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Ihr Geschäft tue einfach dem Herzen gut, findet Regula Moser von Holzart. Foto: Daniel Zaugg

Ein Stück Erzgebirge mitten in Bern

Bei ihr herrscht immer Weihnachtsstimmung: Regula Moser von Holzart verkauft Nussknacker, Holzengel, Schwibbögen und Co. ganzjährig. Hochwertiges Kunsthandwerk ist gefragter, denn je. 

Die Dunkelheit ist ihre Geheimwaffe. «Wenn Kunden noch im Zweifel sind, ob sie eine Weihnachtspyramide oder einen Schwibbogen kaufen wollen, schalte ich gerne die Beleuchtung aus», lacht Regula Moser. Denn wenn im kleinen Laden in der Münstergasse die Lampen ausgehen, strahlen die Lichter der Holzobjekte noch viel beeindruckender. Schon bevor die Lehrerin den Laden übernahm, war sie begeisterte Kundin: «Ich bekam jedes Jahr ein Engeli von meinen Kindern geschenkt. Der Besitzer fragte mich immer wieder, ob ich den Laden nicht weiterführen will.» Moser nahm ihren Mut zusammen und trat das Erbe des Traditionsgeschäfts 2016 an, dessen Kundschaft auszusterben drohte. 

Heute ist die Wende geschafft. Zusammen mit ihren Partnerinnen Catherine Lüdi und Veronika Jenni vertreibt Moser über 10 000 Artikel: Engel, Krippenfiguren, Samichläuse, Lichtbogen, Holzspielzeug, Baumschmuck, Spieldosen. Fast alles ist handbemalt. Überall bleibt das Auge an liebevollen Details hängen. «Wenn ich im Weihnachtstrubel mal etwas länger zum Einpacken brauche, ist niemand ungeduldig. Denn die Menschen haben immer was zu gucken.» Sie habe noch nie unangenehme Kunden gehabt, erinnert sich Moser und lässt ihren Blick über das kleine Weihnachtsparadies schweifen. «Es ist schon ein bisschen heile Welt», gibt sie zu. In den Kitsch will sie aber nicht abrutschen. Amerikanische Weihnachtsmusik tönt bei ihr selbst an den übervollen, verkaufsoffenen Sonntagen im Advent nicht aus den Boxen. «Wenn, dann Johann Sebastian Bach», lacht sie.

Für Nachschub sorgt Moser mehrmals pro Jahr. Im März besucht sie gerne eine Spezialmesse in Leipzig. Sie kennt jeden ihrer Produzenten im Erzgebirge persönlich. Oft sind das Kleinbetriebe, die seit Generationen Holzfiguren herstellen. Moser zeigt auf minutiös bemalte Zündholzschacheln. «Die kommen aus einem Ein-Mann-Betrieb. Er macht das schon sein Leben lang.» Sie weiss um Geschichten und Schicksale dieser Region: «Als der Erzabbau dort im 19. Jh. stillgelegt wurde, mussten die Familien neue Einnahmequellen finden. So entstanden Werkstätten für Kinderspielzeug und Holzschmuck.» Sie zeigt auf grosse Figuren, die in ihren Händen Kerzen tragen. «Sie werden ins Fenster gestellt. Noch heute stehen diese im Erzgebirge, für jedes Familienmitglied eine.» 

Die properen Engel und rauchenden Räuchermännchen haben auch im Ausland viele Fans gefunden. Zu Mosers Kunden zählen nicht nur Berner:innen, sondern auch viele Touristen, besonders aus Asien. «Wenn sie auf Schweizreise sind, kaufen sie Weihnachtsschmuck auch im Sommer.» So ist es nicht selten, dass Holzart-Pakete mit hüfthohen Nussknackern nach Fernost reisen. «Und es kommen viele Sammler, mittlerweile aus der ganzen Schweiz», so Moser. 80 Prozent des Jahresumsatzes macht sie im November und Dezember. Der nahe Weihnachtsmarkt bringt zusätzliche Kundschaft. 

Besonders junge Familien durchstöbern gerne das Sortiment. Moser präsentiert einen Holzspecht an einer Stange, der klopfend noch unten rattert. Mechanisch, hochwertig und zeitlos – das sei das Geheimnis solchen Spielzeugs. Nach der Pandemie verzeichnet sie gar bessere Verkaufszahlen als zuvor: «Die Menschen haben wieder einen Sinn für wertige Sachen. Lieber etwas Langlebiges, auch wenn es mehr kostet.» Oft wird der Holzschmuck zum Erbstück, ist später eine liebgewonnene Kindheitserinnerung. Dabei muss es nicht immer der Klassiker sein, Holzart verkauft auch Weihnachtsmänner auf Töffs oder unlackierte Krippen in schlichten Formen. «Diese Stücke kommen gut auf USM-Möbeln», weiss Moser. Die meisten grossen Holzkunstwerke sind Einzelstücke. 

Ihr Verkaufsschlager ist allerdings für einmal nicht aus Holz: «Das sind die Herrnhuter Sterne. Oft sind die im Dezember schon ausverkauft.» Die Lichter mit den markanten Papierzacken gibts in vielen Formen und Grössen, sogar als Bastelset-Adventskalender. Moser nimmt einen rotglitzernden Stern in die Hand. «Die Frauen mögen diese Farbe, die Männer wollen eher die weissen, da eine rote Beleuchtung sie an etwas anderes erinnert», schmunzelt sie.  

In der Adventszeit ist das Schaufenster das Highlight des Ladens. Nach verschneitem Winterwald, einer Stadt im Schneetreiben oder einer Weihnachtsbäckerei, zieren dieses Jahr gerade Linien und stylische Kästen das Fenster. Ein riesiger Nussknacker bewacht die Szenerie: «Diese Nussknacker sind seit jeher als König, Soldat oder Förster bemalt, weil sie die Bevölkerung plagten. So mussten die verhassten Kerle ihnen mal Dienst tun und harte Nüsse knacken. Ein Lustigmachen über die Obrigkeit.» Und für alle, die etwas Süsseres als Nüsse naschen wollen, wartet die Adventsexpertin noch mit einem echten Original hinterm Tresen auf. «Gerade eingetroffen. Echter Dresdner Stollen.»

Michèle Graf

PERSÖNLICH

Regula Moser (55) stammt aus Bern und wohnt in Kirchlindach. Sie arbeitet als Lehrerin in Bern. Dazu leitet sie mit zwei Partnerinnen den Laden Holzart in der Berner Altstadt. Moser ist verheiratet und hat drei Töchter.

 

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