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«Ich will die Menschen berühren»

Anshelle-Sängerin Michèle Bachmann über das neue Album, eine verlorene Wette und ihren Song, der Avril Lavigne gefallen hätte.

«Down By The River» von Ihrem neuen Album «This Is Us» ist eine Ode an Ihre kleine Idylle am Fluss. Waren Sie heute schon schwimmen?
Nein, dafür ist es mir zu kalt, aber im Sommer mache ich es ab und zu. Zudem führen Aare und Saane in Wileroltigen momentan so viel Wasser, dass es zu gefährlich wäre.

Seit wann leben Sie hier?
Ich bin in Wileroltigen aufgewachsen, mit 17 Jahren nach Bern gezogen und wohnte dort, bis ich an meinem 48. Geburtstag zurück in mein Heimatdorf zog.

Haben Sie wie viele Berner:nnen eine besondere Beziehung zum Marzili?
Früher habe ich dort oft gebadet, heute gehe ich mehr in die benachbarte Outdoor-Bar in der sich viele Musiker treffen. In die Aare habe ich mich erst mit 30 gewagt und nur wegen einer verlorenen Wette. Ich fürchtete mich immer vor dem Schwimmen in einem Fluss, da mir bewusst ist, dass leider immer wieder Leute von der Strömung mitgerissen werden und einige von ihnen um ihr Leben kämpfen müssen.

Wovon haben Sie in Ihrer Jugend geträumt?
Ich wollte schon früh Musik machen und die Menschen mit ihr berühren. Ich stellte mir vor, wie es ist, auf einer Bühne zu stehen, und habe es beim Abschlussfest in der 9. Klasse erstmals ausprobiert. Wenn jemand an einem Konzert von Anshelle vor Rührung weint, ist das für mich das Höchste. Fame und Hitparaden-Erfolge sind mir nicht wichtig.

Waren Sie damals viel im Ausgang?
Ja, von Donnerstag bis Samstag, obwohl ich in der KV-Lehre war und nur über ein schmales Budget verfügte, stürzte ich mich ins pulsierende Leben von Veranstaltungsorten wie Dampfzentrale oder Gaskessel.

Was gefällt Ihnen am heutigen Bern?
Meine Aktivitäten haben sich zunehmend in ruhigere Gefilde verlagert, etwa auf den Gurten oder ins Naturhistorische Museum, da ich wegen meiner Hochsensibilität grosse Lautstärken nach Möglichkeit meide.

Wie war es für Sie, mit «This Is Us» Ihr erstes Album seit sechs Jahren zu machen?
Die Pause dauerte nicht ganz freiwillig so lange … Nach Covid hatten wir extrem viel Lust auf den kreativen Prozess. Ich habe die Songs zusammen mit Keyboarder Sandro Marretta und Bassist Phil Küffer, seit 17 Jahren mein Lebenspartner, im Studio bei uns zuhause geschrieben und aufgenommen. Diese Zeit hat uns wieder zusammengeschweisst, fast noch mehr als in unseren Anfängen.

Wie würden Sie das Resultat beschreiben?
Ich denke, es ist ein reifes Popalbum und hoffentlich auch ein Album, das bewegt.

Sie waren im Laufe Ihrer Karierre auch international aktiv. Was hat sich Ihnen besonders eingeprägt?
Die schönste internationale Erfahrung war, als Phil und ich in Los Angeles mit dem Produzenten Rob Chiarelli, der bereits 14 Grammys gewonnen hat, zusammenarbeiten konnten. Nachdem wir mit einem seiner Musiker «Already Gone» geschrieben hatten, sagte er: «Ich glaube, ich könnte diesen Song Avril Lavigne schicken und er würde ihr gefallen.» Wir haben ihn jedoch behalten und bereuen es nicht, obwohl wir damit keinen Hit landeten. Wir sind halt einfach keine Weltstars …

Was würden Sie jungen Talenten mit Ihrer zwanzigjährigen Erfahrung raten?
Drei Dinge: 1. Wenn du keinen langen Atem hast und nur den grossen Erfolg suchst, der wahrscheinlich nie kommen wird, solltest du mit dem Musikmachen besser gleich aufhören. 2. Richte deinen Blick nicht nach aussen, sondern höre auf dein Herz und deine Band. 3. Nimm selbst dann Gesangsunterricht, wenn du das Gefühl hast, du würdest ihn mit deiner kräftigen Stimme eh nie nötig haben. Ich habe sie mal verloren und musste danach zu verschiedenen Logopäden.

Was erwartet das Publikum an der «Zeller Weihnacht» im Kulturlokal Heitere Fahne in Wabern?
Das ist ein Benefiz-Konzertabend des Berner Musikers Patrik Zeller für die Organisation Uravu Eco Links, die ein Kinderbetreuungszentrum in Südindien aufbaut. Da stehen ganz verschiedene Künstler auf der Bühne, wobei wir den Song «Carolina» beisteuern werden.

Reinhold Hönle

PERSÖNLICH

Michèle Anne Bachmann wurde 1975 in Bern geboren und wuchs in Wileroltigen auf. Aus den Anfangs- und Endlauten ihrer Vornamen komponierte die Ex-Sängerin der Triphop-Band Neuland ihren Künstlernamen. 2002 kam ihr erstes Soloalbum «Part Of The Game» heraus. 2007 wurde Anshelle zum Bandnamen. Dem Kerntrio gehören ausser ihr Bassist Phil Küffer und Keyboarder Sandro Marretta an. Aus dem achten Album «This Is Us» ragen der Popohrwurm «Carolina», die beschwingte Folknummer «After All This Time» und die schmerzerfüllte Ballade «Another Face» heraus. Anshelle treten am 14. Dezember ab 20 Uhr bei der «Zeller Weihnacht» in der «Heitere Fahne» in Wabern auf.

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