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Schneeschaufeln einmal anders

Am Dienstag steigt das Schweizer Team wieder in den Flieger Richtung Colorado. Dort erschafft es bereits seit 1994 regelmässig Schneeskulpturen und vertritt die Schweiz an den International Snow Sculpture Championships. Unter ihnen mit Mike Wymann ein Berner.

Schnee lässt in Bern derzeit auf sich warten. Für Januar sind die Temperaturen zu hoch und wenn es mal schneit, schmilzt der Schnee direkt wieder. Für einen Bildhauer, der gern aus Schnee Skulpturen erschafft, sind das natürlich schlechte Voraussetzungen. Umso mehr freut sich Mike Wymann, dass er an den International Snow Sculpture Championships in Breckenridge im US-Bundesstaat Colorado teilnehmen darf.

Für den gelernten Eidg. Dipl. Steinbildhauermeister aus Bern ist es die insgesamt 17 Teilnahme an den International Snow Sculpture Championships und die zehnte in Breckenridge. «Die Championships sind ein internationaler Schneeskulpturenwettbewerb, für den sich weltweit Teams anmelden und qualifizieren können. Bereits im Herbst 2022 mussten wir uns mit unserem Projekt vor der Jury beweisen. 12 Teams von insgesamt 35 Bewerbern werden ausgesucht, um sich dann vor Ort live zu messen», erklärt Mike Wymann, der mit seinem Team die Schweiz vertritt und sich dabei einer nicht zu unterschätzenden Konkurrenz stellen muss.

«Dieses Jahr treten wir gegen Dänemark, zwei deutsche Teams, England, Indien, Italien, Litauen und vier amerikanische Teams an.» Indien? Schnee? «Dafür, dass sie keinen Schnee in ihrem Land kennen, machen die Inder einen guten Job. Auch sie sind ausgebildete Stein- oder Holzbildhauer und üben somit genau wie wir mit einer anderen Materie.»

One big Family
Bei so vielen unterschiedlichen Nationalitäten könnte man eine grosse Konkurrenz unter den teilnehmenden Teams erwarten. Dem sei aber nicht so, entkräftet Wymann, der in Düdingen seit 30 Jahren seinen Betrieb Kälin & Wymann AG – ein Bildhauerbetrieb – führt. Er begründet dies mit der unterschiedlichen Art von Skulpturen, die die Teams erschaffen. «Immer wieder fällt auf, dass US-Teams figürlich arbeiten und die europäischen Teams eher abstrakt. Kompetitiv sind lediglich die Amerikaner und die Deutschen, aber an sich ist man ‹One big Family›.»

Zudem gab es in der Jury einen Wechsel, der nicht ganz unwichtig sei: Die Jury vor Ort bestand früher aus renommierten Kunst-Kuratorinnen, während heute das Ur-Team aus Breckenridge als Jury tätig ist. Somit würden figürliche Teams meist bevorzugt, sagt Wymann. «Das macht uns aber nichts aus, es geht nicht um den Preis, sondern um den internationalen Austausch und die Kreativität, die man ausleben darf.»

Unterstützt wird der 59-jährige Bildhauer von seinem Geschäftspartner Daniel Kälin, verantwortlich für Korrespondenz und Bauführung im Schneeteam, einem Bildhauerkollegen aus Rothrist, Daniel Christen – zuständig für die Entwürfe, die Modelldokumentation und Drehbucherstellung für die Umsetzung sowie die Bauführung – und Marcel Freiburghaus, ein Lastwagenmechaniker, der sich um die Reiseplanung kümmert. Wymann selbst ist Team-Captain und vertritt das Team jeweils vor den Medien und der Jury oder nimmt sonstige Repräsentationsaufgaben wahr. Zudem beteiligt er sich an den Entwürfen.

