische Unterstützung der Stadt Bern.
Super, extrem pragmatisch. Sei es bei Bewilligungen oder Beteiligungen. Vorurteile habe ich keine erlebt.

Frauenquoten.
Beide BERNEXPO-Gremien, sowohl Geschäftsleitung wie Verwaltungsrat, sind mit Frauen besetzt. Ausgewogenheit ist uns sehr wichtig, allerdings nicht nur, was das Geschlecht anbetrifft. Sprachen, Alter, Herkunft spielen ebenfalls eine Rolle – der französischsprachige Teil wird bei uns, das sage ich offen und ehrlich, noch zu wenig abgedeckt. Diversity in jeder Hinsicht, aber nicht im Sinne einer Quotenregelung.

Veganes Essen bei Events.
Unbedingt. Ich war selbst bis 20 Vegetarier. In unserer Partnerschaft mit Sportgastro diskutieren wir darüber, solche Foodströmungen aufzunehmen.

Ihre absolute Wunschband, die bei der Eröffnung der Festhalle 2024 auftreten sollte.
(Überlegt kurz) Muse. Das wäre fantastisch.

Yves Schott

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