Uber sorgt im Berner Taxiwesen für eine völlig neue Situation. Wirtschaftsexperte Maximilian von Ehrlich fndet: «Gut so!» Er sagt: Auch für die Taxifahrer selbst wird jetzt vieles besser.
Nein, gejubelt haben die arrivierten Taxi-Unternehmen wohl kaum. Seit Donnerstag haben auch Bernerinnen und Berner die Möglichkeit, sich mit Uber von A nach B chauferen zu lassen . Allein 2019 wurde in der Hauptstadt 130 000 Mal (!) versucht, eine Fahrt mit dem amerikanischen Transportdienst zu bestellen – nun laufen diese Anfragen nicht mehr ins Leere. Selbstverständlich ist der Markteintritt von Uber in Bern nicht: Behördliche Hürden wie etwa die Tatsache, dass hiesige Taxifahrer, um bei der Taxiprüfung ihre Ortskenntnisse zu beweisen, einen Stadtplan oder eine Karte verwenden dürfen, jedoch kein Navigationsgerät, erschweren es innovativen, auf politische Flexibilität angewiesene Unternehmen, hier Fuss zu fassen. In diesem Zusammenhang erscheint das Taxireglement wie ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Bern, nun ein bisschen weniger Uber-reguliert? Wirtschaftsspezialisten jedenfalls begrüssen die neue Dynamik im Berner Taxiwesen. «Uber führt zu einer besseren Auslastung der existierenden Autos und geringeren Standzeiten, da die entsprechende App zu einem zeitnahen Abgleich von Angebot und Nachfrage führt», meint Maximilian von Ehrlich, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bern und Direktor des Center for Regional Economic Development (CRED). Der Vorteil für den Konsumenten: Er spart Zeit und – durch die neue Konkurrenzsituation – auch Geld. Gleichzeitig ermögliche Uber den Fahrerinnen und Fahrern neue Flexibilitäten für Nebenjobs und Zusatzverdienste, führt der Experte aus.
Bedingungen für Uber
Komplett dem freien Markt überlassen möchte von Ehrlich Uber indes nicht. «Eine gewisse Regulierung ist notwendig», sagt der 40-Jährige. Schweizer Standards bezüglich Arbeitsrecht und Konsumentenschutz sollten eingehalten werden. «Es muss darauf geachtet werden, dass Steuern und Sozialabgaben ordnungsgemäss bezahlt werden.» Und: Fahrern, so von Ehrlich, müsse es freigestellt sein, ihre Dienstleistungen auf anderen Plattformen anzubieten, damit Uber keine Übermacht entwickelt. Ein Monopol, wie es in Bern bis dato der Fall war, soll schliesslich nicht gleich vom nächsten abgelöst werden. Dass Nova- oder Bären-Taxi aufgrund der veränderten Lage keine Luftsprünge vollführt haben, kann von Ehrlich verstehen. Er spricht von «Verteilungseffekten»: «Bestehende Anbieter dürften Marktanteile verlieren, ja. Das passiert bei Veränderungen durch neue Technologien aber immer.» Um ihr Einkommen oder gar ihre Existenz fürchten müssen die Taxiangestellten deswegen allerdings noch lange nicht. In New York etwa hat die Zahl an Fahrdienstleistungen wegen Uber sogar zugenommen: Weil die Preise sanken, konnten sich mehr Menschen ein Taxi leisten. Ausserdem besteht die Möglichkeit, den Taxidienst an sich zu erweitern und neue Services wie etwa Essendienste zu integrieren. Gutes Zeugnis für Bern Ob Uber für die breite Bevölkerung zu einer echten Taxi-Alternative wird? Schliesslich haben andere progressive, ausländische Firmen in der Bundesstadt einen schweren Stand. So gab die Stadtregierung im Mai 2018 bekannt, die regelmässige Vermietung von Altstadtwohnungen via Airbnb verbieten zu wollen. «Da stellt sich natürlich immer die Frage von übereifriger Regulierung. Ich sehe Airbnb ähnlich wie Uber als eine Technologieinnovation, die zunächst mal erlaubt werden sollte», erklärt Maximilian von Ehrlich. Möglichen Nachteilen wie steigenden Mieten könne man mit «geeigneten Regulierungsmassnahmen» begegnen. Zum Beispiel, indem bei einer Vermietung eine zusätzliche Abgabe, ähnlich einer Orts- oder Kurtaxe bei Hotels, fällig wird. «Oder man führt für Airbnb-Vermietungen eine Tageshöchstgrenze ein.» Ganz grundsätzlich stellt von Ehrlich dem Wirtschaftsraum Bern ein ansprechendes Zeugnis aus. «Ich halte ihn für einen sehr attraktiven Standort.» Die Lage im Zentrum der Schweiz, seine gut ausgebildeten Einwohnerinnen und Einwohner sowie die Universität, die eine der grössten und forschungsstärksten des Landes ist, seien unschätzbare Pluspunkte. Aber: «Gegenüber Veränderungen sollte man offen sein.» Lange wurde versucht, Uber in Bern auszubremsen. Nun hat sich das Dienstleistungsunternehmen mit Sitz in San Francisco doch dazu entschieden, in der Hauptstadt aufs Gaspedal zu drücken. Passiert ist das nicht dank, sondern trotz der vorherrschenden politischen Verhältnisse. Für diese Leistung, die die Hauptstadt wieder etwas schicker, ja mondäner macht, sollte sich in den Beamtenstuben allerdings niemand auf die Schultern klopfen. Sich damit brüsten schon gar nicht.
Yves Schott