Das Kunstwerk, mit dem das Team um Mike Wymann dieses Jahr in Colorado an den Start geht, heisst «Allied». Es wurde von Daniel Christen und Wymann designt und vom gesamten Team ausgesucht. «‹Allied› steht für gegenseitigen Halt beziehungsweise dafür, dass man sich gegenseitig stützt. Kein Element kann allein stehen», erklärt Mike Wymann. «Die Coronakrise und der Ukraine-Krieg haben gezeigt, dass wir uns gegenseitig mehr unterstützen sollten. Das hat uns zu diesem Werk inspiriert. Wir werden dies in den USA aber nicht kommunizieren, denn Politisieren kann auch gegenteilige Effekte auslösen.»

Preise sind «nice to have» – eigentlich zählt etwas anderes
Das Ziel des 4-köpfigen Teams an den Championships ist simpel: «Grundsätzlich wollen wir coole Projekte planungsgenau umsetzen. Vorab findet sehr viel Planung statt, zirka 60 Prozent, lediglich 40 Prozent sind noch Umsetzung. Wenn vor Ort die Pläne ohne Fehler funktionieren, haben wir unser Ziel erreicht. Ein Preis wäre lediglich ‹nice to have› und steht in diesem Kontext für Ruhm und Ehre», sagt Wymann.

Dass die Meisterschaft im schönen Colorado stattfindet, spielt für den Team-Captain eine untergeordnete Rolle. Es geht ihm eher um die Tatsache, mit Schnee arbeiten zu können. «Dasselbe Gebilde in Stein zu erschaffen, würde uns ein Jahr kosten. Im Schnee schaffen wir das binnen einer knappen Woche. Breckenridge liefert zudem die besten Bedingungen – organisatorisch sowie schneetechnisch.»

Der Ablauf bei der Erstellung einer Skulptur sei eigentlich immer derselbe, wie der 59-Jährige erklärt. Zuerst erstellt man eine Skizze, danach modelliert man ein Lehmmodell im Massstab 1:20 und dann setzt man noch eines aus Styroporkunststoff um, ebenfalls im Massstab 1:20. «So haben wir eine optimale und robuste Vorlage für die Schneeskulptur, an der wir uns vor Ort orientieren können.»

«Da hats bei mir ‹klepft›»
«Mit 15 Jahren habe ich einen Vorkurs in der Schule für Gestaltung Bern absolviert und wollte ursprünglich Grafiker werden. Mein zeichnerisches Talent lieferte mir diese Idee. An den Montagnachmittagen wurden aber jeweils immer neue gestalterische Berufe vorgestellt. Als dann der Beruf Steinbildhauer vorgestellt wurde, hats bei mit ‹klepft› und ich wusste: Das ist genau das, was ich machen wollte. Beim Stein kommt die dritte Dimension ins Spiel, was beim Zeichnen nicht möglich ist. Das hat mich viel mehr fasziniert», erklärt Wymann seine Begeisterung für das skulpturale Arbeiten.

Und was wünscht sich Mike Wymann für seine künstlerische Zukunft? «Ich möchte mehr Zeit für freie Arbeiten haben, denn aktuell mache ich nur Auftragsarbeiten. Mal wieder Skulpturen für mich aus meinem Kopf zu schaffen, wäre schön, liegt aber aus Zeitgründen aktuell nicht drin.» Am liebsten möchte er mal eine monumentale Skulptur für den öffentlichen Raum erstellen, die in der Grösse einer Schneeskulptur für immer in der Öffentlichkeit stehen würde – mit seiner ganz persönlichen Handschrift.

Dennis Rhiel

Mike Wymann ist 59 Jahre alt und wurde in Bern geboren. Er ist Eidg. Dipl. Steinbildhauermeister und Unternehmer. Wymann tritt zum 17. Mal als Team-Captain beim internationalen Schneeskulpturenwettbewerb an. In seiner Freizeit treibt er viel Sport, spielt Rugby bei den Fossy Bears in Bern und fährt leidenschaftlich gern Töff.

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