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«Wir tun alles dafür, dass niemand entlassen wird»

Für die Berner Beizen bedeutet das Coronavirus einen harten Schlag. Trotzdem will Tobias Burkhalter, Präsident von Gastro Stadt Bern, nicht Trübsal blasen. Die Krise, sagt er, habe vielleicht auch etwas Gutes.

Wie geht es Ihnen persönlich?
Ich würde es als eine Mischung aus Trauer, Wut, Hilflosigkeit, gleichzeitig aber auch Verständnis beschreiben. Nach der ersten Schockstarre haben wir nun allerdings in den Überlebensmodus geschaltet.

Das heisst?
Wir tun alles dafür, dass die Betriebe weiter existieren und niemand entlassen wird. Ausserdem kümmern wir uns um administrative Dinge wie Kurzarbeit. Es ist jedoch noch ein weiter Weg. Ich telefoniere sehr häufig, und wenn es nur deswegen ist, um mit jemand anderem das Leid zu teilen. Man tauscht sich aus, gibt Tipps.

Wie lautet der Tenor Ihrer Mitglieder?
Es herrscht Ungläubigkeit. Generell spüre ich vom unbändigen Überlebenswillen bis hin zu totaler Hilflosigkeit die ganze Bandbreite an Emotionen. Manche wissen schlicht nicht, was sie jetzt tun sollen. Viele machen sich aber schon Gedanken, wie sie das Beste aus der Situation herausholen können. Sei es mit Take-away- sowie HauslieferdienstAngeboten oder Gutscheinen.

Sind Tränen geflossen?
Einige, ja. Vor allem kurz vor den Schliessungen. Am vorletzten Montag, noch vor dem Bundesratsentscheid, lud ich alle Geschäftsleiter und Kadermitglieder zu einer Krisensitzung ein. Wir diskutierten darüber, was wir nun tun könnten. Danach schauten wir uns die Pressekonferenz an. Dabei sah ich einige feuchte Augen. Abends assen wir im Della Casa. Meine Frau hat geweint, ich musste mich ebenfalls zusammenreissen.

Erteilen Sie als oberster Beizenchef Ratschläge?
Gerade im Bereich Take-away, ja. Man muss sich bewusst sein, im Zweifelsfall nicht die gesamten Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen zu dürfen, weil ja der Betrieb aufrechterhalten wird. Zudem muss man wirtschaftlich rechnen und sich die Frage stellen, wie viele Pizzen überhaupt verkaufen werden sollten, damit sich das Ganze lohnt. Letzteres sehen wir skeptisch, ausser man macht es als eine Art Beschäftigungstherapie. Es gibt Takeaway-Läden in der Innenstadt, die nun geschlossen haben, obwohl sie ja gerade darauf spezialisiert sind. Die Frequenzen wären schlicht zu tief.

Nebst Take-away- und Heimlieferdiensten – was tut sich sonst?
Ich bin am Mittwochabend mit Vertretern verschiedener Wirtschaftsbranchen zusammengesessen. Dabei kam die Idee einer Vermittlungsplattform zustande. Dort lässt sich etwa die Dienstleistung eines Coiffeurs beziehen, die zu einem späteren Zeitpunkt eingelöst werden kann. Die Plattform heisst «baern-hiuft» und sollte am Mittwoch aufgeschaltet werden.

Dahinter steckt nicht zuletzt ein Solidaritätsgedanken.
Selbstverständlich. Die Liquidität fehlt überall. Der Bundesrat hat zwar 40 Milliarden Franken an Soforthilfe versprochen. Viele Mitglieder, mit denen ich Kontakt hatte, befürchten jedoch, dass die eine Hälfte an die Swiss geht und die andere an die Banken.

Sie haben die Take-away- und Heimlieferangebote in einem Interview mit der «Berner Zeitung» ziemlich kritisch betrachtet. War es richtig, zum jetzigen Zeitpunkt solche eher pessimistischen Signale auszusenden? Das wirkt kaum ermunternd.
Da haben Sie möglicherweise Recht. In gewissen Fällen kann dieses System tatsächlich funktionieren. Bloss: Ich wollte ehrlich sein und niemandem etwas vormachen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass mit einer Take-away-Versorgung sämtliche Probleme gelöst sind und der Laden wieder brummen würde.

Die Umsetzung gestaltet sich aber tatsächlich nicht allzu schwierig. Es braucht Ein- oder Mehrweggeschirr, einen Wärmebehälter und ein Auto, das die Kundschaft bedient.
Das stimmt. Es besteht zudem die Möglichkeit, dass jeder sein Geschirr selber mitbringt.

Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer sagte im «SonntagsBlick», die Hälfte der Betriebe sei in ihrer Existenz bedroht. Eine realistische Einschätzung?
Ich mache keine Prognosen und halte diese Aussage für Schwarzmalerei. Natürlich, es werden Betriebe schliessen müssen, auch in Bern. Bei rund 22 000 Betrieben in der Schweiz wären rund 11000 betroffen. Das finde ich übertrieben.

Sie kennen noch niemanden, der Konkurs anmelden musste?
Nein. Der Bund hat das Angebot der Kurzarbeit gemacht, es sollte bis am 19. April das Schlimmste überbrücken. Wird der Notstand über dieses Datum hinaus verlängert, könnte es allerdings zu einzelnen Entlassungen kommen.

In Zusammenhang mit den Beizenschliessungen dürfte Food Waste unvermeidbar sein.
Diese Dinge sind meistens durch die Versicherung gedeckt. Unsere Sektion wurde von der Gassenküche kontaktiert, mit der Bitte, ihr überschüssiges Essen zu spenden. Unsere Mitglieder haben diese Waren grosszügig dort abgegeben.

Was macht Ihnen Mut, wodurch schöpfen Sie Hoffnung?
Zunächst: Persönlich weiss ich nicht, ob ich diese Situation wirtschaftlich überstehe. So viel zum Thema Hoffnung. Abgesehen davon ist es nicht schlecht, sich wieder einmal vor Augen zu führen, in welchem Luxus wir hier leben. Ich habe zig Jahre im Ausland gearbeitet, auch in Asien, wo kaum je dieselben Infrastrukturen vorhanden sind wie hier. Man kommt zur Besinnung, weiss gewisse Dinge wieder zu schätzen. Man verspürt eine Art innere Ruhe, kann runterfahren. Wenn wir die Krise überleben, bin ich sicher, dass wir gestärkt und mit mehr Zusammengehörigkeitsgefühl daraus hervorgehen.

Yves Schott

 

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