Erwin Sommer 2

«Wir müssen und können nicht Detektiv spielen»

Am Montag geht die Schule wieder los, doch das Virus wütet immer noch. Werden Schüler nun dazu gedrängt, sich impfen zu lassen? Und was ist mit Lehrkräften, die Corona leugnen? Erwin Sommer, Vorsteher des kantonalen Kindergarten- und Volksschulamts, hat Antworten.

Wie sieht der Unterricht an den Schulen nach den Sommerferien allgemein aus?
Wir haben bereits eine Woche vor den Schulferien die Maskentragpflicht aufheben können. Das Schuljahr startet so wie das andere aufgehört hat – also ohne Schutzmasken. Da man allerdings nicht weiss, was alles passieren kann, werden wir nach den Ferien drei Wochen lang, wie der Bund empfiehlt, weitertesten.

Sind für das neue Schuljahr Änderungen geplant?
Wir haben jetzt das erste Schuljahr, in dem die Kinder der gesamten Schullaufbahn nach dem Lehrplan 21 unterrichtet werden. Dennoch gibt es ein grosses Aber: Wir haben dieses Jahr intensiver als sonst nach Lehrpersonen suchen müssen. Die Stellenbesetzung gestaltete sich sehr anspruchsvoll. Dank des grossen Einsatzes aller Beteiligen steht voraussichtlich vor jeder Klasse eine movierte Lehrperson. Sonst gibt es keine Änderungen oder Neuerungen – ausser natürlich die Tests in den ersten drei Wochen.

Wie wird genau getestet?
Die Schülerinnen und Schüler werden alle regelmässig getestet. Es ist kein Stäblitest, den man von den PCR-Tests her kennt, sondern einfach ein Speicheltest. Die Kinder benötigen dafür rund vier bis acht Minuten in der Klasse. Zuerst schwenken sie mit einer Salzlösung und müssen damit eine Minute spülen. Dann spucken sie in ein Röhrchen. Die Röhrchen werden in Säcken zu zehn Stück gesammelt. Die Post bringt die Proben ins Poolingzentrum nach Münsingen. Dort werden alle zehn Proben in einen Becher gemischt. Und anschliessend analysiert.

Klingt aufwendig …
Dieses Verfahren ist viel schneller und günstiger, als jede Probe jedes Kindes einzeln zu testen. Sollte eine der zusammengemischten Proben positiv sein, bekommt die entsprechende Schulleitung eine Benachrichtigung. Der Zivilschutz wird aufgeboten und testet die Personen einzeln. Im Anschluss übernimmt das Contact-Tracing. Zur Aufklärung haben wir auch einen Film gedreht, um den Kindern zu zeigen, wie das Testen und die dahinterstehenden Analysen der Proben laufen. Der ist aus pädagogischer Sicht sehr wertvoll.

Werden Schülerinnen und Schüler nach ihrem Ferienaufenthaltsort gefragt, um vielleicht eine mögliche Corona-Ansteckung abzusehen?
Nein, das machen wir nicht. Doch die Kinder erzählen natürlich von sich aus. Da existieren Beispiele aus dem ersten Lockdown. Die Kinder erzählten den Lehrern beispielsweise, es sei schön gewesen, in Österreich am Meer … Man war also dort, wo man eigentlich nicht hätte sein sollen. Aber mangels geografischer Kenntnisse hat man sich verraten. Das Testen gibt uns in dieser Hinsicht nun Sicherheit. Wir müssen und können nicht Detektiv spielen und überlegen, wo Kinder in den Ferien waren und ob sie sich mit Corona infiziert haben könnten. Daher wollen wir auch unbedingt die drei Wochen weitertesten, sodass man früh merkt, wenn sich jemand angesteckt hat.

Rechnen Sie damit, dass manche Schülerinnen und Schüler fehlen, weil sie aus einem Risikogebiet heimgereist sind bzw. ihre Eltern sie noch zuhause lassen wollen?
Davon gehen wir nicht aus. Die Eltern können ihre Kinder nicht einfach zuhause lassen. Sie haben die Pflicht, die Kinder in die Schule zu geben…

Werden über 12-Jährige seitens der Lehrerschaft dazu ermuntert, sich impfen zu lassen?
Ich bin kein Mediziner, aber eine Ermutigung zur Impfung, für alle, die sich impfen lassen können, ist sinnvoll. Denn wir haben auch andere Krankheiten aufgrund von Impfungen mehr oder weniger ausrotten können. Doch es darf keine Pflicht sein und auch kein Druck dahinterstehen.

Was ist mit impfskeptischen Lehrerinnen und Lehrern?
Verschwörungstheorien verbreiten geht nicht. Das ist für mich nicht mehr neutral. Die Schule muss politisch, gesellschaftlich, konfessionell neutral sein und den Horizont öffnen.

Und auf der Gegenseite, wenn Schülerinnen und Schüler sagen: «Mama und Papa haben gesagt, Corona gibt es nicht»?
Dort ist es Aufgabe der Lehrpersonen, zu erklären, dass zu diesem Thema verschiedene Meinungen existieren, aufzuklären und auf die Wissenschaft zu verweisen.

Niemand hat Lust auf eine vierte Corona-Welle, auch die Schulen nicht. Bloss: Was passiert, wenn sie käme?
Dann haben wir wieder die Szenarien, die wir bereits hatten, bis zum Worst Case «Lockdown», den wir allerdings unbedingt vermeiden wollen. Es hat sich aber gezeigt, dass Masken sehr gut schützen.

Welche Feedbacks erhalten Sie von den Eltern bezüglich der Massnahmen?
Wir haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Als es keine Maskentragpflicht gab, haben sich viele beschwert, dass der Schutz nicht ausreichend sei. Es gab viele Briefe. Dann haben wir die Maskentragepflicht eingeführt, und es kamen Briefe, dass dies zum Beispiel eine Verletzung der Menschenrechte und so weiter sei. Seitdem ist es eigentlich ruhig.

Sicher gab es auch positive Rückmeldungen?
Eher weniger. Leider. Aber es hat schon Leute gegeben, die Danke gesagt haben.

Nur zu.
Wir sind allen Schulleitungen, Behörden und der Schulaufsicht sehr dankbar, die nach Lehrkräften gesucht haben, um sicherzustellen, dass die Kinder eine gute Schulbildung bekommen. Wir können das hier aus der Verwaltung vom Schreibtisch aus nicht. Wir können nur unterstützen, die grosse Arbeit machen allerdings die Schulen. Wir sind sehr dankbar, was dort geleistet wird, dankbar auch für die vielen Studierenden und Musikschullehrpersonen, die einspringen!

Dennis Rhiel

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